München Klinik droht wahrscheinlich Pleite: "OB Dieter Reiter sucht Schuld wieder bei anderen"

Den städtischen Kliniken in München droht die Pleite – wenn nicht der Stadtrat mit Millionen einspringt. Aber das stellt die Stadt München ebenfalls vor finanzielle Schwierigkeiten.
| Christina Hertel
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2014 waren die städtischen Kliniken, zu denen auch das Schwabinger Krankenhaus gehört, schon einmal ein Sanierungsfall. Jetzt ist die Lage noch schlimmer.
2014 waren die städtischen Kliniken, zu denen auch das Schwabinger Krankenhaus gehört, schon einmal ein Sanierungsfall. Jetzt ist die Lage noch schlimmer. © IMAGO/Ulrich Wagner

München - Den städtischen Krankenhäusern geht das Geld aus: Ab Mitte 2025, spätestens ab Ende 2025 können die fünf Häuser, die zum Konzern München Klinik gehören, ihren Betrieb nicht mehr gewährleisten. Sie müssten dann wohl ihre Bauprogramme stoppen. Zumindest droht das, wenn die Stadt kein Geld zuschießen würde.

So geht es aus einer nicht-öffentlichen Sitzungsunterlage hervor, über die der Stadtrat am Mittwoch in der Vollversammlung entscheidet. Das Gesundheitsreferat schlägt deshalb vor, dass die Stadt die München Klinik ab 2025 bis 2029 mit 397 Millionen Euro bezuschusst. Doch ob das rechtlich zulässig ist, ist fraglich.

Diesen Sommer hat die AZ die Baustelle beim Klinikum Harlaching besucht. Auch die Baukosten sind ein Risiko.
Diesen Sommer hat die AZ die Baustelle beim Klinikum Harlaching besucht. Auch die Baukosten sind ein Risiko. © Sigi Müller

Denn der Stadtrat muss dafür die Rahmenbedingungen der Finanzierung ändern. Momentan bezuschusst die Stadt einzelne Bereiche – etwa die Geriatrie, die Onkologie, die Frauenheilkunde. Doch einzeln abzurechnen, ist komplex. Deshalb schlägt das Gesundheitsreferat vor, der München Klinik den Zuschuss pauschal zu gewähren.

Der Klinikkonzern dürfte das Geld dann einsetzen, wie er möchte. In Berlin klagen Krankenhäuser gerade, weil der Stadtstaat Sonderzahlungen an den landeseigenen Klinikkonzern Vivantes leistet. Es geht um die Frage, ob die Zahlungen gegen das EU-Beihilferecht verstoßen. Ein Urteil steht noch aus. Ein Risiko besteht also auch für München, dass am Ende ein Gericht die Förderungen kippt.

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Die finanzielle Bedrohung der München Klinik: Es gibt weitere Risiken

Und weitere Risiken bestehen. Die fast 400 Millionen Euro sollen sicherstellen, dass die Münchnerinnen und Münchner in den städtischen Krankenhäusern versorgt werden können. Gleichzeitig gibt es an den Krankenhäusern große Baustellen: In Schwabing, in Bogenhausen und Harlaching werden nächstes Jahr die ersten Projekte fertig. Doch weitere Baumaßnahmen in Schwabing und Bogenhausen werden voraussichtlich noch bis mindestens Ende 2031 andauern, heißt es in der Beschlussvorlage. Was passiert, wenn die Baumaßnahmen doch noch teurer werden?

Auch für die Stadt sind 400 Millionen Euro kein Betrag, den sie ganz locker aus der Portokasse zahlt. Die Kämmerei weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Mittel die "Leistungsfähigkeit und damit die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts gefährden könnten". Gleichzeitig zeigt der Kämmerer Verständnis, dass die Stadt aushelfen muss. Schließlich stehen Krankenhäuser in ganz Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen: 80 Prozent der Kliniken machen 2023 voraussichtlich ein Defizit.

Das Klinikum Neuperlach, ein Standort der München Klinik.
Das Klinikum Neuperlach, ein Standort der München Klinik. © imago/Wolfgang Maria Weber

Allerdings ist der Zuschuss nicht der erste, den Stadt leistet. 2014 bekam die München Klinik 442 Millionen. Das reichte nicht. Die Stadt schoss 2021 noch mal 224 Millionen zu. Die Fraktionen im Münchner Stadtrat sind sich trotzdem einig, dass sie die städtischen Krankenhäuser retten wollen. "Für uns ist wichtig, dass die München Klinik in städtischer Hand bleibt", sagt SPD-Stadträtin Kathrin Abele, die im Aufsichtsrat der München Klinik sitzt. Auch Aufsichtsratsmitglied Florian Roth von den Grünen sagt: "Es gab immer das Bekenntnis, dass die München Klinik nicht pleite gehen darf. Daran halten wir fest."

Rettung der München Klinik: Viele Betten stehen leer, es herrscht Personalmangel

Gleichzeitig setzt Roth auf das neue Medizinkonzept, das der Stadtrat schon Anfang 2023 hätte verabschieden sollen. Doch dann schmiss der Geschäftsführer hin und die Bundesregierung kündigte eine Krankenhausreform an. Jetzt soll der Beschluss im Juli 2024 kommen. An die neue Geschäftsführung habe er die Erwartung, dass sie die Defizite senkt, sagt Roth. Denn neben den hohen Energiepreisen gibt es einen weiteren Grund für die roten Zahlen: Derzeit stehen viele Betten leer, weil so viel Personal fehlt. Roth hofft, dass das neue Medizinkonzept die Kapazitäten anpasst. Das Angebot, versichert er, soll nicht schrumpfen. Allerdings koste jedes leere Bett Geld.

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Sogar die Opposition kündigt an, zuzustimmen. Linken-Fraktionschef Stefan Jagel hatte bereits vor einem Jahr gefordert, die München Klinik finanziell zu stärken. Er sieht nun eine seiner Hauptforderungen erfüllt. "Wir müssen die München Klinik als kommunales Klinikum weiter stärken und die Finanzierung sichern", sagt er. Auch der CSUler Hans Theiss, der selbst als Chirurg arbeitet (allerdings am Uni-Klinikum), kündigt an, dass seine Fraktion zustimmen wird. Dass die Beschlüsse dazu hinter verschlossenen Türen getroffen werden, sieht er kritisch: "Der Oberbürgermeister verschweigt der Öffentlichkeit nach wie vor feige die Höhe des Defizits."

Noch dazu sei dieses hausgemacht: "Der OB hätte seit Jahren ein neues Medizinkonzept vorlegen müssen, damit wieder mehr Patienten in der München Klinik behandelt werden können." Sein Fazit: "Der München Klinik steht das Wasser finanziell bis zum Hals – aber der OB sucht die Schuld wieder einmal bei anderen." Der Betrieb der städtischen Krankenhäuser ist nur noch bis Mitte 2025 finanziell gesichert. Der Stadtrat muss deshalb entscheiden, ob er knapp 400 Millionen zuschießt.

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75 Kommentare
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  • eule75 am 26.12.2023 21:42 Uhr / Bewertung:

    So kann man es auch sehen. Einen guten Rutsch und gesund bleiben.

  • planet78 am 25.12.2023 20:23 Uhr / Bewertung:

    Gäähn, hatten wir doch 2014 schon; also vor fast 10 (!) Jahren! Das damalige Sanierungskonzept der Boston Consulting Group scheint es ja zu bringen...wer nochmal nachlesen möchte:

    https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/staedtisches-klinikum-jedes-vierte-bett-soll-weg-art-224591

  • (Symbolbild) am 25.12.2023 19:54 Uhr / Bewertung:

    Kliniken gehören zur sogenannten Daseinsvorsorge (!) und sollten zum einen stets mit den benötigten finanziellen Mitteln versorgt werden, und zum anderen sollten sie immer staatlich sein, nie privat und gewinnorientiert. Und ja, selbstverständlich werden sie unter diesen Grundvoraussetzungen von den Steuereinnahmen bezahlt, was sonst? Wer das nicht will, kann ja nach Amerika auswandern.