Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 29/22 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationärer Krankenhausbehandlung - Verlegung - Maximalversorgung - Regel- oder Schwerpunktversorgung

Verhandlungstermin 16.05.2024 11:15 Uhr

Terminvorschau

Universitätsklinikum Leipzig  ./.  Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit einer Verlegung.

Das klagende Universitätsklinikum behandelte den bei der Beklagten krankenversicherten Patienten seit dem 9. Februar 2016 vollstationär wegen einer Wirbelkörperfraktur als Folge einer malignen Tumorerkrankung mit multiplen Metastasen und verlegte ihn am 1. März 2016 in das S Klinikum zur Weiterbehandlung mit einer erforderlichen Radiotherapie, die dort bis zum 23. März 2016 durchgeführt wurde und zur Abrechnung einer Fallpauschale führte, die hier nicht streitig ist.

Der Kläger stellte der Beklagten auf der Grundlage der Fallpauschale DRG I09A 23003,45 Euro in Rechnung, welche die Beklagte zunächst beglich. Später verrechnete sie einen Teilbetrag von 11087,88 Euro mit einer unstreitigen Forderung des Klägers, weil die Verlegung unwirtschaftlich gewesen sei. Wäre die Bestrahlung im Haus des Klägers durchgeführt worden, dann hätten sich die Gesamtbehandlungskosten um den verrechneten Betrag verringert.

Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Dem Kläger habe der gesamte Rechnungsbetrag zugestanden. Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag seien nicht erfüllt. Die eng am Wortlaut auszulegenden Abrechnungsbestimmungen erforderten nicht, dass die Verlegung medizinisch notwendig sei. Das Wirtschaftlichkeitsgebot werde allein durch die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz konkretisiert. Die Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens ständen dem nicht entgegen, weil erst nachträglich erkennbar sei, ob die Verlegung höhere Kosten verursache. Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu. Die Verlegung von einem Krankenhaus der Maximalversorgung in ein Krankenhaus der Regel- oder Schwerpunktversorgung sei nicht durch ökonomische Interessen veranlasst, sondern sachgerecht und zweckmäßig, wenn die vom Maximalversorger vorgehaltene besondere personelle und apparative Ausstattung nicht mehr benötigt werde.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 12 Absatz 1 SGB V und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Leipzig, S 8 KR 241/17, 25.06.2019
Sächsisches Landessozialgericht, L 1 KR 246/19, 18.05.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/24.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hatte insoweit Erfolg, als der Senat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat. Zwar stand dem Kläger der streitige Vergütungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten in voller Höhe zu, denn ein Verlegungsabschlag war nicht zu berücksichtigen und der Vergütungsanspruch ist bei einer Verlegung nicht davon abhängig, ob diese notwendig war.

Der Senat konnte aber anhand der Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten aus der Behandlung des Versicherten ein Schadensersatzanspruch zusteht. In Fortführung der Rechtsprechung zu den Grundlagen und Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse im Zusammenhang mit einer Verlegung (Bundessozialgericht vom 7. März 2023 - B 1 KR 4/22 R - SozR 4-2500 § 69 Nummer 12 Randnummer 27 ff, vorgesehen für Entscheidungen des Bundessozialgerichts 135, 292) betont der Senat den aus der Behandlungspflicht folgenden grundsätzlichen Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus gegenüber einer grundlosen Verlegung. Aufgrund dieses Vorrangverhältnisses erfordert eine Weiterbehandlung im eigenen Haus grundsätzlich nicht die Prüfung, ob eine Verlegung wirtschaftlicher wäre. Eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Verlegung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Neben zwingenden medizinischen Gründen kann eine Verlegung auch durch zwingende Gründe in der Person des Versicherten oder - beispielsweise in einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem - durch übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung gerechtfertigt sein.

Verlegt ein Krankenhaus einen Patienten aber ohne sachlichen Grund, dann trägt es in der Regel das Risiko dadurch verursachter Mehrkosten. Eine schuldhafte (Behandlungs-)Pflichtverletzung des Krankenhauses scheidet in einem solchen Fall nur aus, wenn das grundlos verlegende Krankenhaus trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, die Verlegung werde keine Mehrkosten verursachen. Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob das verlegende Krankenhaus die entstehenden Kosten im Einzelnen im Voraus abschätzen konnte.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/24.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK