Mehrere Tausend Menschen haben Mitte Januar für den Erhalt der Kliniken im Landkreis Tirschenreuth demonstriert.
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Mehrere Tausend Menschen haben Mitte Januar für den Erhalt der Kliniken im Landkreis Tirschenreuth demonstriert.

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Tirschenreuth: "Initiative Klinik retten" enttäuscht

Die "Initiative Klinik retten" setzt sich für den Erhalt der Krankenhäuser Tirschenreuth und Kemnath ein. Vertreter trafen nun Gesundheitsministerin Gerlach. Diese sieht die Verantwortung nicht bei der Staatsregierung. Die Initiative ist enttäuscht.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Die von Notärzten gegründete "Initiative Klinik retten" hat sich am Dienstag mit der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach getroffen. Die Initiative setzt sich für den Erhalt der Krankenhäuser Tirschenreuth und Kemnath ein. Eine Umstrukturierung der Kliniken Nordoberpfalz sieht vor, dass das Krankenhaus Tirschenreuth zu einem ambulanten OP-Zentrum umgewandelt wird. Die Frauenklinik und die Chirurgie sollen zum 1. April 2024 von Tirschenreuth nach Weiden verlagert werden. Das bedeutet: Chirurgische Behandlungen mit anschließendem stationärem Aufenthalt, sowie die Gynäkologie und Geburtshilfe, soll es in Tirschenreuth zukünftig nicht mehr geben.

Medizinische Versorgung in der Region Notwendigkeit

Die "Initiative Klinik retten" fordert, dass sich in der Nordoberpfalz, dazu zählt der Landkreis Tirschenreuth und der Landkreis Neustadt an der Waldnaab, die medizinische Versorgung an der Notwendigkeit orientieren müsse. "Eine Basis-Grundversorgung muss stehen, bei Unfällen, bei Geburten, bei häufig vorkommenden Erkrankungen, wie akuten Gallen- oder Magenproblemen", so Notarzt Mathias Kalkum zum BR. Die Initiative wehrt sich dagegen, dass das Klinikum Weiden innerhalb des Klinikverbunds der einzige Schwerpunktversorger werden soll. Sie sehen durch die Umstrukturierung eine massive medizinische Unterversorgung der Bevölkerung auf dem Land. Wege von bis zu 40 Minuten ins nächste Krankenhaus seien - laut den Notärzten - nicht tragbar und wären für viele Bürger dann an der Tagesordnung.

Initiative sieht Freistaat in der Pflicht

Die Initiative fordert klare Zuständigkeiten zwischen Bund, Land und Kommune. Sie sieht den Freistaat bei der Krankenhausbedarfsplanung in der Pflicht. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hatte vor dem Treffen am Dienstagnachmittag mitgeteilt, dass sie auf eine dauerhaft tragfähige Lösung zwischen Träger und den Kommunen setzt. Es liege in der Verantwortung der Landkreise und der kreisfreien Städte sowie ihrer Krankenhausträger, über die Strukturen der Versorgung vor Ort und die konkreten Leistungen der Einrichtungen zu entscheiden.

Laut der Ministerin gibt es für den Freistaat keine Möglichkeit, einem Krankenhausträger gegenüber anzuordnen, Leistungen aufrechtzuerhalten, "solange die stationäre Versorgung in der Region auch ohne das wegfallende Angebot dieses Trägers in ausreichender Weise sichergestellt ist".

Bei dem Treffen waren neben den Notärzten auch der Tirschenreuther Landrat Roland Grillmeier (CSU), der Geschäftsführer der Kliniken Nordoberpfalz, Michael Hoffmann, ein Vertreter des Innenministeriums und der ärztliche Leiter der bayerischen Rettungsdienste mit vor Ort – außerdem der örtliche CSU-Landtagsabgeordnete Tobias Reiß.

Treffen mit Gesundheitsministerin für Initiative enttäuschend

Nach dem Treffen in München zeigt sich die "Initiative Klinik retten" in einer Mitteilung enttäuscht über die Gespräche. Bei dem Treffen hatte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nach Darstellung der Initiative bekräftigt, dass aus ihrer Sicht ausschließlich die kommunalen Träger der Kliniken Nordoberpfalz für die Struktur der Krankenhäuser verantwortlich seien. Sie als Ministerin dürfe "nach Recht und Gesetz" gar nicht eingreifen. Aus Sicht der "Initiative Klinik retten" werde damit von Seiten der Landesregierung keine Rücksicht auf gleiche Lebensbedingungen in ganz Bayern genommen. Die Initiatoren fühlen sich zudem in ihrer Auffassung bestätigt, dass die Umstrukturierung eine rein wirtschaftlich begründete Entscheidung der Kliniken Nordoberpfalz sei, die ebenso keine Rücksicht auf die Versorgung der Bevölkerung nehme.

Enorme finanzielle Probleme der Kliniken

In einer Stellungnahme des Tirschenreuther Landtagsabgeordneten Tobias Reiß (CSU) heißt es, KNO-Vorstand Michael Hoffmann habe erläutert, dass die Pläne aufgrund enormer finanzieller Probleme und immer weitreichender Auflagen aus Berlin unumgänglich seien. Der Betrieb kleinerer Krankenhäuser sei in der bisherigen Form kaum mehr möglich. Er betonte, dass in Tirschenreuth eine ambulant-stationäre Versorgung und nicht die Schließung des Krankenhauses geplant sei. Wenn das Krankenhaus Tirschenreuth als künftiges internistisches Fachkrankenhaus und Zentrum für Altersmedizin nicht mehr an der allgemeinen stationären Notfallversorgung teilnimmt, sei laut ihm aber sicherzustellen, dass in Weiden und Marktredwitz ausreichende Kapazitäten vorhanden sind. Das bestätigte die KNO. Weitere Intensivbetten und eine derzeit wegen Personalengpässen nicht betriebsbereite Station könnten mit Fachpersonal aus Tirschenreuth aktiviert werden, so der Plan.

Kleine Krankenhäuser: Situation in ganz Bayern ähnlich

Landrat Roland Grillmeier (CSU) sagte, dass man bereits seit Mai letzten Jahres Gespräche mit dem Gesundheitsministerium, der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und auch dem Bund führe - in der Hoffnung, Klarheit zu bekommen, ob und in welcher Form die kleinen Häuser weiterbetrieben werden können.

Die Bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) zeigte Verständnis für das Anliegen der "Initiative Klinik retten" und der Protestaktion Tirschenreuther Bürger. Sie führte aus, dass sich Situationen wie in Tirschenreuth in ganz Bayern abzeichnen würden. Die von der Bundesregierung angekündigte Krankenhausreform würde nicht die Möglichkeiten einer dezentralen, stationären Notfallversorgung verbessern, so der Vorwurf. Vor diesem Hintergrund unterstütze Gerlach die Pläne des Krankenhausträgers als erforderlich.

Verschlechterung der medizinischen Versorgung befürchtet

Der BKG-Geschäftsführer (Bayerische Krankenhausgesellschaft) Roland Engehausen machte deutlich, dass es für die Bevölkerung und für die Beschäftigen im Krankenhaus nun wichtig sei, möglichst schnell Klarheit zu bekommen, wie die Umstrukturierung konkret aussieht.

Den Petitionsführern sei es wichtig gewesen, den Menschen klar zu sagen, dass diese Veränderungen zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung führen, hätten aber nun Informationen erhalten, warum eine Verzögerung der Maßnahmen kaum Gewinn bringen würde, bilanzierte Reiß.

Unmut über Klinik-Aus: Proteste in der Bevölkerung

In Tirschenreuth ist der Unmut in der Bevölkerung über das geplante Klinik-Aus groß: An einer Protestveranstaltung vor eineinhalb Wochen hatten knapp 5.000 Menschen teilgenommen – mehr als die Hälfte der Einwohnerzahl der Stadt.

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