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Gesundheitspolitik Wie der Bettenschwund die Krankenhäuser im Nordwesten trifft

07.04.2024, 10:32 Uhr (Erstmeldung)
Im Nordwesten stehen für Patienten immer weniger Betten zur Verfügung – gleichzeitig steigt der Bedarf stark an. Wo Klinikbereiche an einem Ort dichtmachen, werden andere Standorte stärker belastet. (Symbolbild)

Im Nordwesten stehen für Patienten immer weniger Betten zur Verfügung – gleichzeitig steigt der Bedarf stark an. Wo Klinikbereiche an einem Ort dichtmachen, werden andere Standorte stärker belastet. (Symbolbild)

dpa

Im Nordwesten - Die Politik spricht von einem Kliniksterben, Patienten merken es an längeren Wartezeiten in der Notaufnahme oder vor Operationen. Seit Jahrzehnten ist die Zahl der Krankenhäuser und Krankenhausbetten rückläufig – gleichzeitig steigt der Bedarf stark an. Im Zuge der angespannten wirtschaftlichen Lage und der geplanten Krankenhausreform scheint sich diese Entwicklung fortzusetzen.

Bettenzahl sinkt deutlich

In Niedersachsen ist die Anzahl der Patientenbetten pro 1000 Einwohner innerhalb von 22 Jahren von sechs auf fünf gesunken. Das bedeutet bundesweit den vorletzten Platz vor Baden-Württemberg. In den 70er Jahren waren es noch mehr als acht Betten pro 1000 Einwohner. Die 18 Krankenhäuser im Nordwesten verfügen aktuell über 5925 Betten. Wenn man von den rund 1,5 Millionen Menschen im Einzugsgebiet ausgeht, stehen sogar nur knapp vier Betten pro 1000 Einwohner bereit.

Die Reduzierung der Bettenzahlen hängt damit zusammen, dass innerhalb der vergangenen Jahrzehnte viele Kliniken komplett von der Bildfläche verschwunden sind – oftmals aus wirtschaftlichen Gründen. Allein im Bereich Friesland-Wilhelmshaven wurden das Sophienstift in Jever, das Krankenhaus Osterforde bei Bockhorn und das St. Willehad Hospital in Wilhelmshaven geschlossen oder in Pflegeeinrichtungen umgewandelt.

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Krankenhausplanung im Nordwesten

Stark gestiegen ist die Zahl der Betten laut den Krankenhausplänen des niedersächsischen Gesundheitsministeriums in Oldenburg: seit 2012 in den drei Kliniken zusammen um 88 Betten. Den größten Anstieg verzeichnet demnach das Klinikum Leer (plus 102), gefolgt von den Friesland Kliniken in Varel und Sanderbusch (plus 59) und dem Klinikzentrum Westerstede (plus 38).

Stark rückläufig sind die Zahlen seit 2012 dagegen in Delmenhorst (minus 120), Wilhelmshaven (minus 42), im Landkreis Cloppenburg (minus 39) und im Landkreis Wesermarsch (minus 31).

Gründe dafür sind unter anderem Krankenhaus-Schließungen wie in Emstek (Landkreis Cloppenburg) und Delmenhorst oder Klinik-Zusammenlegungen wie in Wilhelmshaven. Dazukommen geplante verkleinerte Ersatzneubauten wie in Wilhelmshaven und in Georgsheil (Landkreis Aurich). Letzterer soll die Kliniken in Aurich, Emden und Norden ersetzen und würde nach aktuellem Stand das Angebot in Ostfriesland um 74 Betten verringern.

Folgen für Krankenhäuser

Wo Klinikbereiche an einem Ort dichtmachen, werden andere Standorte stärker belastet. Das Krankenhaus Wittmund beispielsweise teilt auf Nachfrage mit, dass (Teil-)Schließungen der stationären Versorgung in Norden (Landkreis Aurich), Varel (Landkreis Friesland) und Wilhelmshaven „sicherlich auch zu der Steigerung unserer Patientenzahlen beigetragen“ haben. Im Klinikum Leer bleibt die Geburtenstation trotz rückläufiger Geburtenzahlen gleichbleibend ausgelastet, heißt es. Begründet wird dies damit, dass es dieses Angebot in Emden und Friesoythe nicht mehr gebe.

Dr. Werner Wodrich verlässt die Friesland-Kliniken.

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Varel

Das St. Bernhard Hospital in Brake (Landkreis Wesermarsch) kündigt wegen der Situation einen Antrag auf Planbettenerhöhung beim zuständigen Ministerium an. Hintergrund ist demnach ein „deutlicher Patientenzuwachs“ in der Chirurgie und der Inneren Medizin infolge der Entwicklungen bei Kliniken in der Umgebung. Besonders betroffen ist die Versorgung in Ostfriesland. Die Kliniken in Emden, Aurich und Leer sollen zu einem Zentralklinikum zusammengelegt werden, das nach der aktuellen Bauplanung deutlich weniger Betten haben wird.

Mehr ambulante Behandlungen

Den Trend zur „Ambulantisierung“ – also teilstationären Versorgung von Patienten, die möglichst wenig Zeit im Krankenhaus verbringen sollen – nennen mehrere Krankenhäuser. In Wilhelmshaven hat sich seit 2012 die Zahl der ambulanten Behandlungsplätze um 75 Prozent erhöht (plus 27 Plätze), im Klinikverbund Aurich/Emden/Norden um 73,5 Prozent (plus 25 Plätze). Dies sei ein „erklärtes Ziel der Krankenkassen“, heißt aus dem Braker Hospital. Man trage der Entwicklung mit einem Medizinischen Versorgungszentrum Rechnung. Ähnlich äußert sich auch das Klinikum Wilhelmshaven – das ebenfalls durch einen Neubau ersetzt werden soll, der das stationäre Bettenangebot weiter verringert.

Timo Niebuhr ist ausgebildeter Notfallsanitäter beim Rettungsdienst im Landkreis Aurich. Er kämpft zusammen mit seinen Kollegen für bessere Arbeitsbedingungen und eine schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit auf 42 Stunden.

MEHR EINSÄTZE, MEHR AUFGABEN Beschäftigte im Rettungsdienst fordern Reduzierung der Arbeitszeit auf 42-Stunden

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Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Das Marienstift in Friesoythe (Landkreis Cloppenburg) verweist auf einen Neubau ab dem Spätsommer. Im Borromäus-Hospital in Leer wurde die Innere Medizin im April 2022 um die Abteilung Pneumologie ergänzt. Dem St. Bernhard Hospital in Brake hat das Land Niedersachsen zuletzt die Förderung eines Erweiterungsbaus bestätigt. Dadurch werde sich die Bettenzahl des Krankenhauses „in den kommenden Jahren erhöhen“. Auch andere Kliniken wie in Oldenburg oder Leer profitieren.

Was die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorangetriebene Krankenhausreform für die Kliniken im Nordwesten bedeutet, ist nicht im Detail abzusehen. Nach Angaben der Friesland-Klinken ist dadurch „ein Strukturwandel erforderlich“, dessen Umsetzung man aber noch klären müsse.

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