Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 32/22 R

Gesetzliche Krankenversicherung - sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung - Aufwandspauschale - Verrechnung mit Vergütungsforderung

Verhandlungstermin 12.12.2023 12:00 Uhr

Terminvorschau

F. Krankenhaus GmbH ./. BARMER
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus und behandelte dort eine Versicherte der beklagten Krankenkasse im Jahr 2015 stationär. Nachdem die Krankenkasse eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung eingeleitet hatte, die nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages führte, stellte das Krankenhaus der Krankenkasse eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro in Rechnung. Die Krankenkasse zahlte diese im Juli 2015. Am 16. Mai 2019 verrechnete die Krankenkasse diesen Betrag mit einer unstreitigen Vergütungsforderung des Krankenhauses aus einem anderen Behandlungsfall.

Das Krankenhaus hat am 9. Dezember 2019 Klage auf Zahlung von 300 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2019 erhoben und sich unter anderem auf die Verjährung des Erstattungsanspruchs berufen. Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Der von der Krankenkasse geltend gemachte Erstattungsanspruch sei verwirkt. Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Krankenkasse habe wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses aufgerechnet. Zahlungen von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische Prüfungen, die vor dem 1. Januar 2016 eingeleitet worden seien, seien ohne Rechtsgrund erfolgt. Das Verbot unzulässiger Rechtsausübung stehe nicht entgegen. Insbesondere fehle es an Umständen, die eine Verwirkung auslösten. Die Erstattungsforderung sei auch nicht verjährt. Vor Inkrafttreten des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes vom 11. Dezember 2018 am 1. Januar 2019 habe es im SGB V keine Regelungen zur Verjährung von entsprechenden Ansprüchen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gegeben. Das Bundessozialgericht sei davon ausgegangen, dass für derartige Forderungen eine vierjährige Verjährungsfrist gelte. Dem schließe sich der Senat an. Durch das Inkrafttreten des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes zum 1 Januar 2019 habe sich für den vorliegenden Fall nichts geändert. Sowohl § 109 Absatz 5 SGB V als auch § 325 SGB V alte Fassung erfassten auf der Tatbestandsseite nur Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter “Vergütungen“. Dies seien nur solche Zahlungen, bei denen der Leistungszweck in der Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen bestehe. Eine analoge Anwendung auf Aufwandspauschalen sei nicht gerechtfertigt.

Mit seiner Revision rügt das Krankenhaus die Verletzung materiellen Rechts.

Verfahrensgang:

Sozialgericht Kiel, S 44 KR 658/19, 06.07.2020
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 5 KR 166/20, 24.08.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 50/23.

Terminbericht

Die Revision des klagenden Krankenhauses hatte keinen Erfolg. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses ist durch Aufrechnung mit der Gegenforderung der Krankenkasse auf Erstattung der Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro erloschen.

Der Krankenkasse stand ein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Aufwandspauschale zu. Krankenkassen waren nach der Rechtsprechung des Senats nicht verpflichtet, für vor dem 1. Januar 2016 eingeleitete sachlich-rechnerische Prüfungen Aufwandspauschalen zu zahlen. Der Aufrechnung durch die Krankenkasse stand nicht das Verbot unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Allein bloßes Zuwarten - also Nichtstun - stellt grundsätzlich kein Verwirkungsverhalten dar. Die Aufrechnung der Krankenkasse ist auch nicht nach § 325 SGB V alte Fassung ausgeschlossen. Die Vorschrift umfasst Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter “Vergütungen“. Die Aufwandspauschale ist aber keine Vergütung in diesem Sinne. Die Voraussetzungen einer Analogie bestehen nicht. Der Gesetzgeber bewegt sich mit der rückwirkenden Inkraftsetzung der Norm auf verfassungsrechtlich sensiblem Terrain, sodass § 325 SGB V alte Fassung eng auszulegen ist.

Die Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruchs scheitert schließlich nicht an der Einrede der Verjährung. Auf den hier streitigen - im Jahr 2015 entstandenen - Erstattungsanspruch findet weiterhin die vierjährige sozialrechtliche Regelverjährung Anwendung. § 109 Absatz 5 Satz 1 SGB V ist - wie auch § 325 SGB V alte Fassung - auf Aufwandspauschalen nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Allerdings ist die kurze zweijährige Verjährungsfrist ab dem Inkrafttreten von § 109 Absatz 5 Satz 1 SGB V am 1. Januar 2019 auch auf Ansprüche auf Rückzahlung von Aufwandspauschalen analog anzuwenden. Mit Inkrafttreten des § 109 Absatz 5 Satz 1 SGB V zum 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber eine eigenständige Verjährungsregelung für die Verjährung von Ansprüchen im Leistungsverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern geregelt. Diese ist auf Aufwandspauschalen analog anzuwenden. Hingegen liegen die Voraussetzungen dafür, die kurze zweijährige Verjährungsfrist analog § 109 Absatz 5 Satz 2 SGB V auch rückwirkend anzuwenden, nicht vor. Insoweit ist - wie bei § 325 SGB V - für den Senat keine Regelungslücke ersichtlich, in jedem Fall aber fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage. Auch hier greifen die Erwägungen, die für eine verfassungsschonende enge Auslegung sprechen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 50/23.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK