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Interview Aufbruchstimmung am Delme-Klinikum

Einen Wechsel in der Geschäftsführung hat das Delme-Klinikum-Delmenhorst zu verzeichnen. Im Interview erläutert Christian Peters seine neue Rolle und die Funktion des Friedel-Nachfolgers Josef Jürgens.
05.08.2023, 08:00 Uhr
Lesedauer: 7 Min
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Aufbruchstimmung am Delme-Klinikum
Von Gerwin Möller

Das Delme-Klinikum Delmenhorst (DKD) hat sich in seiner Leitung verändert, Sie bilden jetzt mit Josef Jürgens die neue Doppelspitze, welche Aufgabenänderungen ergeben sich daraus?

Christian Peters: Einfach gesagt ist es so: Das Duo Friedel/Peters wird jetzt zum Duo Peters/Jürgens. Ich bin Geschäftsführer in den Bereichen, in denen bisher Florian Friedel verantwortlich war: im Krankenhaus, in der Verwaltungs- und Service GmbH sowie im Medizinischen Versorgungszentrum. Josef Jürgens übernimmt die Verantwortung für den Krankenhausneubau. Er verfügt über enorme Erfahrungen rund um das Thema Bau. Auch mit ambulanten Versorgungsstrukturen ist er seit Jahren bestens vertraut. Daher ist er auch dort eine hervorragende Unterstützung für uns. Für Patienten und Mitarbeiter ändert sich durch diesen Wechsel gar nichts. Es handelt sich um eine rein organisatorische Maßnahme. Wir setzen den guten Kurs des DKD fort und sorgen jetzt dafür, dass wir für die aktuellen Herausforderungen und die auf uns zukommenden Veränderungen im Rahmen der Krankenhausreform gut aufgestellt sind. 

Im Zuge der Personalveränderung wurde die besondere Konstruktion der Klinikleitung thematisiert. Das DKD ist ein kommunales Krankenhaus mit einem externen Managementträger als „Geschäftsbesorger“. Welcher Vorteil ergibt sich daraus für Delmenhorst?

Lange Jahre ging man davon aus, dass die Wirtschaftlichkeit einer Klinik mit Privatisierung eingekauft wird. Viele Kommunen haben ihre Krankenhäuser deswegen in private Trägerschaften übergeben. Die HMG bietet aber eine echte Alternative zur Privatisierung. Der Vorteil unseres Konstrukts ist, dass in der Zusammenarbeit mit der Hospital Management Gesellschaft (HMG) die gesellschaftsrechtliche Autonomie des Krankenhausträgers vollumfänglich erhalten bleibt. Trotzdem können wir, ähnlich wie private Kliniken, die Synergien eines Verbundes nutzen. Im Klinik-Netzwerk der HMG tauschen wir uns aus, teilen Erfahrungen und Wissen oder nutzen auch ein einheitliches Berichtswesen. Die HMG kann Experten für ganz unterschiedliche Fragen zur Verfügung stellen. Das ist ja genau jetzt der Fall: Nehmen Sie uns drei: Herr Jürgens ist Kaufmann, Herr Königs ist Pflegedirektor und ich bin Arzt. Alle Problemstellungen eines Krankenhauses können mit uns Dreien vollumfänglich abgedeckt werden. Zudem unterstützt uns die HMG zum Beispiel bei Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen: Auf deren Seite sitzen Profis, die das jeden Tag machen – das Krankenhaus bereitet sich in der Regel einmal im Jahr darauf vor. Über die HMG haben wir Zugriff auf Spezialisten für Budgetverhandlungen. Teilweise saßen diese Kollegen früher bei einer Krankenkasse, also auf der Gegenseite. So können die Verhandlungen tatsächlich auf Augenhöhe stattfinden. Andere Beratungsleistungen ermöglichen eine deutliche Verbesserung von Abläufen, beispielsweise bei der Raumplanung in der Notaufnahme. Eine Pflegekraft beispielsweise läuft in einer Schicht bis zu 15 Kilometer, weil die Räume oft ungeschickt angeordnet sind. Lange Laufwege sind erstens anstrengend, bedeuten zweitens verbrannte Arbeitszeit und sind damit völlig kontraproduktiv. In unserer Notaufnahme im Neubau gibt es eine mindestens 50-prozentige Reduktion solcher Wegstrecken.

Der Vertrag mit der HMG läuft noch bis 2024. Wann soll es Gespräche über eine Vertragsverlängerung geben?

Wir haben großes Interesse an einer Fortsetzung. Wir geben schließlich nicht nur Expertise, sondern auch Herzblut in unsere Arbeit fürs DKD. Wir würden das Neubau-Projekt gerne bis zum Ende begleiten. Ob das dann auch so kommt, entscheidet der Aufsichtsrat.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation des DKD, während der Pandemie gab es für Einnahmeausfälle Ausgleichszahlungen, die fließen nicht mehr. Hat sich die Situation normalisiert?

Vom Normalzustand sind alle deutschen Kliniken weit entfernt. Wir haben tatsächlich die letzten Coronaausgleichszahlungen Mitte vergangenen Jahres ausgezahlt bekommen. Wir hatten aber bis März dieses Jahres durchschnittlich noch bis zu zehn Corona-Patienten im Haus, ohne entsprechende finanzielle Kompensationen. Und nach Corona kamen andere wirtschaftliche Herausforderungen hinzu: der Energiepreissteigerungen, die Inflation und auch Lohnanpassungen. Bundesweit geht man davon aus, dass es im Vergleich zurzeit vor Corona langfristig bis zu 15 Prozent weniger stationäre Patienten geben wird. Das merken wir nicht in diesem Ausmaß. Mit weniger als zehn Prozent fällt der Fallzahlenrückgang bei uns zum Glück geringer aus. Aber natürlich fehlen uns diese Patienten. Die Schere zwischen Einnahmen und Kosten geht auf jeden Fall immer weiter auseinander und das natürlich nicht nur in Delmenhorst. Ein Großteil aller Krankenhäuser in Deutschland hat deshalb massive wirtschaftliche Probleme und braucht kurzfristig finanzielle Unterstützung, eine Soforthilfe hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aber bisher ausgeschlossen.

Nach Corona kommt die Krankenhausreform, manch einer sieht auch darin eine Katastrophe auf die Häuser zukommen, von Kliniksterben ist die Rede, wie ist das DKD dafür aufgestellt?

Wir denken voraus und versuchen uns jetzt, zum Beispiel mit Digitalisierung und einer Stärkung der ambulanten Versorgung, auf die künftigen Anforderungen vorzubereiten, brauchen aber dennoch dringend Planungssicherheit. Das Problem ist, dass die Krankenhausreform noch Jahre brauchen wird, bis wir Effekte spüren. Künftig wird es abgestimmte Versorgungsaufträge innerhalb einer Region geben. Dazu werden Versorgungsstufen und sogenannte Leistungsgruppen eingeführt. Da kann dann nicht mehr jeder alles machen. Nehmen wir als Beispiel die Innere Medizin. Dort kann es etwa sein, dass ein Haus sich auf Magen- und Darmerkrankungen konzentriert, und das Nachbarhaus versorgt Patienten mit Herzerkrankungen. Hinzu kommen Vorhaltepauschalen. Wir erhalten dann, unabhängig von der Belegung, einen festen Betrag zur Bereitstellung unserer Infrastruktur. Das ist zielführend und genau richtig, aber wenn das erst ab dem Jahr 2026 greift, ist es möglicherweise für das ein oder andere Krankenhaus zu spät.

Reicht es für Delmenhorst als 80.000-Einwohner-Stadt aus, als Grundversorger eingeordnet zu werden?

Gegenwärtig sind wir als Grund- und Regelversorgung eingestuft, haben aber jetzt schon Bestandteile eines Schwerpunkt-Versorgers. Wir haben eine Klinik für Thoraxchirurgie, eine große Geburtshilfe und Kinderklinik, eine Schmerz- und Palliativstation. Das sind alles Elemente, die man eher bei Schwerpunkt-Versorgern findet. Diese Leistungen werden wir fortführen. Sie sind ja auch schon im Neubau eingeplant. Schon jetzt behandeln wir Herzrhythmusstörungen und haben für diese Untersuchungen auch ein Herzkatheterlabor. Künftig werden wir einen Versorgungsauftrag für Herzinfarkte und Schlaganfälle bekommen. Bisher müssen solche Patienten noch nach Oldenburg oder nach Bremen verlegt werden. Wenn der Neubau dann steht, versorgen wir diese Patienten wohnortnah in Delmenhorst, was natürlich für die Bevölkerung ein großer Vorteil ist.

Durch den Neubau wird es für Delmenhorst eine Aufwertung geben?

Ja, mit dem Neubau wird dieser Krankenhausstandort an Bedeutung gewinnen und auch verstärkt Patientinnen und Patienten aus dem Umland anziehen. Wir entwickeln uns mehr in Richtung Schwerpunktversorgung. Entsprechende Signale haben wir im Übrigen auch aus dem Ministerium in Hannover erhalten.

Und mit dem Neubau liegen Sie im Plan?

Der Neubau liegt komplett im Zeit- und Kostenplan. Das ist natürlich überaus erfreulich, weil es ja zeitgleich in Deutschland eine erhebliche Baukostensteigerung gibt. Der Baufortschritt ist rasant, man kann jede Woche praktisch eine neue Ebene sehen. Das hat auch psychologische Effekte in die Belegschaft hinein: Die Mitarbeitenden sehen, dass dort Zukunft entsteht. Wir schaffen sichere, moderne Arbeitsplätze. Das motiviert natürlich und diese Wirkung nach innen ist auch ganz wichtig, angesichts des Fachkräftemangels.

Können im DKD alle gewünschten Leistungen auch in absehbarer Zukunft abgedeckt werden oder drohen Angebote zu entfallen, weil es an Fachkräften mangelt?

Was wir jetzt haben, bieten wir auch in Zukunft an und wir entwickeln das Haus weiter. Es entstehen neue Versorgungselemente, so in der Kardiologie, also bei der Behandlung von Herzerkrankungen. Schlaganfallpatienten sollen hier zukünftig behandelt werden können. Die Überalterung der Gesellschaft ist eine wichtige gesellschaftliche Entwicklung, auf die wir uns jetzt einstellen. Allgemeine Kompetenz dazu ist schon vorhanden. Jetzt geht es darum, sich noch mehr zu spezialisieren und den Umgang mit älteren Patienten gezielt zu verbessern. Das berücksichtigen wir auch beim Bau: Die Zimmer bekommen für die Betreuung älterer Patienten eine bessere Raumaufteilung, die Badezimmer sind größer und dann auch mit dem Rollstuhl zugänglich.

Was kann die Klinik gegen den Fachkräftemangel unternehmen?

Ich wundere mich manchmal über die öffentliche Diskussion, in der immer wieder so getan wird, als sei der Fachkräftemangel ein Szenario der Zukunft. Das ist mitnichten so. Wir sind schon mittendrin und haben alle möglichen Maßnahmen etabliert, um Fachkräfte für uns zu gewinnen. Wir nutzen einschlägige Werbeportale oder bemühen uns um ausländische Fachkräfte. Im Pflegebereich haben wir einen absoluten Fachkräftemangel. Das ist bei den Ärzten etwas anders. Dort gibt es einen relativen Fachkräftemangel. Es sind genügend Ärzte vorhanden, aber viele arbeiten nicht mehr am Patientenbett, sondern suchen sich andere Tätigkeitsfelder, zum Beispiel im Medizincontrolling oder in der Forschung. Außerdem steigt die Teilzeitquote erheblich, also brauchen wir mehr Köpfe, um die Stellen besetzen zu können. Wir konnten in den vergangenen Monaten erfreuliche Fortschritte verzeichnen und haben sehr gute Kolleginnen und Kollegen für den ärztlichen Dienst eingestellt. Sie besitzen teilweise bereits eine Facharztausbildung und suchen nach einer Weiterqualifikation, so in der Notfallmedizin. Bei uns arbeiten Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin eng zusammen, was dann beispielsweise auch für Ärztinnen und Ärzte aus großen Kliniken ein interessantes Fächerspektrum ist. Im Pflegebereich haben wir leider noch unbesetzte Stellen. Im Oktober kommen die Absolventen aus unserer Pflegeschule zu uns. Das wird uns dabei helfen, offene Stellen zu besetzen und unsere Pflegekräfte zu entlasten.

Das Interview führte Gerwin Möller.

Zur Person

Christian Peters (59)

ist ausgebildeter Facharzt für Transfusionsmedizin sowie für Anästhesie und Intensivmedizin. Seit 2006 arbeitet Peters im Krankenhausmanagement, seit Mai 2020 ist er Co-Geschäftsführer des Delme-Klinikums.

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