S 223 KR 2413/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 223 KR 2413/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag für Leistungen der neurologischen Frührehabilitation der Phase B ist berechtigt, den OPS-Code 8-890 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) zu verschlüsseln.

ENTWURF

Sozialgericht Berlin

 

 

S 223 KR 2413/21

 

verkündet am
26. Juli 2023

 

 

 

als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die Geschäftsführung 

… Berlin,
 

 

- Klägerin -

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte …

gegen

          AOK Plus,
Die Gesundheitskasse 

Sternplatz 7, 01067 Dresden,

- Beklagte -

 

 

hat die 223. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 26. Juli 2023 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und die ehrenamtliche Richterin für Recht erkannt:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 808.108,97 Euro zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2021 zu zahlen.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 94 %, die Klägerin zu 6 %

 

Der Streitwert wird auf 862.807,10 Euro festgesetzt.

 

 

 

 

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten über die Vergütung vollstationärer Krankenhausbehandlungen aus den Jahren 2018 und 2019 i.H.v. insgesamt noch 808.108,97 Euro. Streitgegenständlich sind noch sechs Behandlungsfälle aus dem Jahr 2018 und 44 Behandlungsfälle aus dem Jahr 2019. Konkret geht es um die Frage, ob die Klägerin berechtigt war, in den streitigen Behandlungsfällen den OPS-Code 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)) zu verschlüsseln, oder ob sie damit Abrechnungen außerhalb ihres Versorgungsauftrages vornahm.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Die Krankenkassen im Freistaat Thüringen schlossen im November 2014 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Versorgungsvertrag gemäß §§ 108 Nr. 3, 109 SGB V mit Wirkung zum 01.01.2015. In § 1 war der Gegenstand des Vertrages geregelt:

  1. „Die Einrichtung erbringt für die Versicherten der Mitgliedskassen der Krankenkassenverbände Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V im Rahmen der Phase B der neurologischen Frührehabilitation im Sinne der „Empfehlung zur neurologischen Rehabilitation für Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C der Bundesarbeitsgemeinschaft vom 02.11.1995“. Darüber hinaus werden in der Einrichtung Patienten versorgt, die zum einen die Kriterien der Behandlung der Phase B erfüllen und für einen begrenzten Zeitraum noch beatmungspflichtig sind und bei denen ein Rehabilitationspotenzial vorliegt mit den Zielen: […].
  2. Die Zulassung umfasst ab dem 1. Januar 2015

43 Betten

      des Fachgebietes für die Phase B des neurologischen Phasenmodells und

19 Betten

des Fachgebiets für die Phase B des neurologischen Phasenmodells für noch beatmungspflichtig Patienten.

  1. Die Phase B im Rahmen der neurologischen Behandlung umfasst den Behandlungsabschnitt, in dem noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Sie ist gedacht für bewusstlose bzw. qualitativ und quantitativ schwer bewusstseinsgestörte Patienten mit schwersten Hirnschädigungen oder solche mit anderen schweren neurologischen Störungen, die noch intensivbehandlungspflichtig sind. Die Eingangskriterien sind in den „Empfehlungen der aktuellen BAR- Richtlinie“ (3.1.1) definiert, die vertragsgegenständlich sind.
  2. Die Aufgaben der durchführenden Einrichtungen sind entsprechend den unter Abs. 3 genannten Empfehlungen: […].

Nach § 3 Abs. 3 des Versorgungsvertrages waren Patientinnen und Patienten, die den Eingangskriterien der Phase B entsprechen: „Bewusstlose bzw. qualitativ oder quantitativ schwer bewusstseinsgestörte Patienten mit schwersten Hirnschädigungen als Folge von Schädelhirntraumen, zerebralen Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Sauerstoffmangel (insbesondere Zustand nach Reanimation), Entzündungen, Tumoren, Vergiftungen“. Dabei war geregelt, dass neben der Bewusstseinsstörung weitere Hirnfunktionsstörungen bestehen können: „Patienten mit anderen neurologischen Störungen (z.B. Locked-in, Guillian-Barré, hoher Querschnitt), die noch intensivbehandlungsbedürftig sind“.

In § 4 des Versorgungsvertrages (Ergänzende Festlegung zum Leistungsspektrum des Krankenhauses, Behandlung von beatmungspflichtig am Patienten) heißt es unter anderem:

  1. „Der Versorgungsvertrag der Einrichtung schließt ergänzend zu § 3 Abs. 3 auch die Behandlung von beatmungspflichtigen Patienten im Rahmen der neurologischen Rehabilitation – Phase B ein.
  2. Betten für beatmungspflichtig Patienten können nur auf einer Beatmungsstation, welche räumlich getrennt ist, aufgestellt werden. Eine Einstreuung von Betten für beatmungspflichtig Patienten in andere Bereiche ist nicht zulässig.

 […]“.

Mit Feststellungsbescheid vom 01.08.2018 entschied der Freistaat Thüringen, dass das Krankenhaus der Klägerin in den Krankenhausplan zum 01.08.2018 aufgenommen ist. Als Fachabteilung wird angegeben: „Neurologische Frührehabilitation nach Phase B“ mit 62 Betten. In der Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, dass die Leistungsfähigkeit des Krankenhauses der Klägerin für die Erbringung der Leistungen der neurologischen Frührehabilitation nach Phase B nach den vorgelegten Unterlagen gegeben sei. Das Krankenhaus erhalte daher als Fachklinik den Versorgungsauftrag in dem oben im Bescheid aufgeführten Umfang. Die Aufnahme der bisherigen Vertragskrankenhäuser erfolge auf der Basis der mit den Kostenträgern geschlossenen Vereinbarung. Dies „überführe“ die geschlossenen Versorgungsverträge in den Krankenhausplan. Dem von der Klägerin gestellte Antrag auf gesonderte Ausweisung der Planbetten für beatmungspflichtige Patienten werde nicht gefolgt. Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasse auch diese Patientengruppe, soweit sie der Leistungen der neurologischen Frührehabilitation nach Phase B bedürfe. Es handele sich jedoch um keinen gesondert geplanten oder ausgewiesenen Versorgungsbedarf. Insofern obliege es der Organisationshoheit des Krankenhauses, ob und wie viele entsprechende Betten aufgestellt würden.

Das dem Bescheid beigefügte Datenblatt enthielt folgende Angaben („Versorgungsauftrag: neurologische Frührehabilitation nach Phase B):

 

Fachabteilung

Anzahl Betten

zum

01.01.2017

Prognose

2022

Leistungen nach Phase B

62

62

GESAMT

62

62

 

Der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche 7. Thüringer Krankenhausplan, welcher zum 01.01.2017 in Kraft trat, differenziert nach den folgenden planungsrelevanten Fachgebieten: „Augenheilkunde, Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geriatrie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Herzchirurgie, Innere Medizin, Intensivtherapie, Kinderchirurgie, Kinder- und Jugendmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie und - psychotherapie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Neurochirurgie, Neurologie, Nuklearmedizin, Orthopädie und Unfallchirurgie, Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Strahlentherapie, Urologie“. Unter Punkt 3.2.5 (Versorgungsvertrag) bestimmt der 7. Thüringer Krankenhausplan, dass sich der konkrete Versorgungsauftrag des Krankenhauses aus dem unter Ziff. 13.2 für das jeweilige Krankenhaus aufgeführten Datenblatt, das Bestandteil des Feststellungsbescheides ist, ergibt.

Mit Änderungsbescheid vom 08.08.2019 wurde die Planbettenzahl dem aktuellen Leistungsgeschehen angepasst und auf 64 erhöht. Weitere inhaltliche Änderungen hinsichtlich des Versorgungsauftrages ergaben sich nicht. Das dem Bescheid beigefügte Datenblatt zum 01.01.2019 enthielt nunmehr folgende Angaben („Versorgungsauftrag: neurologische Frührehabilitation nach Phase B):

 

Fachabteilung

Berechnungstage

Anzahl der Betten

Auswertung

Daten 2017

(§ 21 KHEntgG)

Auswertung

Daten 2017

(§ 21 KHEntgG)

Prognose 2019

Leistungen nach Phase B

19.796

64

64

GESAMT

19.796

64

64

 

Die Beklagte vertrat – gestützt auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) – die Auffassung, dass die Klägerin nicht berechtigt war, den OPS 8-890 zu verschlüsseln und entsprechend abzurechnen, da sie keinen diesbezüglichen Versorgungsauftrag habe. Sie kürzte deshalb die in Rechnung gestellten Beträge jeweils um den Betrag, der sich durch die Kodierung des OPS 8-890 ergeben hatte. Außergerichtlich vermochten sich die Beteiligten nicht zu einigen.

Mit Bescheid vom 26.08.2020 wurde die “Anzahl der intensivmedizinischen Behandlungsplätze mit maschineller Beatmungsmöglichkeit […] von 19 auf insgesamt 28 erhöht“

Am 22.12.2021 hat die Klägerin Klage erhoben. Mit der Klage wendet sie sich gegen die Rechnungskürzungen in den Behandlungsfällen aus den Jahren 2018 und 2019 und bezieht den Vortrag in den parallel anhängig gemachten Verfahren (insbesondere Az. S 122 KR 926/20, S 211 KR 927/20) explizit mit ein.

Die Versorgung von intensivbehandlungsbedürftigen Patienten im Rahmen der neurologischen Frührehabilitation Phase B habe bereits nach dem Versorgungsvertrag vom November 2014 zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gezählt. Der Freistaat Thüringen habe mit Feststellungsbescheid vom 01.08.2018 den Versorgungsauftrag ,,eins zu eins" in den Krankenhausplan des Freistaats Thüringen überführt. Mit Änderungsfeststellungsbescheid vom 08.08.2019 sei nochmals bestätigt worden, dass sich der Versorgungsauftrag in inhaltlicher Sicht nicht geändert habe. Eine gesonderte Ausweisung von Intensivbetten im Feststellungsbescheid sei nicht erforderlich. Ausdrücklich sei in dem Bescheid vom 01.08.2018 darauf hingewiesen worden, dass die intensivmedizinischen Betten im Rahmen des Versorgungsauftrages vorzuhalten seien. Die Beklage verkenne den Inhalt des Versorgungsauftrages des Krankenhauses der Klägerin, wenn sie davon ausgehe, dass davon das Betreibend einer Intensivstation nicht umfasst sei.

Die Voraussetzungen des OPS 8-980 seien erfüllt. Eine Intensivstation i.S.d. Rechtsprechung des BSG (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R –, Rn. 19) sei vorhanden. Wie der u.a. zum Verfahren S 122 KR 926/20 eingereichten Beschreibung der Intensivstation zu entnehmen sei, werde die Intensivstation von einem Facharzt für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin geleitet. Es fänden täglich zwei interdisziplinäre Visiten statt. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei durch einen Anwesenheitsdienst und einen Rufdienst sichergestellt. Zum ärztlichen Team gehörten sechs Fachärzte für Anästhesie (einer mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin), ein Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, ein Facharzt für Viszeral- und Gefäßchirurgie, ein Facharzt für Neurochirurgie, ein Facharzt für Neurologie (mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin), drei Ärzte in Weiterbildung für Neurologie. Zudem könnten konsiliarärztlich ein HN0-Arzt, ein Dermatologe, ein Urologe, ein Augenarzt und ein Zahnarzt kurzfristig hinzugezogen werden. Die Pflegerische Leitung der Station habe eine Gesundheits- und Krankenpflegerin mit der Fachweiterbildung für Intensiv- und Anästhesiepflege inne. Das in der Intensivmedizin erfahrene Pflegepersonal werde gemäß des Stellenschlüssels PpUGV für Intensivmedizin und Neurologische Frührehabilitation auf der Intensivstation eingesetzt. Das ärztliche und pflegerische Personal garantierte eine kontinuierliche 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft der Patientinnen und Patienten auf der – räumlich abgegrenzten – Intensivstation. Insgesamt würden damit die Mindestmerkmale des 0PS 8-980 bei Weitem erfüllt. Dies werde durch das inzwischen vorliegende Strukturgutachten des Medizinischen Dienstes (MD) über die Voraussetzungen des 0PS 8-980 vom 30.06.2021 bestätigt. Das Gutachten gelte formal erst mit Wirkung ab dem 01.01.2022. Die sächlichen und personellen Voraussetzungen, die der MD seinem Gutachten zugrunde lege, seien jedoch weitgehend mit denen im hier strittigen Zeitraum identisch.

Hinsichtlich der von der Beklagten im Klageverfahren zitierten Rechtsprechung sei anzumerken, dass das LSG NRW im vom Beklagten genannten Urteil vom 21.11.2019 (Az. L 5 KR 621/17) nicht ausgeführt habe, dass es einer krankenhausplanerischen Intensivtherapie bedürfe. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Urteil des Bayerischen LSG vom 15.02.2019 (Az. L 4 KR 326/17) und das Urteil des SG Osnabrück vom 13.01.2020 (Az. S 46 KR 367/17) zu verweisen. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des SG Nordhausen vom 21.01.2009 (Az. S 3 KR 1856/06) beziehe, sei darauf hinzuweisen, dass das BSG bereits mit Entscheidung vom 23.06.2015 (Az. B 1 KR 21/14 R) klargestellt habe, dass es eine Ausweisung geriatrischer Betten für die Frührehabilitation nicht bedürfe. Der Verweis der Beklagten auf das Urteil des Sächsischen OVG vom 18.09.2014 (Az. 5 A774/12) erschließe sich nicht. Selbstverständlich bestimme die Krankenhausplanung den Versorgungsauftrag von Plankrankenhäusern. Wie oben aufgeführt, zähle die intensivmedizinische Behandlung von beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten der neurologischen Frührehabilitation Phase B gerade zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin.

Nachdem die Klägerin zunächst die Kürzungsbeträge hinsichtlich sieben Behandlungsfällen aus dem Jahr 2018 (Kürzungsbetrag insgesamt für 2018: 132.509,79 Euro) und hinsichtlich 46 Behandlungsfällen aus dem Jahr 2019 (730.303,31 Euro) mit der Klage geltend gemacht hatte, hat sie die Klage hinsichtlich drei Patienten (einer aus dem Jahr 2018 und zwei aus dem Jahr 2019) i.H.v. insgesamt 54.697,13 Euro zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 808.108,97 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) dürften die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet werden. Der hier maßgebliche 7. Thüringer Krankenhausplan sehe als planungsrelevantes Fachgebiet die Intensivtherapie vor. Der Versorgungsauftrag der Klägerin sei aber ausweislich des Datenblatts, der Bestandteil des Feststellungsbescheides sei, nur für die Fachabteilung neurologische Frührehabilitation nach Phase B gegeben. Das Krankenhaus verfüge nach den Festlegungen des 7. Thüringer Krankenhausplans nicht über eine Fachabteilung Intensivtherapie. Der OPS für die intensivmedizinische Komplexbehandlung fordere aber explizit das Vorhandensein einer Intensivstation. Die intensivmedizinische Komplexbehandlung sei deshalb nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin umfasst. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21.01.2009 (Az. S 3 KR 1856/06) habe das SG Nordhausen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG eine auf Vergütung der geriatrischen Komplexbehandlung gerichtete Klage mit dem Hinweis darauf, dass das klagende Krankenhaus nicht über eine Fachabteilung Geriatrie verfüge, abgewiesen. Die dortigen Ausführungen ließen sich nach Ansicht der Beklagten zwanglos auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Sächsische OVG habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 18.09.2014 (Az. 5 A 774/12) ausdrücklich hervorgehoben, dass aus § 8 Abs. 1 S. 3 und 4 KHEntgG folge, dass die landesrechtliche Krankenhausplanung die Abrechnungsfähigkeit von allgemeinen Krankenhausleistungen der Plankrankenhäuser einschränken könne, indem es ihnen begrenzte Versorgungsaufträge zuweise. Zu verweisen sei auch auf die Entscheidung des LSG NRW vom 21.11.2019 (Az. L 5 KR 621/17), wonach eine Komplexbehandlung ausschließlich auf einer Intensivstation erfolgen könne und auf die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein vom 23.01.2023 (Az. 5 LA 185/20), wonach eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nicht in dem Versorgungsauftrag eines Krankenhauses enthalten sei, dessen Versorgungsauftrag nur die Fachrichtungen Neurologie und Psychologie umfasse.

Die Klägerin erfülle aber auch unabhängig von der fehlenden Ausweisung einer Intensivstation im Feststellungsbescheid nicht die Voraussetzungen des OPS 8-890, da sie nicht über eine ausreichende Intensivstation verfüge. Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Qualität- und Strukturanforderungen nach § 4 Abs. 3 des Thüringer Krankenhausgesetzes (ThürQSVO) sei zur durchgängigen Wahrung des Facharztstandards für jede planerisch ausgewiesene Abteilung einer Fachrichtung ärztliches Personal im Umfang von mindestens 5,5 vollbeschäftigten Einheiten vorzuhalten. Die ärztliche Leitung der Abteilung, die Stellvertretung sowie ein weiterer Arzt müssten die Facharztqualifikation für die entsprechende Fachrichtung vorweisen; soweit die übrigen Stellen mit Ärzten in Weiterbildung zum Facharzt für die entsprechende Fachrichtung besetzt seien, solle sich in der Regel mindestens einer im letzten Drittel seiner Weiterbildung befinden. Danach bedürfe es mindestens drei Ärzte mit entsprechender Zusatzbezeichnung. Nach den Ausführungen der Klägerin („Ausführliche Beschreibung der Intensivstation“) verfüge das Krankenhaus jedoch nur über zwei Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin, mithin stünden auch die Vorgaben des § 6 Abs. 1a KHG i.V.m. § 4 Abs. 3 ThürKHG, § 2 Abs. 2 ThürQSVO) dem Abrechnungsbegehren der Klägerin entgegen. Die Einhaltung der Qualität- und Strukturanforderungen sei nicht nur Voraussetzung für die Ausweisung des entsprechenden Versorgungsauftrags im Krankenhausplan, über den das Krankenhaus der Klägerin nicht verfüge, sondern zugleich auch für die entsprechende Leistungserbringung.

Die Klägerin könne sich zur Begründung ihrer Forderungen, die aus den Jahren 2018 und 19 resultierten, auch nicht auf das von ihr überreichte MD-Gutachten vom 30.06.2021 berufen. Insoweit trage die Klägerin selbst zutreffend vor, dass dieses lediglich Gültigkeit ab dem 01.01.2022 beanspruche. Die Klägerin könne daher schon in zeitlicher Hinsicht nichts aus dem zitierten Gutachten des MD herleiten.

Das Gericht hat die parallelen Verfahren u.a. zu den Az. S 122 KR 926/20 und S 211 KR 927/20 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die – auch beigezogenen - Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 

Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R, Rn. 9; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R, Rn. 12) und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der noch geltend gemachten 808.108,97 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2021.

1.) Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse für Krankenhausbehandlung entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen - FPVn) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelten oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 6/19 R – juris, Rn. 10, m.w.N., juris).

Nach § 1 Abs. 6 FPV (2018 und 2019) sind zur Einstufung in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen, die vom DRG-Institut der Selbstverwaltungspartner nach § 17b Abs. 2 KHG zertifiziert sind. Der Grouper und die DKR greifen zurück bzw. nehmen Bezug auf die vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) bzw. nunmehr (seit Mai 2020) vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums herausgegebenen Klassifikationssysteme der Krankheiten (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS). Die rechtliche Verbindlichkeit dieser Klassifikationssysteme folgt nicht aus § 301 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V, sondern allein aus dem Umstand, dass sie über die zertifizierten Grouper in die Normverträge einbezogen sind (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 – B 1 KR 13/18 R –, Rn. 12, juris).

Mit dem OPS werden die durchgeführten Behandlungen abgebildet, d.h. insbesondere die Operationen sowie sonstige therapeutische und diagnostische Maßnahmen. Einige spezielle und aufwendige Behandlungen werden im OPS als Komplexbehandlungen geregelt. Dabei werden zum Teil recht umfangreiche Behandlungsinhalte zu sog. Komplexcodes zusammengefasst. Diese regeln neben den Inhalten der jeweiligen Komplexbehandlungen zum Teil auch strukturelle Voraussetzungen der Leistungserbringung, etwa hinsichtlich der Ausstattung, der Organisation oder der Anbindung der jeweiligen Krankenhausabteilung oder der Qualifikation der Mitarbeiter. Diese Strukturmerkmale sind dann durch die Einbeziehung des OPS in die Verträge auf Bundesebene (FPV, DKR) ebenfalls Voraussetzung für die Abrechnung der jeweiligen Vergütung der Komplexbehandlung. Die Krankenhausplanungshoheit der Länder ist insofern nicht tangiert (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 39/17 R –, Rn. 13; vgl. zu den Grundlagen der Kodierung auch Lungstras/Bockholdt, Einführung in das Krankenhausvergütungsrecht, NZS 2021, 1 ff.).

Vorliegend ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob die Klägerin die Prozedur OPS 8-980 in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen verschlüsseln durfte und damit berechtigt war, die sich jeweils durch die Groupierung des OPS 8-980 ergebenden DRG abzurechnen. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen. In dem Krankenhaus der Klägerin sind die Voraussetzungen des OPS 8-980 erfüllt. Der Wortlaut des OPS war in den Jahren 2018 und 2019 identisch:

„Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur):

Exkl:    Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige (< 24 Stunden) Intensivbehandlung

Kurzfristige (< 24 Stunden) Stabilisierung von Patienten nach operativen Eingriffen

Hinw.: Mindestmerkmale

  • Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen
  • Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"
  • Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein. Der Arzt der Intensivstation kann zu einem kurzfristigen Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werden
  • Die Anzahl der Aufwandspunkte errechnet sich aus der Summe des täglichen SAPS II (ohne Glasgow Coma Scale) über die Verweildauer auf der Intensivstation (total SAPS II) plus der Summe von 10 täglich ermittelten aufwendigen Leistungen aus dem TISS-Katalog über die Verweildauer auf der Intensivstation
  • Die zu verwendenden Parameter des SAPS II und des TISS sind im Anhang zum OPS zu finden
  • Spezielle intensivmedizinische Prozeduren, wie Transfusion von Plasma und Plasmabestandteilen, Plasmapherese und Immunadsorption, Maßnahmen im Rahmen der Reanimation u.a. sind gesondert zu kodieren
  • Diese Kodes sind für Patienten, die bei stationärer Aufnahme das 14. Lebensjahr vollendet haben, anzugeben.“

Die weiteren Stellen des Codes 8-980 betreffen die Anzahl der Aufwandspunkte.

Streitig ist vorliegend zwischen den Beteiligten allein, ob eine Intensivstation, wie sie in den genannten Mindestmerkmalen gefordert wird, im Krankenhaus der Klägerin vorhanden ist. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen. Dabei geht die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten davon aus, dass der OPS-Code 8-980 mit Blick auf die erforderliche Intensivstation keine explizite krankenhausplanerische Ausweisung mit dem Gebiet „Intensivmedizin“ erfordert (vgl. hierzu unter a.). Die im Krankenhaus der Klägerin befindliche Intensivstation genügt den Anforderungen, die in den Mindestmerkmalen genannt sind (vgl. hierzu unter b.).

a.) Der Verschlüsselung des OPS 8-980 steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht mit dem planungsrelevanten Fachgebiet „Intensivmedizin“ in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen war. Dabei ist der Beklagten zwar dahingehend zuzustimmen, dass das Krankenhaus an seinen Versorgungsauftrag gebunden ist und nur die Leistungen abrechnen kann, die innerhalb des Versorgungsauftrages erbracht werden. Dies geht deutlich aus § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG hervor, wonach die Entgelte nur im Rahmen des Versorgungsauftrages berechnet werden dürfen, wobei dies nicht für die Behandlung von Notfallpatienten gilt.

Die sich durch die Verschlüsselung des OPS 8-980 ergebende Abrechnung erfolgte jedoch innerhalb des Versorgungsauftrages des Krankenhauses. Ausweislich des Feststellungsbescheides vom 01.08.2018 und des Änderungsbescheides vom 08.08.2019 mit den dazugehörenden Datenblättern hat das Krankenhaus einen Versorgungsauftrag für das Gebiet „Neurologische Frührehabilitation nach Phase B“. Dabei wurde der Inhalt des bisherigen Versorgungsvertrages ausdrücklich in den Krankenhausplan „überführt“. Dies bedeutet, dass der damals vereinbarte Leistungsumfang auch nach Aufnahme in den Krankenhausplan weiter Anwendung findet. Die Definition der Leistungen nach Phase B ergibt sich aus den Empfehlungen der „aktuellen BAR-Richtlinie“, wie in dem Versorgungsvertrag ausdrücklich angegeben wurde. Die „Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) definiert die Phase B wie folgt: „Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen“. Entsprechend wurde in dem Bescheid vom 01.08.2018 auch ausdrücklich ausgeführt, dass der Versorgungsauftrag des Krankenhauses auch die beatmungspflichtige bzw. intensivpflichtige Patientengruppe umfasse, soweit sie der Leistungen der neurologischen Frührehabilitation nach Phase B bedürfe. Es handele sich jedoch um keinen gesondert geplanten oder ausgewiesenen Versorgungsbedarf. Insofern obliege es der Organisationshoheit des Krankenhauses, ob und wie viele entsprechende Betten aufgestellt würden.

Der Versorgungsauftrag „Neurologische Frührehabilitation nach Phase B“ umfasst also auch einen intensivmedizinischen Teil, auch wenn die Betten nicht – wie zuvor im Versorgungsvertrag – gesondert aufgeführt werden. Dass dies auch von Seiten des zuständigen Ministeriums so gesehen wird, zeigt der Bescheid vom 26.08.2020, mit dem die “Anzahl der intensivmedizinischen Behandlungsplätze mit maschineller Beatmungsmöglichkeit […] von 19 auf insgesamt 28 erhöht“ wurde. Dieser Bescheid betrifft zwar nicht den streitgegenständlichen Zeitraum. Jedoch greift er die im Versorgungsvertrag noch ausdrücklich erfolgte gesonderte Nennung der Intensivbetten auf und erhöht die Anzahl. Auch dies zeigt, dass der Versorgungsauftrag auch die intensivmedizinische Behandlung der Patientinnen und Patienten aus dem Bereich der neurologischen Frührehabilitation Phase B umfasst.

Dabei ist auch keine Beschränkung auf „lediglich“ beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten zu erkennen. Zwar mag es zutreffend sein, dass teilweise lediglich von beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten die Rede ist. Dies bedeutet nach Auffassung der Kammer jedoch nicht, dass im Krankenhaus der Klägerin lediglich beatmungspflichtige Patienten behandelt werden können, anderweitig intensivpflichtige jedoch nicht. Besonders deutlich wird dies in den Ausführungen des Versorgungsvertrages, dessen Inhalt in den Krankenhausplan übernommen wurde. Dort heißt es in § 1 Abs. 3 ausdrücklich: „Die Phase B im Rahmen der neurologischen Behandlung umfasst den Behandlungsabschnitt, in dem noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Sie ist gedacht für bewusstlose bzw. qualitativ und quantitativ schwer bewusstseinsgestörte Patienten mit schwersten Hirnschädigungen oder solche mit anderen schweren neurologischen Störungen, die noch intensivbehandlungspflichtig sind“. § 3 Abs. 3 des Versorgungsvertrages umschreibt deutlich die Patientengruppe: „Bewusstlose bzw. qualitativ oder quantitativ schwer bewusstseinsgestörte Patienten mit schwersten Hirnschädigungen als Folge von Schädelhirntraumen, zerebralen Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Sauerstoffmangel (insbesondere Zustand nach Reanimation), Entzündungen, Tumoren, Vergiftungen“. § 4 Abs. 1 des Versorgungsvertrages gibt vor, dass der Vertrag „ergänzend zu § 3 Abs. 3 auch die Behandlung von beatmungspflichtig in Patienten im Rahmen der neurologischen Rehabilitation – Phase B“ einschließt. Vor diesem Hintergrund kann von einer Beschränkung des Versorgungsauftrages auf beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten nicht ausgegangen werden.

Dass der OPS 8-980 nur dann verschlüsselt werden kann, wenn die Intensivstation „für jedermann zugänglich“ ist, dort also auch Patientinnen und Patienten außerhalb des Bereichs der neurologischen Frührehabilitation Phase B behandelt werden können, ist nicht zutreffend. Dies lässt sich den aufgeführten Mindestmerkmalen des OPS nicht entnehmen. Dort ist lediglich von einer „Intensivstation“ die Rede. Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des LSG NRW bezieht (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 KR 621/17 –, juris), ergibt sich daraus nicht, dass eine explizite Ausweisung von Intensivbetten im Krankenhausplan erforderlich ist. Im dort zu entscheidenden Fall wurde die sog. Intermediate Care Station (ICS) nicht als Intensivstation angesehen, weil dort nicht dauerhaft Beatmungsgeräte vorgehalten wurden. Anderes ergibt sich auch nicht aus den anderen von der Beklagten zitierten Entscheidungen, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat.  Vielmehr ist einer Entscheidung des BSG zu entnehmen, dass z.B. der OPS „Geriatrische Komplexbehandlung“ es nicht zwingend erforderlich macht, dass „geriatrische Betten“ im Krankenhausplan vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R –, Rn. 17). Nach Auffassung der Kammer lässt sich dies auf die hier streitgegenständliche OPS übertragen. Soweit das OVG Schleswig-Holstein entschieden hat, dass eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nicht in dem Versorgungsauftrag eines Krankenhauses enthalten ist, dessen Versorgungsauftrag nur die Fachrichtungen Neurologie und Psychologie umfasst (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. Januar 2023 – 5 LA 185/20 –, juris), ist dem nicht anderes zu entnehmen. Es genügt nicht, lediglich isoliert darauf zu schauen, ob das Krankenhaus einen explizit ausgewiesenen Versorgungsauftrag hinsichtlich der Patientengruppe hat, auf die der jeweilige OPS-Code zielt (z.B. für die geriatrische Komplexbehandlung: Geriatrie; für die intensivmedizinische Komplexbehandlung: Intensivmedizin). Vielmehr kommt entscheidend darauf an, welchen Versorgungsauftrag das jeweilige Krankenhaus tatsächlich hat und ob davon die jeweils abgerechneten Leistungen umfasst sind. Wie oben dargelegt, umfasst der Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin auch eine intensivmedizinische Komponente.

b.) Das Krankenhaus hält auch eine Intensivstation i.S.d. der für den OPS 8-980 genannten Mindestmerkmale vor. Der OPS selbst enthält keine Definition der Intensivstation. Intensivstationen unterscheiden sich nach der Rechtsprechung des BSG von sog. anderen Einheiten im Krankenhaus durch die Verwendung vielfältiger technischer Apparate und durch den Einsatz von mehr Personal; dies gilt sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für weiteres Pflegepersonal. Weiter führt das BSG aus: „Intensivmedizin ist Behandlung, Überwachung und Pflege von Patienten, bei denen die für das Leben notwendigen sog vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, mit dem Ziel, diese Funktionen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu ersetzen, um Zeit für die Behandlung des Grundleidens zu gewinnen“ (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R –, Rn. 18 f., juris). Die Kammer hat nach dem Vortrag der Klägerin – insbesondere auch nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung – keinen Zweifel daran, dass im Krankenhaus der Klägerin eine solche Intensivstation vorgehalten wird. In der mündlichen Verhandlung wurde geschildert, dass es sich um eine abgegrenzte Einheit handelt, in der die beschriebenen intensivmedizinischen Behandlungen vorgenommen werden. Wie der ausführlichen schriftlichen Beschreibung der Intensivstation und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, wird die Intensivstation von einem Facharzt für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin geleitet. Zum ärztlichen Team gehören sechs Fachärzte für Anästhesie (einer mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin), ein Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, ein Facharzt für Viszeral- und Gefäßchirurgie, ein Facharzt für Neurochirurgie, ein Facharzt für Neurologie (mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin), drei Ärzte in Weiterbildung für Neurologie.

Soweit die Beklagte einwendet, die Intensivstation entspreche nicht den Vorgaben nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Qualität- und Strukturanforderungen nach § 4 Abs. 3 des Thüringer Krankenhausgesetzes (ThürQSVO), wonach zur durchgängigen Wahrung des Facharztstandards für jede planerisch ausgewiesene Abteilung einer Fachrichtung ärztliches Personal im Umfang von mindestens 5,5 vollbeschäftigten Einheiten vorzuhalten sei und die ärztliche Leitung der Abteilung, die Stellvertretung sowie ein weiterer Arzt die Facharztqualifikation für die entsprechende Fachrichtung vorweisen müssten, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn diese Vorgaben müssen „für jede planerisch ausgewiesene Abteilung einer Fachrichtung“ vorgehalten werden. Das Krankenhaus der Klägerin ist für die Fachrichtung „Neurologische Frührehabilitation Phase B“ in den Krankenhausplan aufgenommen worden. Hinsichtlich dieser Fachrichtung erfüllt das Krankenhaus unstreitig die landesplanerischen Vorgaben. Wie oben dargelegt, ist in der Fachrichtung „Neurologische Frührehabilitation Phase B“ auch ein intensivmedizinischer Teil enthalten. Er ist nicht gesondert auszuweisen, sondern Bestandteil des genannten Versorgungsauftrages. Es geht deshalb nicht darum, ob die Klägerin mit Blick allein auf ihre Intensivstation die Vorgaben erfüllt, die eine Ausweisung im Krankenhaus im Fachgebiet „Intensivmedizin“ erfordern würde.

Das hier streitgegenständliche Mindestmerkmal des OPS-Codes 8-980 („Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein. Der Arzt der Intensivstation kann zu einem kurzfristigen Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werden“) ist auch hinsichtlich der übrigen Aspekte erfüllt. Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation ist gegeben. Auch der ärztliche Bereitschaftsdienst nach der Organisationsstruktur auch nachts und am Wochenende ausschließlich für die Versorgung der Patientinnen und Patienten der Intensivstation zuständig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 25/12 R –, juris).

Bestätigt wird dies im Ergebnis auch durch das Gutachten des MD über die Prüfung von OPs-Strukturmerkmalen im Krankenhaus nach § 275d SGB V vom 30.06.2021. Danach erfüllt das Krankenhaus die Strukturmerkmale des OPS 8-980. Die Bescheinigung ist zwar nur vom 01.01.2022 bis zum 31.12.2022 gültig und hat insofern formal keine Auswirkungen auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum 2018 und 2019. Die Klägerin hat jedoch nachvollziehbar insbesondere in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sich die personelle und apparative Ausstattung der Intensivstation seither nicht geändert hatte.

2.) Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Landesvertrag für Thüringen gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (LV). Nach 3 13 Abs. 1 LV hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Kalendertagen nach Zusendung der Entlassanzeige und des Rechnungssatzes zu bezahlen. Zahlt sie nicht fristgerecht, schuldet sie nach § 13 Abs. 2 LV Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Klägerin hat – zum Zwecke der Vereinfachung – die Verzugszinsen erst ab Rechtshängigkeit (22.12.2021) beantragt. Entsprechend waren auch keine Ermittlungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Fälligkeit der einzelnen Rechnungsbeträge erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin die Klage i.H.v. 54.697,13 Euro (ca. 6 % der ursprünglichen Klageforderung) zurückgenommen hat. Insoweit waren ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 155 Abs. 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach den §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).  

Rechtskraft
Aus
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