Pleitewelle :
Kliniken und Pflegeanbieter traurige Insolvenz-Spitzenreiter

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Wegweiser zur Notaufnahme: Eine Insolvenzwelle erfasst die Krankenhäuser.
Die eigentlich als krisensicher geltende Gesundheitsbranche leidet unter den meisten der größeren Insolvenzen. Für das neue Jahr sind noch mehr Schieflagen zu befürchten, auch in anderen Branchen.

Die Zahl von Unternehmensinsolvenzen steigt stark, besonders in der eigentlich als krisenresistent geltenden Gesundheitsbranche. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von Insolvenzfällen größerer Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro, durchgeführt von der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Demnach waren im Jahr 2023 mit 38 Fällen die meisten Großinsolvenzen im Gesundheitswesen zu beklagen, gefolgt von der Autoindustrie mit 32 und der Modebranche mit 30 Insolvenzen.

Über alle Branchen hinweg ist die Zahl der größeren Insolvenzen im vergangenen Jahr um 14,5 Prozent auf 260 Fälle gestiegen. Die betroffenen Unternehmen hatten einen Gesamtumsatz von mehr als 18 Milliarden Euro. Das ist ein Drittel mehr als der Umsatz der 227 im Vorjahr insolvent gegangenen Unternehmen. Besonders stark fiel der Anstieg im Gesundheitswesen mit Krankenhäusern und Pflegediensten und in der Modebranche mit jeweils gut 170 Prozent aus.

Als Grund für die zahlreichen Schieflagen nennt Falkensteg die hohen Energiepreise, den schwachen Konsum sowie die durch die Zinswende gestiegenen Finanzierungskosten. Geht Unternehmen das Geld aus und können sie ihre Schulden nicht mehr bezahlen, müssen sie Insolvenz anmelden, um eine Lösung mit den Gläubigern zu finden.

Fast ein Drittel mehr Insolvenzen in 2024 erwartet

Auch im Jahr 2024 werden die Insolvenzen nach Einschätzung des Beratungsunternehmens stark steigen. „Wir werden in diesem Jahr rund 30 Prozent mehr Insolvenzen registrieren, in einigen Branchen sogar überproportional“, erwartet Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg. Die Folgen der vielen Krisen der vergangenen zwei Jahre würden sich ab Mitte 2024 in der Insolvenzstatistik zeitverzögert niederschlagen. Vor allem von größeren Unternehmen seien dann noch mehr Insolvenzanträge zu erwarten. Diese hätten wegen ihrer Schwungmasse die Durststrecke bisher länger überlebt als kleinere Betriebe.

Als eine Insolvenzwelle bezeichnet der Restrukturierungsfachmann diese Entwicklung jedoch nicht, weil die Zahl der Insolvenzen im langfristigen Vergleich über einen Zeitraum von 20 Jahren immer noch niedrig sei. Eckhardt sieht die steigenden Insolvenzen als „Nachholeffekt“, weil jetzt Unternehmen umkippten, die während der Corona-Pandemie mit staatlichen Hilfen am Leben gehalten worden seien, obwohl bei vielen das Geschäftsmodell schon seit Jahren nicht mehr funktioniert habe.

Aktuell sorgen vor allem die Insolvenzen mehrerer wichtiger Gesellschaften der Immobiliengruppe Signa für Aufsehen. Zuvor hatten auch mehrere Immobilienentwickler Insolvenzen angemeldet, weil sie mit den gestiegenen Zinsen und dem Ende des Immobilienbooms nicht zurechtkamen. Zudem unterzieht sich der auch mit hausgemachten Problemen kämpfende Immobilienkonzern Adler Group einem Restrukturierungsverfahren nach britischem Recht. Laut der Falkensteg-Studie war die Zahl größerer Insolvenzen in der Immobilienbranche im Jahr 2023 mit 23 Fällen genauso hoch wie im Jahr davor.

Beispiele für Insolvenzen in der zuletzt besonders stark betroffenen Gesundheits- und Pflegebranche waren 2023 die katholische Kplus Gruppe in Solingen, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit seiner Krankenhausgesellschaft in Rheinland Pfalz, das Rote Kreuz in Bayern oder die St. Vinzenz Kliniken in Paderborn. Ebenfalls meldeten die Altenheimbetreiber Curata, Convivo, Dorea, Hansa und Novent Insolvenz an. Schon im Oktober 2023 hatte der Gravenbrucher Kreis, ein Zusammenschluss führender Insolvenzverwalter, auf seinem Jahrespressegespräch über eine Häufung von Insolvenzen unter Kliniken und Pflegeeinrichtungen informiert. Zeitgleich registrierte damals auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) so viele Insolvenzen wie nie.

Die Restrukturierungsberatung Falkensteg sieht insbesondere auf das Gesundheitswesen, den Einzelhandel und das Baugewerbe weiter Gegenwind zukommen. Auch der Maschinenbau und Zulieferer aus der Autoindustrie würden in den Fokus des Insolvenzgeschehens rücken. Zwar seien die Preise für Energie und Rohstoffe etwas zurückgegangen, aber sie dürften in diesem Jahr immer noch über dem Niveau von 2022 bleiben. Zudem stünden deutliche Lohnerhöhungen für die Beschäftigten an. „Vielfach können diese Mehrkosten nicht an die Kunden weitergegeben werden oder die Erstattungen reichen wie im Gesundheitswesen nicht aus“, sagt Falkensteg-Partner Eckhardt.