Die deutschen Kliniken stecken laut einer Umfrage größtenteils in finanziellen Notlagen. Darüber hinaus blicken viele von ihnen mit Skepsis auf die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung.

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Die Mehrzahl der deutschen Kliniken erwartet durch die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keine Verbesserungen bei der Behandlungsqualität. Auch im Hinblick auf die Behebung des Pflegenotstands herrscht kein großer Optimismus. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) unter 448 Allgemeinkrankenhäusern, wie die Funke-Zeitungen am Mittwoch berichteten.

Kliniken glauben kaum an Verbesserungen nach geplanter Krankenhausreform

Auf die Frage, welche Auswirkungen die geplante Reform voraussichtlich auf ihr Haus habe, erklärten 60 Prozent der befragten Kliniken, die Behandlungsqualität werde sich nicht oder "eher nicht" verbessern. 29 Prozent erwarten zumindest eine Verbesserung in Teilen, neun Prozent "eher" eine Verbesserung, nur ein Prozent der Kliniken ist hiervon "voll und ganz" überzeugt.

Ein ähnliches Bild ergibt sich demnach mit Blick auf den erhofften Effekt, dass sich durch eine Reform die Chancen erhöhen, dringend benötigtes Personal zu gewinnen: 73 Prozent der befragten Kliniken glauben das der Umfrage zufolge nicht oder eher nicht. "Ernüchternd sind die Ergebnisse, wenn man die Praktiker fragt, ob sie eine Verbesserung der Personallage erwarten. Nur elf Prozent erwarten dies", sagte der Vorstandsvorsitzende der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.

"Die Politik verkennt gerne, dass Personal kein Wanderzirkus ist, den man von A nach B schicken kann", fügte er hinzu. "Die Konzentration auf weniger Standorte wird also nicht dazu führen, dass das Personal automatisch mitwechselt. Im Gegenteil, wir werden Personal verlieren."

Kliniken rechnen mit Schließungen von Abteilungen und ganzen Häusern

Auf die Frage nach den Auswirkungen der Reform auf die Zukunft des jeweiligen Krankenhauses ergab sich aus der Umfrage folgendes Bild: Fast jede zweite der befragten Kliniken (44 Prozent) geht davon aus, dass Fachabteilungen geschlossen werden. 27 Prozent erwarten Schließungen einzelner Krankenhausstandorte, 15 Prozent die Schließung des gesamten Krankenhauses. Mit steigender Klinikgröße nimmt laut Umfrage die Angst tendenziell ab, Fachabteilungen, Standorte oder Krankenhäuser insgesamt schließen zu müssen.

Nach monatelangem Ringen hatte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich mit den Ländern auf Eckpunkte der Krankenhausreform geeinigt. Sie soll einerseits die Finanzierung der Kliniken durch eine Abkehr vom System der Bezahlung nach behandelten Fällen auf eine stabilere Grundlage stellen. Andererseits soll sie durch eine stärkere medizinische Spezialisierung die Qualität erhöhen. Über den Sommer wollen Bund und Länder einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeiten.

Viele Krankenhäuser haben finanzielle Probleme

Auch finanziell stehen viele Kliniken in Deutschland nicht gut da. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Münchner Unternehmensberatung Roland Berger in den Chefetagen der 600 größten Kliniken schreibt über die Hälfte der Häuser rote Zahlen. Besonders schwierig ist demnach die Lage der öffentlichen Krankenhäuser: Fast zwei Drittel – 63 Prozent – sind in der Verlustzone.

Darüber hinaus erwarten die befragten Geschäftsführer und ärztlichen Direktoren für die nächsten Jahre eine Welle von Schließungen. 51 Prozent rechnen damit, dass von den derzeit gut 1.900 Krankenhäusern höchstens 1.250 übrig sein werden. Das wäre gut ein Drittel weniger als heute. Als Hauptursache nannten die Krankenhausmanager die Zunahme ambulanter anstelle der bisher üblichen – und finanziell einträglicheren – stationären Behandlungen. Von der geplanten Krankenhausreform erwarten nur wenige eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage.

Als ein Hauptproblem sehen viele Klinikverantwortliche laut Umfrage den Fachkräftemangel. Tendenziell könnte die erwartete Schließungswelle laut Roland Berger zu einer leichten Entspannung der Personalsituation führen, weil dann Personal "freigesetzt" werden würde.

Experten rechnen mit zahlreichen Krankenhausfusionen

Angesichts der sich beschleunigenden Konsolidierung auf dem Krankenhausmarkt gehen die Unternehmensberater davon aus, dass in den nächsten Jahren auch mehr Krankenhäuser fusionieren werden. "Wir empfehlen Krankenhausbetreibern mit anderen Leistungsträgern zu kooperieren, um Synergien zu heben und profitabler zu wirtschaften", sagte Janes Grotelüschen, einer der Autoren. Dazu gehöre auch der Ausbau der ambulanten Versorgung.

Abgesehen davon wird die Digitalisierung laut Umfrage im Krankenhausalltag eine zunehmend wichtige Rolle spielen: Die befragten Klinik-Führungskräfte maßen dem Ausbau der Telemedizin mehrheitlich die größte Bedeutung zu, gefolgt von der künstlichen Intelligenz. Letztere könnte dem ärztlichen Personal sowohl bei der Bilderkennung als auch bei medizinischen Entscheidungen nützen. (afp/dpa/the)

Informationen zu den angegebenen Studien:

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband der in Deutschland. Sie vertritt die Interessen der 28 Mitglieder – 16 Landesverbände und zwölf Spitzenverbände – in der Bundes- und EU-Politik und nimmt die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben wahr. Die 1.887 Krankenhäuser versorgen jährlich 17 Millionen stationäre Patienten (2020) und rund 21 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,4 Millionen Mitarbeitern. Bei 127 Milliarden Euro Jahresumsatz in deutschen Krankenhäusern handelt die DKG für einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor im Gesundheitswesen.
Für die vorliegende Ausgabe der Roland Berger Krankenhausstudie 2023 wurden Geschäftsführer/innen und ärztliche Direktor/innen der 600 größten Kliniken in Deutschland befragt. Die Teilnehmenden bilden auf der Basis von Umsatz, Anzahl der Mitarbeitenden, Bettenzahl, Trägerschaft und der verschiedenen Versorgungsstufen das gesamte Spektrum der Kliniklandschaft ab.
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