Katholische Krankenhäuser warnen vor kaltem Strukturwandel

Wenig Raum für Gelassenheit

Es wird ein Schicksalsjahr für Krankenhäuser. Weil sich die Finanzierungsreform verzögert, blicken viele Kliniken in einen finanziellen Abgrund. Besonders betroffen sind die frei-gemeinnützigen Einrichtungen.

Autor/in:
Christoph Arens
Eine verzweifelte Person in einem Krankenhausbett / © KieferPix (shutterstock)
Eine verzweifelte Person in einem Krankenhausbett / © KieferPix ( shutterstock )

Frust, Wut, Verunsicherung: Wenn Bernadette Rümmelin auf die derzeit laufende Debatte über die Reform der Krankenhauslandschaft blickt, bleibt wenig Raum für Gelassenheit. Während sich die Politik aus Sicht der Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes (KKVD) in Strukturdebatten und realitätsfremden Vorgaben verhakt, verzeichnen immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen oder rutschen in die Insolvenz. Insbesondere die frei-gemeinnützigen Träger - also kirchlich oder von Wohlfahrtsverbänden geführte Einrichtungen - sind in einer schwierigen Situation. 

"Bei uns ist derzeit vieles in Bewegung", sagt Rümmelin. Eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Expertenkommission hatte im Dezember 2022 ausführliche Vorschläge für eine Krankenhausreform vorgelegt. Das Ziel: Eine stärkere Spezialisierung, konkrete Qualitätsanforderungen und mehr Transparenz sollen die Versorgung der Patienten verbessern. Dabei soll es insgesamt weniger Krankenhäuser in Deutschland geben.

Von ökonomischen Zwängen befreien

Zugleich sollen die Krankenhäuser anders finanziert werden, um sie von ökonomischen Zwängen zu befreien: Sie sollen nicht mehr nur pro Fall bezahlt werden. 60 Prozent der Kosten sollen sie stattdessen künftig allein schon dafür erhalten, dass sie Technik und Personal vorhalten.

"Eine Krankenhausreform ist bitter notwendig", betont auch Rümmelin. Beim KKVD, Interessenvertretung von 267 Krankenhäusern an 340 Standorten, will man sich einem notwendigen Wandel nicht verschließen. "Wir müssen vor Ort neue Versorgungs- und Trägerstrukturen sowie Kooperationen eingehen", sagt die Geschäftsführerin im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Jetzige Träger müssen gegebenenfalls auch loslassen können und neue Strukturen zulassen." 

Allerdings: Aus Sicht der KKVD-Geschäftsführerin läuft der Umbau derzeit ziemlich ungeplant und "destruktiv". Sie warnt vor "einem kalten Strukturwandel", bei dem die Politik die Krankenhäuser am ausgestreckten Arm finanziell verhungern lässt und für eine unkoordinierte Marktbereinigung sorgt. Sie fordert Finanzhilfen, um die Zeit zu überbrücken, bis die Reform greift. 

Kritik an Krankenhausreform

Rümmelin kritisiert die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Lauterbach als einen "hoch wissenschaftlichen und theoretischen Prozess", der die praktischen Bedürfnisse vor Ort vernachlässige. Die Bundesregierung müsse das Wissen der Praktiker vor Ort viel stärker einbinden und beispielsweise die Bevölkerungsentwicklung in den Regionen ermitteln. Es gehe "um Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Bürger", betont die Geschäftsführerin. Das bedeute, dass man die Krankenhauslandschaft gezielt und nach regionalen Bedingungen gestalten müsse, um allen Bürgern eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Den Krankenhäusern läuft angesichts der stockenden Reform die Zeit davon. Steigende Personalkosten, hohe Inflation, fehlende Investitionsförderung der Bundesländer: Weil die Häuser diese steigenden Kosten nicht einfach auf die Kunden umlegen können und die Kassen das Minus erst verzögert ausgleichen, ist die Lage der deutschen Krankenhäuser laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) so schlecht wie noch nie. 

Fast 80 Prozent erwarten für 2023 ein negatives Jahresergebnis. Nur noch sieben Prozent werden einen Jahresüberschuss erzielen, beschreibt das Krankenhaus-Barometer der DKG eine prekäre Schieflage. "Das Jahr 2024 droht ein Schicksalsjahr zu werden. Fast kein Krankenhaus kann seine Ausgaben mehr aus den laufenden Einnahmen decken." Die DKG rechnet für das laufende Jahr mit bis zu 80 Insolvenzen.

Viele Krankenhäuser melden Insolvenz an

Besonders betroffen sieht Rümmelin dabei die frei-gemeinnützigen Häuser. Während die privaten Krankenhausträger Geld am Kapitalmarkt aufnehmen könnten und die kommunalen Kliniken im Zweifel von ihrem Trägern mit Steuerzahlergeld über Wasser gehalten würden, könnten kirchlich und von Wohlfahrtsverbänden getragene Kliniken nur auf eigene - immer geringer werdende - Reserven zurückgreifen. 

Die Folge: Im vergangenen Jahr waren 29 Krankenhäuser an 34 Standorten in einem Schutzschirm- oder Insolvenzverfahren. 30 der betroffenen 34 Standorte befinden sich in freigemeinnütziger, davon wiederum 13 in katholischer Trägerschaft.

Zugleich sieht Rümmelin die katholischen Krankenhäuser flexibel aufgestellt. Da sie seit Jahren zu strengem unternehmerischem Denken gezwungen seien, hätten katholische Träger in vielen Regionen schon seit Längerem Netzwerke und Verbünde kirchlicher Kliniken und Sozialeinrichtungen gebildet und auch - politisch heute geforderte - Spezialisierungen und Konzentrationen vorgenommen. Dabei seien auch Häuser geschlossen oder in geriatrische Allround-Versorger umgewandelt worden.

Anstehende Fusionswelle?

Angesichts der aktuell äußerst schwierigen Lage geht die KKVD-Geschäftsführerin jetzt von einer Fusionswelle aus. Die Zukunft der kirchlichen Krankenhäuser sieht Rümmelin eher in solch großen Trägerstrukturen. Große Krankenhauskonzerne wie die Barmherzigen Brüder Trier im Südwesten, die Alexianer oder der Elisabeth Vinzenz Verbund hätten sogar überregional expandiert. Zugleich betont sie: "Von einem Rückzug der katholischen Träger aus dem Krankenhausbereich kann keine Rede sein."

Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd)

400 katholische Klinikstandorte: Sie eint das Ziel einer bestmöglichen Versorgung und Pflege für ein Leben in Gesundheit und Würde. Und dies für alle Patienten. Die im kkvd verbundenen Kliniken vertreten rund ein Fünftel aller Kliniken in Deutschland. Sie versorgen zudem rund ein Fünftel aller Patienten hierzulande jedes Jahr.

Leeres Krankenhausbett  / © Hadrian (shutterstock)
Quelle:
KNA