StartseiteRegionalBaden-WürttembergSchwere Vorwürfe gegen Klinik am Bodensee

Unruhe am MCB

Schwere Vorwürfe gegen Klinik am Bodensee

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Der Anwalt einer verstorbenen Ärztin macht deren Anschuldigungen wegen Todesfällen am Medizin Campus Bodensee öffentlich. Die Klinik widerspricht und verweist auf ein Gutachten.
Veröffentlicht:05.12.2023, 19:00

Von:
Artikel teilen:

Der Tod einer Oberärztin des Medizin Campus Bodensee (MCB) in der Nacht von Donnerstag auf Freitag erschüttert die Belegschaft des Krankenhauses. Es gibt einen zeitlichen Zusammenhang mit einem Konflikt der Ärztin mit einem Chefarzt.

Die Medizinerin hat sich mutmaßlich das Leben genommen. Ihr Anwalt berichtet nun von schweren Vorwürfen der Ärztin gegen Vorgesetzte, der MCB weist diese mit Hinweis auf ein Gutachten zurück.

Die Oberärztin habe in der Vergangenheit immer wieder auf verschiedene Arten auf Missstände an der Klinik in Friedrichshafen hingewiesen, sagt ihr Anwalt Detlef Kröger. Nach Überzeugung der Ärztin hatte der Vorgesetzte fachlich ungeeignete Mediziner zur Betreuung von schwer kranken Patienten eingesetzt.

Ärztin stellt Gefährdungsanzeige

Nach ihrer Ansicht kam es deshalb zu vermeidbaren Todesfällen. Darauf hatte sie klinikintern mehrfach hingewiesen und über eine schwere persönliche Belastung durch die Vorfälle geklagt.

In mindestens einer Gefährdungsanzeige schilderte sie, weshalb bestimmte Kolleginnen oder Kollegen aus ihrer Sicht nicht für Dienste geeignet und mit der Versorgung von Intensivpatienten völlig überfordert waren. Sie habe Sorge um die Sicherheit der Patienten gehabt, stellt Kröger fest.

Das geht auch aus weiteren Schriftstücken hervor, die die „Schwäbische Zeitung“ einsehen konnte. Die von ihr geäußerte Kritik sei nie seriös aufgearbeitet worden, berichtet der Anwalt. Das habe die Oberärztin ihm gegenüber immer wieder geäußert, sagt Kröger.

Ärztin empfand Druck

In Gesprächen mit seiner Mandantin sei wiederholt von psychischem Dauerdruck die Rede gewesen, berichtet ihr Anwalt. Er spricht sogar von Schilderungen, die er als systematisches Mobbing wertet.

Aus Aufzeichnungen, die die „Schwäbische Zeitung“ aus unterschiedlichen Quellen einsehen konnte, geht hervor, dass sich die Ärztin extremen Belastungen ausgesetzt sah - und sich zeitweise dazu aufgefordert fühlte, die Missstände zu verschweigen. Sie habe Angst gehabt, dass Fälle dieser Art auch weiterhin nicht aufgeklärt werden würden, berichtet Anwalt Kröger aus Gesprächen.

In einer Stellungnahme auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ bestätigt der MCB eine Gefährdungsanzeige und weitere Beschwerden der Ärztin, bei der es sich um „eine geschätzte und beliebte Kollegin, um die nun viele Menschen trauern“ gehandelt habe. Die Anschuldigungen weist man aber zurück. „Gefährdungsanzeigen werden im Klinikum Friedrichshafen sofort bearbeitet, nicht verzögert oder behindert“, antwortet der MCB.

Die Klinik beruft sich weiter auf ein Gutachten, das man Ende September „bei einem national und international anerkannten Experten in Auftrag gegeben“ habe. „Es kommt zu dem Ergebnis, dass sämtliche [...] erhobenen Vorwürfe unberechtigt waren“, heißt es im Schreiben der Klinik.

Klinik sieht keinen Änderungsbedarf

Der Gutachter bescheinige dem MCB eine effektive und hervorragende Optimierung der intensivmedizinischen Versorgung. Berufserfahrung und Weiterbildungen der Mediziner der betroffenen Station gehe über die üblichen Kriterien noch hinaus, die Abläufe entsprächen allen Standards. Der Schluss des MCB lautet: „Es besteht daher kein Änderungsbedarf“.

Anwalt Kröger meint dazu, es handle sich bei dem von der Klinik beauftragten und ihm bekannten Gutachten um ein „Gefälligkeitsgutachten“ mit Schutzbehauptungen. „Wir wollen keine Schnellschüsse und Vorverurteilungen, sondern eine seriöse Aufarbeitung. Das sollte auch im Interesse der Klinik sein. Wenn der Tod einer Oberärztin kein Anlass dafür ist, was denn dann?“, sagt Kröger.

Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ bestätigt die Polizei Ermittlungen zu einem möglichen Suizid. Weitere Hintergründe könne man nicht nennen, sagt ein Sprecher des Präsidiums in Ravensburg. Er verweist auf die Staatsanwaltschaft Ravensburg.

Staatsanwältin Christine Weiss bestätigt auf Anfrage ebenfalls „ein Todesermittlungsverfahren nach dem Tod einer Ärztin“. Dieses richte sich allerdings nicht gegen einen konkreten Beschuldigten, sondern diene routinemäßig der Aufklärung der „Umstände eines unklaren oder nicht natürlichen Todes“.

Ein konkretes Verfahren wegen Vorgängen im MCB gebe es derzeit nicht. Allerdings geht aus der Antwort der Staatsanwaltschaft hervor, dass Dokumente aufgefunden wurden, die geprüft werden: „Ob entsprechende Verfahren einzuleiten sind, kann erst nach Auswertung der bei der Verstorbenen sichergestellten Unterlagen beurteilt werden.“