Wittmund - Lediglich 14 Monate waren es, in denen Kai Schasse die Geschäfte der Wittmunder Klinik leitete. Die Zahl der Beschwerden über fachliche Defizite, Fehlentscheidungen und Schwächen in der Führung waren bereits Ende Dezember so groß geworden, dass der Aufsichtsrat der Krankenhaus Wittmund gGmbH jetzt die Reißleine zog: Vergangene Woche musste der 59-Jährige seinen Schreibtisch räumen, abberufen wird er formell wohl in der nicht öffentlichen Gesellschafterversammlung am 24. April – auch als Geschäftsführer der Medizinischen Versorgungszentrums GmbH.
Viermal abgemahnt
Vier Abmahnungen hatte der Aufsichtsrat der Landkreis-Tochter dem Angestellten ausgesprochen. Nach Informationen unserer Zeitung hatten Krankenhausmitarbeiter und Geschäftspartner das Prozedere in Gang gesetzt, das letztlich zur Trennung von Kai Schasse führte. Ihm werden unter anderem ein mangelndes Kommunikations- und Führungsverhalten, Defizite bei Repräsentation, Netzwerkpflege und Strategieentwicklung, schlechte soziale Umgangsformen und eine nicht strukturierte Arbeitsweise vorgehalten. Hinzu kommen gravierende fachliche Defizite.
Der Aufsichtsrat machte sich ein Bild von der Situation im 150-Betten-Krankenhaus und ließ den Geschäftsführer zu den massiven Vorwürfen Stellung nehmen. Der soll sich überrascht über die Beschwerden sowie keine Einsicht gezeigt haben. Ein Fehlverhalten lastete er vielmehr Dritten an.
Fehlende Kompetenz
Nach Untersuchungen und Gesprächen seit Februar dieses Jahres blieben dem Aufsichtsratsvorsitzenden Holger Heymann und seinem Gremium Zweifel an der fachlichen Kompetenz und Schasses Führungsstil. Gerade im Hinblick auf den laufenden Erweiterungsbau der Klinik hinterfragte man schriftlich die strategische Zielsetzung, die der Geschäftsführer entworfen haben sollte. Doch Kai Schasse konnte sowohl hier als auch über ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit keine Aussagen treffen. Der Landkreis ließ sich von einem Hildesheimer Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten; fachliche Einschätzungen nahm ein unabhängiger Geschäftsführer eines anderen Klinikums vor.
Ein Abmahnungsgrund soll nach der Recherche unserer Zeitung die ablehnende Haltung Kai Schasses gewesen sein, für die Gynäkologie, Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie einen Transfusionsbeauftragten zu benennen. Erst nach neun Monaten und der mehrmaligen Erinnerung der Ärztekammer reagierte der Geschäftsführer – aus Sicht des Landrates viel zu spät. Durch die nicht unverzügliche Umsetzung der vorgeschriebenen Richtlinie wurde offenbar die Gefährdung eines Patienten in Kauf genommen. Und: Einnahmeverluste, die durch Fehlentscheidungen Schasses im Zusammenhang mit der Einführung eines Patientendaten-Managementsystems hätten entstehen können, blieben nur nach Eingreifen seiner Kollegen aus.
Manche Referenzen
Der Aufsichtsrat der Krankenhaus gGmbH erwog, wegen der mangelnden Kommunikation mit dem Verwaltungsleiter ein Mediationsverfahren mit einem nicht ortsansässigen Unternehmen durchzuführen. Doch dies wurde angesichts der Summe der Vorwürfe und Pflichtverletzungen wieder verworfen.
Kai Schasse war im Herbst 2022 aus 100 Bewerbungen zum Nachfolger von Geschäftsführer Ralf Benninghoff gewählt worden und erhielt einen Fünf-Jahres-Vertrag. Der gelernte Industriekaufmann, aufgewachsen in der Region Hannover, hatte in Abendschule Betriebswirtschaftslehre studiert, baute am Henriettenstift Hannover das Controlling auf und fungierte 2004 bis 2015 als Geschäftsführer des Lister Krankenhauses. Vor seinem Wechsel nach Wittmund zählte Schasse zu den drei Geschäftsführern der Alb-Donau-Klinik in Ehingen (Baden-Württemberg).