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Gesundheit Soll es wieder eine stationäre Versorgung in Genthin geben?

Die AfD-Landtagsfraktion hat mit einer Forderung für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt. Vor Ort geht man mit dem Thema „Krankenhaus“ etwas bedächtiger um.

Von Mike Fleske 07.08.2023, 23:27
Gemeinsam mit den Mitgliedern des Havelberger Vereins „Pro Krankenhaus“, demonstrierten Genthiner Vertreter mehrfach für eine neue Gesundheitsversorgung.
Gemeinsam mit den Mitgliedern des Havelberger Vereins „Pro Krankenhaus“, demonstrierten Genthiner Vertreter mehrfach für eine neue Gesundheitsversorgung. Foto: Mike Fleske

Genthin - „In Havelberg und Genthin sollte es wieder eine stationäre Versorgung geben", hatte der AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Siegmund der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Siegmund ist Co-Fraktionschef seiner Partei und Vorsitzender des Sozialausschusses im Landtag.

Hintergrund der Forderung ist, dass die Krankenhäuser in den beiden Städten vor einigen Jahren geschlossen wurden. Seitdem müssen Einwohner lange Wege zu den nächsten Krankenhäusern in der Region in Kauf nehmen.

Vor Ort begegnet man der AfD-Forderung eher zurückhaltend. Lutz Nitz (Grüne), Sprecher des Genthiner Medizinausschusses bestätigt, dass auch der Genthiner Ausschuss einst mit der Forderung nach einer 24/7-Notfallversorgung in die Diskussion gegangen ist.

In Genthin werden Einwohner befragt

„Nach vielen Gesprächen mit Fachleuten, etwa der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Rettungswesens, haben wir festgestellt, dass es wichtiger ist, einen medizinischen Anlaufpunkt für die Grundversorgung zu schaffen“, so Nitz.

Die Planungen dafür seien angelaufen, wie die Ausgestaltung aussehe, werde sich insbesondere nach einer Einwohnerbefragung zeigen. Nitz: „Wenn uns die Einwohner der Region sagen, eine Grundversorgung reicht, nehmen wir das mit in die weiteren Diskussionen, wenn sie sagen, wir wollen eine Versorgung mit stationären Betten, müssen wir drüber diskutieren.“

In Havelberg hat sich der Verein „Pro Krankenhaus“ für die Einrichtung einer medizinischen Versorgung starkgemacht. „Wir müssen hier zunächst schauen, dass ein Gesundheitszentrum die Arbeit aufnimmt, erst wenn das geschehen ist, lässt sich über weitere Möglichkeiten reden“, findet Sandra Braun vom Verein. Problem in Havelberg ist aktuell, dass zwar die Grundlagen für ein Integriertes Gesundheitszentrum für die medizinische Grundversorgung gelegt sind, aber sich keine Ärzte für den geregelten Betrieb finden.

AfD-Vize sieht Land in der Pflicht

Ulrich Siegmund möchte die Idee einer stationären Versorgung dennoch nicht aus dem Blick verlieren. Er sieht das Land in der Pflicht, Strukturen für diese Versorgung zu schaffen, das sei nicht die Aufgabe der Kommunen oder Kreise. Auf Volksstimme-Anfrage erläutert er, dass er als Gesundheitsminister eine verlässliche Grundversorgung für 24 Stunden, sieben Tage in der Woche schaffen würde.

Dass müsse seiner Meinung nach nicht zwingend ein Krankenhaus sein, aber: „Zumindest eine Basisversorgung, zum Beispiel bei Unfällen für eine Stabilisierung mit anschließendem Weitertransport in die nächste, qualifizierte Klinik.“ Denkbar sei ein Gesundheitszentrum, ähnlich der früheren Polikliniken, oder ein vollkommen neues Modell mit nur einzelnen Fachbereichen, wie Chirurgie oder Inneres, mit wenigen Betten.

„In meinen Augen darf eine medizinische Grundversorgung Geld kosten und muss keine Gewinne erwirtschaften“, so Siegmund. Das Land sei in der Pflicht, einen verbindlichen Krankenhausplan aufzustellen, diesen einzuhalten und Mittel zur Verfügung zu stellen. „Entweder unterstützt man den Kreis oder die Stadt finanziell über das Land sowie personell über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) oder das Ministerium oder aber eröffnet Standorte, die direkt vom Land oder der KV betrieben werden.“

Siegmund sieht zudem die derzeitigen Krankenhauszuschüsse für Investitionen als zu niedrig an, diese müssten nach seiner Meinung verdreifacht und auf das Niveau von 2010, auf die Höhe von 180 Millionen Euro, zurückgebracht werden.

Das Havelberger Problem der fehlenden Ärzte möchte Siegmund durch die Anwerbung von Honorarärzten, Stipendien an Studenten, die sich verpflichten, nach dem Studium in ein solches Gesundheitszentrum zu gehen, und Rückholprogramme ausgewanderter Fachärzte lösen. Hier gäbe es derzeit zu wenig Bemühungen, Ärzte zu einer Ansiedlung zu bewegen.

Kritik an schleppender Umsetzung des Havelberger Konzeptes

Ein Kritikpunkt, der immer wieder von verschiedenen Seiten geäußert wird. Auch der Linken-Landtagsabgeordnete Wulf Gallert hat mehrfach auf diesen Missstand hingewiesen. „Es verfestigt sich der Eindruck, dass nicht wirklich mit Nachdruck an einer Lösung gearbeitet wird“, sagt Gallert. Er sieht den AfD-Vorstoß zur stationären Versorgung als eine Position, die seine Partei bereits vor Jahren vertreten, aber auch verworfen habe: „Diese Versorgung ist im ländlichen Raum wünschenswert, aber deren Umsetzung nicht realistisch.“

Für ihn ist der Weg, den Genthin mit der Vorbereitung einer Anlaufstelle geht, auch eine Möglichkeit, das Land zu verpflichten. „Das Land darf und kann sich jetzt nicht mehr ausklinken, das ist ein Fortschritt.“ In Havelberg habe das Land versprochen, eine Intersektorale Gesundheitsversorgung zu etablieren.

„Damit wurde die landeseigene Salus gGmbH beauftragt, aber seit über zwei Jahren ist dieser Auftrag nicht einmal ansatzweise umgesetzt worden“, kritisiert Gallert und sieht vor Ort den Druck der Öffentlichkeit weiterhin vonnöten, damit nun bis Jahresende etwas geschaffen werde.

In der Regierungspartei CDU ist man sich der Verantwortung für den ländlichen Raum bewusst. „Selbstverständlich brauchen wir eine Versorgung mit medizinischen Leistungen auch im ländlichen Raum“, bestätigt Tobias Krull, Mitglied der CDU im Sozialausschuss des Landtages.

Havelberger Verein vor nächster Aktion

Dass sich die Umsetzung ungleich gestaltet, liege auch an den Unterschieden in den Regionen. „Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen bedarf es hier neuer Versorgungsstrukturen, zum Beispiel in Form von Medizinischen Versorgungszentren.“ Die Fraktion unterstütze diese Bestrebungen, für Krull ist die Forderung nach einer Wiedereröffnung von Krankenhäusern aber unrealistisch.

Der Verein „Pro Krankenhaus“ hat bereits eine neue Aktion angekündigt. Am 17. August sind die Vereinsmitglieder zwischen Havelberg und Sandau unterwegs, um der Forderung nach besserer Gesundheitsversorgung Nachdruck zu verleihen. Unterstützt wird die Aktion erneut von Vertretern aus Genthin.