Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.09.2023, Az.: L 8 AY 24/21

Abtretungsverbot; Beiladung; Dolmetscherkosten; Fallpauschale; Gesundheitsleistungen; Kenntnisgrundsatz; Kostenübernahmeerklärung; Nothelfer; Rechtsbindungswillen; stationäre Behandlung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.09.2023
Aktenzeichen
L 8 AY 24/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 43808
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0926.8AY24.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 10.05.2021 - AZ: S 26 AY 36/17

Fundstellen

  • NJ 2024, 138-140
  • ZAP 2024, 70
  • ZAP EN-Nr. 051/2024

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Erbringer einer medizinischen Behandlung (hier ein Krankenhausträger) hat grundsätzlich keinen eigenen Anspruch gegen den Leistungsträger nach dem AsylbLG auf Übernahme der mit der Behandlung einhergehenden Kosten (hier verneint für isoliert geltend gemachte Dolmetscherkosten).

  2. 2.

    Zur Auslegung von behördlichen Kostenübernahmeerklärungen betreffend Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG

In dem Rechtsstreit
A.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.
gegen
Landkreis Diepholz - Fachdienst Soziales -,
vertreten durch den Landrat,
Niedersachsenstraße 2, 49356 Diepholz
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
ohne mündliche Verhandlung
am 26. September 2023 in Celle
durch die Richter C. und D. sowie die Richterin E.
und die ehrenamtliche Richterin F. und den ehrenamtlichen Richter G.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren wird jeweils auf 523,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Trägerin des Klinikums H. die Übernahme von im Zusammenhang mit stationären Behandlungen angefallenen Dolmetscherkosten von insgesamt 523,60 €.

Am 25.7.2016 wurde im Klinikum H. die 2011 geborene I. J. (im Folgenden: B), die mazedonische Staatsangehörige ist, am 2.9.2015 nach Deutschland mit ihren Eltern einreiste und entsprechend der Zuweisung im Asylverfahren (Bescheid der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - LAB - Standort Bramsche vom 14.9.2015) im Kreisgebiet des Beklagten lebte, aufgrund einer Überweisung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. K. vom 6.7.2016 stationär u.a. zum Zwecke der Anfertigung eines cerebralen MRTs unter Narkose - geplant für den 27.7.2016 - aufgenommen. Am selben Tag wurde ein von der Klägerin beauftragter Dolmetscher tätig, um den nicht deutschsprechenden Eltern der B das medizinische Aufklärungsgespräch zu übersetzen. B bezog seinerzeit Leistungen nach § 3 AsylbLG von dem Beklagten (Bescheid vom 14.6.2016). Am 27.7.2016 wurde der 2008 geborene, ebenfalls Leistungen nach § 3 AsylbLG beziehende und im Kreisgebiet des Beklagten lebende Bruder der B - L. M. (im Folgenden: A) - aufgrund einer auf den 6.7.2016 datierenden kinderärztlichen Überweisung gleichfalls stationär im Klinikum H. aufgenommen. Am 27. und 29.7.2016 wurde auch insoweit im Rahmen ärztlicher Gespräche mit den Eltern ein von der Klägerin beauftragter Dolmetscher tätig.

Der Beklagte teilte der Klägerin nach Eingang der Überweisungen mit zwei getrennten Schreiben vom 14.7.2016 mit, dass er gemäß § 4 AsylbLG die Kosten der stationären Behandlung für B bzw. A "vom 25.7.2016 bis voraussichtlich 27.7.2016" bzw. "28.7.2016 bis voraussichtlich 29.7.2016" in Höhe des allgemeinen Pflegesatzes nach § 3 der Bundespflegesatzverordnung (BPflVO) i.V.m. § 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ohne Wahlleistungen übernehme. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.8.2016 forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine Kostenübernahme auch für die Dolmetscherkosten zu erklären, nachdem am 21.7.2016 E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Übersetzungsbüro und dem Beklagten stattgefunden hatte, in deren Verlauf der Beklagte auf eine Kostentragungspflicht der Klägerin verwiesen hatte.

Am 5.10.2016 übersandte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung des Übersetzungsbüros vom 9.8.2016 über Dolmetscherkosten von insgesamt 523,60 €. Mit Bescheid vom 2.3.2017 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme hinsichtlich des als Antrag gewerteten Schreibens ab, weil die für den von der Klägerin beauftragten Dolmetscher angefallenen Kosten dem § 2 Abs. 2 KHG unterfallen würden und daher aus der Krankenhausvergütung zu finanzieren seien. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 5. und 12.9.2017 zurück, weil die Klägerin nicht Anspruchsinhaberin sei. Zudem seien die Dolmetscherkosten durch die Fallpauschale abgedeckt.

Hiergegen hat die Klägerin am 6.10.2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben, die sie damit begründet hat, ein Dolmetscher sei zur Verständigung im Rahmen der Diagnostik und für ärztliche Aufklärungsgespräche sowie für die Durchführung der Behandlung unerlässlich gewesen. Mit der Einführung des Patientenrechtegesetzes 2013 sei vom Gesetzgeber die Hinzuziehung einer sprachkundigen Person für erforderlich angesehen worden, die ggf. auf Kosten des Patienten hinzuziehen sei. Daher würden die Dolmetscherkosten zu den nach §§ 4 und 6 AsylbLG zu erstattenden Kosten zählen.

Der Beklagte hat eingewandt, die Dolmetscherkosten würden nicht der Kostenübernahmeerklärung vom 14.7.2016 unterfallen, weil es sich hierbei nicht um Kosten der stationären Behandlung handele. Hinsichtlich eines Anspruchs nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Die Dolmetscherkosten hätten zusätzlich beantragt werden müssen und würden nur den anspruchsberechtigten B und A zustehen. Die Kosten seien im Übrigen durch das für die stationäre Behandlung gewährte Entgelt gedeckt.

Das SG hat nach Einholung des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil am 10.5.2021 die Klage abgewiesen, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehle. § 6 AsylbLG sei im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch der Klägerin nicht einschlägig. § 4 AsylbLG könne ebenfalls keinen Leistungsanspruch des Krankenhauses, sondern nur des Hilfebedürftigen begründen. Für einen Nothelferanspruch nach § 6a AsylbLG fehle es an einem Eilfall. Die Kostenübernahemeerklärung vom 14.7.2016 umfasse nicht die Dolmetscherkosten, sondern allein die Kosten für die stationäre Behandlung. Es könne daher dahinstehen, ob Dolmetscherkosten von der Fallpauschale mit umfasst sind.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 7.6.2021 eingelegten Berufung, die sie darauf stützt, ihr Leistungsanspruch ergebe sich unmittelbar aus § 4 AsylbLG i.V.m. der Kostenübernahmeerklärung des Beklagten vom 14.7.2016. Die im Rahmen eines therapeutischen Aufklärungsgesprächs anfallenden Dolmetscherkosten seien nach dem Willen des Gesetzgebers vom Patienten zu tragen. Dies müsse auch für Leistungen nach dem AsylbLG beziehende Patienten gelten, für die eine Kostenübernahmepflicht aus § 4 bzw. § 6 AsylbLG folge. Ein Antrag sei hierfür nicht erforderlich, weil die Übersetzungskosten untrennbarer Teil der Krankenhausbehandlung seien.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des SG Oldenburg vom 10.5.2021 und den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 2.3.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. bzw. 12.9.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers in Höhe von 523,60 € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet ein, ein Anspruch nach § 4 AsylbLG könne nur vom Hilfebedürftigen selbst geltend gemacht werden. § 4 AsylbLG leite nicht einen möglichen, aus § 630e BGB resultierenden Anspruch gegen den Patienten auf das Krankenhaus über. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus der Kostenübernahmeerklärung vom 14.7.2016, die den Leistungsumfang deutlich gemacht habe, insbesondere, dass er nicht für sonstige notwendige Kosten direkt habe einstehen wollen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 30.8.2023).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (Leistungs- und Ausländerakten) und der Patientenakten von B und A Bezug genommen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und wegen der den Senat bindenden Zulassung durch das SG (§ 144 Abs. 2 und 3 SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 2.3.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. bzw. 12.9.2017 (§ 95 SGG), gegen die sich die Klägerin im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, 4, 56 SGG) wendet. Dies ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Klageantrag, dem nicht allein ein Zahlungsverlangen zu entnehmen ist, sondern mit dem auch eine Aufhebung des an die Klägerin adressierten, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides vom 2.3.2017 begehrt wird, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 5.10.2016 auf Übernahme von Dolmetscherkosten abgelehnt hat.

Die Beiladung einer gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht erforderlich, weil die im Leistungsbezug nach den § 3 AsylbLG stehenden B und A nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sind. Ein Anspruch nach den §§ 27 ff. SGB V kommt daher von vornherein nicht in Betracht. Auch ein Anspruch nach § 264 Abs. 1 SGB V (i.V.m. der Rahmenvereinbarung nach § 264 Abs. 1 SGB V für Niedersachsen vom 14.3.2016) für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4, 6 AsylbLG kommt nicht ernsthaft in Frage, weil eine Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vorliegt und Dolmetscherkosten in § 4 Abs. 5 der o.g. Rahmenvereinbarung ausdrücklich von einer solchen Versorgung ausgenommen sind.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der Dolmetscherkosten.

Der Beklagte ist als nach Landesrecht sachlich zuständige Behörde (§ 10 AsylbLG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nds. AufnG) nach § 10a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 4 AsylbLG auch örtlich zuständig für die geltend gemachten Leistungen in Einrichtungen. Danach ist für die Leistungen in Einrichtungen, die - wie hier - der Krankenbehandlung (oder anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz) dienen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (§ 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG). Als gewöhnlicher Aufenthalt i.S. dieses Gesetzes gilt der Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG). Abweichend hiervon enthält § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG eine gesetzliche Fiktion: Ist jemand nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, nach dem AsylG oder nach dem AufenthG verteilt oder zugewiesen worden oder besteht für ihn eine Wohnsitzauflage für einen bestimmten Bereich, so gilt dieser Bereich als sein gewöhnlicher Aufenthalt. In diesen Fällen ist es für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S. des § 10a Abs. 3 AsylbLG ohne Belang, ob sich die leistungsberechtigte Person dort gewöhnlich oder auch nur tatsächlich aufhält (vgl. Groth in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 10a AsylbLG Rn. 77). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich deswegen bereits aus der Zuweisungsentscheidung der LAB vom 14.9.2015 betreffend die in seinem Kreisgebiet liegende Gemeinde N..

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Das BVerwG hatte zum gleichlautenden § 37 Abs. 2 Satz 1 BSHG entschieden, dass zu den "sonstigen Leistungen" auch die Übernahme von Kosten sprachlicher Hilfeleistungen durch eine Begleitperson ("Dolmetscherkosten") gehören, wenn und soweit der Anspruch auf Krankenhilfe ohne sprachliche Hilfestellung nicht erfüllt werden kann (BVerwG, Urteil vom 25.1.1996 - 5 C 20/95 - juris Rn. 10). Jedoch betrifft § 4 Abs. 1 AsylbLG allein das Leistungsverhältnis zwischen Hilfebedürftigem und Leistungsträger (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. Stand 25.5.2023, § 4 AsylbLG Rn. 42 m.w.N.). Der Klägerin als Krankenhausträgerin steht kein eigener Vergütungsanspruch gegen den Beklagten als Leistungsträger zu (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. Stand 25.5.2023, § 4 AsylbLG Rn. 43 m.w.N.).

Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aufgrund einer (verbindlichen) Kostenübernahmeerklärung des Beklagten, insbesondere nicht aufgrund der Schreiben vom 14.7.2016. Darin hat der Beklagte - ohne Nennung eines Bewilligungsadressaten - ausgeführt, dass die Kosten der stationären Behandlung für die Hilfebedürftigen B bzw. A "vom 25.7.2016 bis voraussichtlich 27.7.2016" bzw. "28.7.2016 bis voraussichtlich 29.7.2016" gemäß § 4 AsylbLG übernommen werden sollten. Nach allgemeinen Regeln (§ 133 BGB) sind diese Schreiben als bloße Mitteilung des Beklagten auszulegen, dass er den Hilfebedürftigen B bzw. A - und nicht der Klägerin - Leistungen nach § 4 AsylbLG gewährt. Dies entspricht zum einen der materiellen Rechtslage. Anspruchsberechtigt nach § 4 AsylbLG kann nur der leistungsberechtigte Ausländer selbst sein (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 2/12 R - juris, Rn. 26 m.w.N.). Zum anderen ist das Schreiben nach Eingang der Überweisungsscheine bei dem Beklagten in Zusammenschau mit dem Arztbrief der Klägerin vom 11.5.2016 erfolgt und daher (nur) so zu verstehen, dass die Behandlungskosten - ohne Einbindung der Hilfebedürftigen in die Kostenerstattung - direkt mit dem Beklagten sollten abgerechnet werden können, ohne dass der Klägerin als Leistungserbringerin ein eigener Zahlungsanspruch gegen den Beklagten eingeräumt worden ist (so bereits zu einem vergleichbaren Sachverhalt Senatsurteil vom 26.11.2015 - L 8 AY 63/12 -). Der Zusatz "Die Kostenzusage dient der Behandlung einer akuten Erkrankung oder Schmerzzustandes." macht ferner deutlich, dass der Beklagte hiermit eine Behandlung von B und A durch die Klägerin sicherstellen wollte, ohne bereits seinen Rechtsbindungswillen dem Grunde (und der Höhe nach) zur Übernahme von Dolmetscherkosten zum Ausdruck bringen zu wollen (zum Erfordernis eines unzweifelhaft deutlich gewordenen Rechtsbindungswillens bei einer sozialhilferechtlichen Kostenübernahmeerklärung: vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.12.1994 - 24 A 3212/92 - juris Rn. 18; Frerichs, a.a.O., Rn. 43). Dies zeigt sich auch daran, dass er sich in den Schreiben vom 14.7.2016 zu weiteren denkbaren Kostenpositionen (z.B. Kosten für ambulante oder teilstationäre Therapien, Begleitkosten) geäußert hat. Vor diesem Hintergrund kann der Senat die Streitfrage offenlassen, ob die Dolmetscherkosten durch das pauschalierte Vergütungssystem bzw. von der Fallpauschale abgedeckt und damit vom Krankenhausträger zu tragen sind (§§ 7 Abs. 1 Satz 2, 2 Abs. 1, 2 KHEntgG; so SG Hamburg, Urteil vom 24.3.2017 - S 48 KR 1082/14 ZVW - juris Rn. 24 und Urteil vom 9.10.2017 - S 46 KR 1744/16 - juris Rn. 24).

Ein Anspruch der Klägerin nach § 6 AsylblLG scheidet ebenfalls aus. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG können "sonstige Leistungen" insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Dieser über den Leistungsumfang des § 4 Abs. 1 AsylbLG hinausgehende besondere Auffangtatbestand begründet jedoch - ebenso wie § 4 AsylbLG - nur einen Anspruch des Hilfebedürftigen selbst (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. Stand 25.5.2023, § 6 AsylbLG Rn. 15 f.).

Der Klägerin steht die Geltendmachung des Anspruchs auch nicht aus abgetretenem Recht zu.

Es kann offenbleiben, ob eine Abtretung schon wegen des Abtretungsverbotes nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, das im AsylbLG entsprechend anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 7 AY 2/12 R - juris Rn. 27), ausgeschlossen ist, weil die Klägerin eine Abtretung der Ansprüche durch die gesetzlichen Vertreter von B und A schon nicht dargelegt hat. Lediglich für Fälle, in denen der Hilfebedürftige die Leistung - hier also die Tätigkeit des Dolmetschers - selbst beschafft oder vorfinanziert hat, wird diskutiert, ob ausnahmsweise eine Abtretung des sich dann vom Sachleistungs- in einen Freistellungs- oder Geldleistungsanspruch gewandelten Anspruchs möglich ist (BSG, a.a.O., Rn. 28). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zum einen haben nicht B und A, sondern hat die Klägerin den Dolmetscher beauftragt. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der Anspruch bereits festgestellt ist, um einen Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung des Leistungsempfängers wegen des höchstpersönlichen Charakters des Anspruchs zu vermeiden, der selbst in der Hand haben soll, ob er sensible Daten seiner Erkrankung und Behandlung preisgeben möchte (BSG, Urteil vom 30.10.2013, a.a.O. m.w.N.). Eine solche Anspruchsfeststellung ist vorliegend nicht getroffen worden, insbesondere nicht mit den Schreiben vom 14.7.2016 (s.o.).

Auch ein Nothelferanspruch der Klägerin (aus eigenem Recht) gemäß § 6a AsylbLG besteht nicht. Ein Nothelferanspruch - gleichgültig, ob dieser sich aus § 25 SGB XII (i.V.m. § 2 AsylbLG) oder § 6a AsylbLG ergibt - wird durch die originären Ansprüche von B und A verdrängt. Es fehlt an einem Eilfall im Sinne dieser Vorschriften. Das sozialhilferechtliche Moment des Eilfalls trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Anspruch des Nothelfers nur so lange bestehen kann, wie der Leistungsträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hatte. Sowohl für § 25 SGB XII als auch für § 6a AsylbLG gilt, dass zwischen dem Anspruch des Nothelfers und dem des Hilfebedürftigen ein Exklusivitätsverhältnis besteht: Sobald der Leistungsträger Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit hat, setzt nach § 18 SGB XII der Anspruch des Hilfebedürftigen ein, der dann einen Anspruch des Nothelfers ausschließt. Die Kenntnis bildet somit die Zäsur für die unterschiedlichen Ansprüche (BSG, Urteil vom 12.12.2013, a.a.O.; Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R - juris Rn. 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.4.2021 - L 12 SO 61/21 - juris Rn. 38 ff.; LSG Hamburg, Urteil vom 15.8.2022 - L 4 AY 3/21 - juris Rn. 26). Nach § 18 SGB XII, der in § 6b AsylbLG in Verfahren nach dem AsylbLG für entsprechend anwendbar erklärt wird, setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen bekannt wird. Ebenso wie § 25 SGB XII setzt daher § 6a AsylbLG die Unkenntnis des Leistungsträgers voraus (so für § 25 SGB XII ausdrücklich: BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - juris Rn. 17; LSG Hamburg, Urteil vom 28.4.2022 - L 4 AY 8/20 - juris Rn. 24 ff.). Hintergrund ist der Sinn und Zweck des Nothelferanspruchs, der (nur) dann zum Tragen kommt, wenn der an sich für die Leistung zuständige AsylbLG-Leistungsträger nicht oder nicht schnell genug über den Leistungsfall in Kenntnis gesetzt werden kann, die einem Dritten entstandenen angemessenen Aufwendungen jedoch ersetzt werden sollen, die bei rechtzeitiger Kenntnis der Leistungsträger zu tragen hätte (Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. Stand 1.2.2020, § 6a AsylbLG Rn. 15 f.). Auf diese Weise wird eine ärztliche Behandlung von Leistungsberechtigten auch in Eilfällen sichergestellt.

Der Beklagte hatte vor dem Anfall der Kosten in jedem Falle die notwendige Kenntnis von dem Bedarfsfall i.S. des § 6b AsylbLG i.V.m. § 18 SGB XII. Kenntnis i.S.d. § 18 Abs. 1 SGB XII bzw. § 6b AsylbLG i.V.m. § 18 SGB XII setzt die positiven Kenntnisse aller Tatsachen voraus, die den Leistungsträger in die Lage versetzen, die Leistung zu erbringen (BSG, Urteil vom 2.2.2012 - B 8 SO 5/10 R - juris Rn. 18). Ausreichend ist das Darlegen der Notwendigkeit der Hilfe, wobei positive Kenntnis des spezifischen Bedarfsfalls ausreichend ist (BSG, Urteil vom 28.8.2018 - B 8 SO 9/17 R - juris Rn. 18 m.w.N.). Der konkrete finanzielle Bedarf muss noch nicht bekannt sein (BSG, a.a.O.). Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob für die Vermittlung der erforderlichen Kenntnis i.S. des § 6b AsylbLG i.V.m. § 18 SGB XII bereits der Eingang der ärztlichen Überweisungen für B und A ausgereicht hat und damit die Notwendigkeit von Hilfe - bezogen auf die Grunderkrankung als spezifischer Bedarfsfall - dargetan gewesen ist (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 28.8.2018 - B 8 SO 9/17 R - juris Rn. 18 m.w.N.; s. auch Senatsurteil vom 6.10.2022 - L 8 AY 46/20 -). Vom Bedarfsfall hatte der Beklagte spätestens infolge der E-Mail-Korrespondenz mit dem Übersetzungsbüro am 21.7.2016, mithin vor der stationären Aufnahme, Kenntnis.

Eine Kostenerstattung kommt auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund in Betracht, insbesondere ist das Rechtsinstitut der (öffentlich-rechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag in diesen Fällen nicht anwendbar (BSG, Urteil vom 30.10.2013, a.a.O., Rn. 25).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Für das Verfahren werden Kosten erhoben, weil weder die Klägerin noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (§ 197a SGG), auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Kostenprivilegierung des Nothelfers i.S. des § 183 SGG (Beschluss vom 11.6.2008 - B 8 SO 45/07 B - juris Rn. 8 ff.).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Auf die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob fremdsprachige Patienten im Rahmen einer Behandlungsaufklärung angefallene Dolmetscherkosten nach dem AsylbLG erfolgreich beanspruchen können, kommt es vorliegend nicht an (s. hierzu Falk, RP Reha Nr. 3/2017, S. 30 ff.; DVfR, Fachbeitrag E 1-2018; zur sozialrechtlichen Erstattungsfähigkeit s. Schneider, SGb 2021, 222 ff.).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Sie ist unanfechtbar.