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Früheres Imperium von Gero Strauß

Kopfzentrum-Gruppe vor dem Aus: Droht Engpass bei HNO-Versorgung in Leipzig?

Tristesse: An der früheren Acquaklinik in der Käthe-Kollwitz-Straße wurde der Schriftzug bereits entfernt.

Tristesse: An der früheren Acquaklinik in der Käthe-Kollwitz-Straße wurde der Schriftzug bereits entfernt.

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Leipzig. So wie es aussieht, fällt das frühere Imperium des Leipziger HNO-Mediziners Gero Strauß bald in sich zusammen. Wie die Halder-Gruppe mitteilt, wird der Praxis- und Operationsbetrieb an den Standorten der Kopfzentrum-Gruppe ab Mai voraussichtlich nicht mehr weitergeführt. Betroffen sind neben der Acquaklinik in der Käthe-Kollwitz-Straße fünf Praxen in der Südvorstadt, in Grünau und Gohlis, am Ostplatz und im Waldstraßenviertel sowie eine weitere in Gera. An den Standorten sind aktuell noch 50 von einst 145 Mitarbeitenden tätig. Zwei frühere Praxen im Leipziger Stadtgebiet sowie Standorte in Berlin, Dresden, Halle/Saale und Witten (Nordrhein-Westfalen) waren bereits im Zuge eines Insolvenzverfahrens geschlossen worden.

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Man müsse sich „darauf vorbereiten, den Betrieb der Kopfzentrum-Gruppe zum 29. April 2024 einzustellen“, erklärt Insolvenzverwalter Christian Heintze. Die Belegschaft habe viel Engagement gezeigt, um das Unternehmen voranzutreiben, so Sanierungsgeschäftsführer Stefan Feinendegen. „Wegen eines ganzen Bündels an Gründen“ sei eine nachhaltige Restrukturierung jedoch immer wieder verzögert worden. Zwar gebe es bei der Sanierung gute Fortschritte und vielversprechende Gespräche mit interessierten Investoren, sagt Feinendegen. Derzeit sei aber „keine der möglichen Investorenlösungen unterschriftsreif“. Die Verhandlungen liefen weiter. „Es wäre jedoch unredlich, falsche Erwartungen zu schüren“, so Feinendegen.

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Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Der Niedergang der Kopfzentrum-Gruppe begann spätestens 2021: MDR und LVZ hatten über Vorwürfe berichtet, nach denen zum Teil unnötige HNO-Operationen empfohlen worden sein sollen. Im darauffolgenden Jahr begann die Staatsanwaltschaft Leipzig ein Ermittlungsverfahren gegen zehn Ärzte und zwei kaufmännische Führungskräfte. Es ging um den Verdacht des Abrechnungsbetruges, den Vorwurf von fehlerhaften oder unnötigen Operationen sowie mutmaßliche Verstöße gegen das Arzneimittel- und Heilmittelwerbegesetz.

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300 Einsatzkräfte rückten zur Großrazzia in 30 Arztpraxen, medizinischen Versorgungszentren sowie Geschäftsräumen in Leipzig und weiteren Städten aus. Professor Gero Strauß, Gründer und langjähriger Geschäftsführer des HNO-Imperiums, verkaufte sein Unternehmen an die Halder-Gruppe, die Anfang 2023 Insolvenz für das Kopfzentrum beim Amtsgericht Leipzig anmeldete.

Wenige Monate später kündigte Halder eine Schrumpfkur an. Ziel sei aber ein langfristiges Engagement, hieß es. Schon damals kamen allerdings Zweifel auf, wie ernst es das Private-Equity-Unternehmen mit dem Kauf meinte. Auch in der früheren Acquaklinik lief es schon länger nicht mehr rund, wie Branchenkenner berichten. Und das, obwohl die hochmoderne OP-Struktur zwischenzeitig auch an externe HNO-Chirurgen vermietet wurde.

Dennoch gab es Hoffnung: Halder engagierte Professor Dirk Eßer, bis zu seinem Ruhestand Ärztlicher Direktor am Helios-Klinikum Erfurt. Der HNO-Mediziner sollte das Haus auf solide Füße stellen. Noch im Januar präsentierte das Unternehmen sein Konzept im Leipziger Berufsverband – es sollte in abgespeckter Form weitergehen mit dem Kopfzentrum.

Verbandschef sieht Versorgung nicht gefährdet

Nun teilt die Halder-Gruppe teilt mit, dass die Patienten bis einschließlich 26. April „ordnungsgemäß versorgt“ würden und vereinbarte Termine bestehen bleiben. Allerdings habe man auch schon erste Behandlungen und Operationen absagen müssen. Was aber passiert, wenn das Unternehmen den Betrieb ab Mai einstellen muss? Werden die Praxen dann tatsächlich schließen, müssen Patienten um ihre Versorgung bangen?

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Nach eigenen Angaben hat sich die Kopfzentrum-Gruppe im ersten Quartal 2024 um insgesamt rund 8300 Patientinnen und Patienten gekümmert. „Das klingt nach viel – aber das ist es nicht“, erklärt Dr. Andree Schwerdtner, sächsischer Landesvorsitzender des Berufsverbandes der HNO-Ärzte und Vorsitzender der HNO-Bezirksgruppe Leipzig. Die Zahl entspreche in etwa der von zwei bis drei gut laufenden Praxen.

Schwerdtner geht nicht von Versorgungsengpässen aus. „Die Kollegen sind ja nicht weg, sie werden irgendwo arbeiten“, sagt der Mediziner mit Praxen in Eilenburg und Torgau. „Es hängt nun auch davon ab, wie das mit der Kassenärztlichen Vereinigung geregelt wird.“ Im Normalfall würden die Kassenarzt-Sitze zurückgegeben und neu ausgeschrieben.

Auch Professor Andreas Dietz, Chef der HNO-Uniklinik, zeigt sich optimistisch. Unter den Kollegen in der Region gebe es ein gutes Miteinander, und man werde sich gemeinsam um alle Patienten kümmern. Mögliche Engpässe bei den Operationen könnten St. Georg, Uniklinik, niedergelassene Ärzte sowie Operative Zentren auffangen, so Dietz. Er sei zuversichtlich, dass es mit den Praxen ebenfalls weitergehe.

Steigen Kliniken in die Praxen ein?

Aber wer könnte die übernehmen? Die Halder-Gruppe schweigt zu den laufenden Verhandlungen. Denkbar ist, dass Leipziger Kliniken die Standorte als Medizinische Versorgungszentren (MVZ) weiterführen. Dazu war aus dem Uniklinikum und dem St. Georg am Freitag aber noch nichts zu erfahren. Auch Ärzte kommen in Frage, die derzeit bei der Kopfzentrum-Gruppe angestellt sind.

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Viele Kollegen würden jedoch die Selbstständigkeit scheuen, sagt Verbandschef Schwerdtner. Zu groß sind manchen die Herausforderungen – von der teils schwierigen Vergütung über zunehmende Bürokratie bis hin zur ständigen Suche nach Fachkräften. Dennoch sei eine Niederlassung in Großstädten wie Leipzig weiterhin attraktiv. Die Übergabe einer Praxis braucht allerdings etwas Zeit. Ob es einen reibungslosen Übergang geben wird, bleibt abzuwarten.

LVZ

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