Krankenhausreform Gute Kliniken, schlechtere Kliniken – und dazwischen ein kämpfender Lauterbach

Gesundheitsminister Lauterbach Quelle: imago images

Mit einer Studie zur Qualität der Versorgung bei Infarkten, Schlaganfällen oder Hüft-OPs will der Bundesgesundheitsminister die Blockade seiner Klinikreform im Bundesrat lösen.

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Mit neuen Daten über den Erfolg verschiedener Operationen will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den zwischen Bund und Ländern blockierten Umbau der Krankenhäuser wieder flottkriegen. Eine Studie des Gesundheitsökonomen und Krankenhausexperten Reinhard Busse von der TU Berlin kommt nun zum Schluss, dass sich die Qualität einer Behandlung in den besten Krankenhäusern auch zwei Jahre nach Erhebung der Ergebnisse immer noch drastisch von denen mit den schlechteren Ergebnissen unterscheidet. Das bedeutet, dass gute Hospitäler sich dauerhaft von schlechten unterscheiden, auch wenn Zahlen immer erst mit Zeitverzug ausgewertet werden können.

Busses Zahlen, die repräsentativ erhoben wurden mit Qualitätsdaten der Kliniken selbst und der AOK-Versicherten, zeigen, dass nicht nur entscheidend ist, ob eine Klinik etwa gut ausgestattet ist mit Linksherzkathedern oder Schlaganfallambulanzen. Auch eine hohe Zahl der jährlich durchgeführten Behandlungen verbessert medizinische Ergebnisse deutlich. Die Ökonomen der TU Berlin zeigen nun aber auch, dass etwa für Herzinfarkte und Schlaganfälle ebenso wie für Hüftfrakturen oder Lungenentzündungen gilt:  Im besten Fünftel der Häuser ist die Sterblichkeit über Jahre um ein Drittel niedriger als im schlechtesten Fünftel. Implantate seien um dort sogar zur Hälfte passgenauer eingesetzt und müssten nicht nochmal operiert werden, so das Ergebnis von Busse, der auch in Lauterbachs Krankenhauskommission mitarbeitet. Ein Druckgeschwür wegen langen Liegens komme in guten Häusern gar um 80 Prozent seltener vor als in schlechten, heißt es.

Seit einem Jahr versucht der Bundesgesundheitsminister, einen Umbau der rund 1800 Krankenhäuser zu organisieren. Doch seit längerem blockieren sich Bund und Länder. Die neuen Zahlen sprechen nun einmal mehr für die vom Bund geplanten Änderungen. Lauterbach will weniger und dafür spezialisiertere Krankenhäuser. Die sollen bessere Qualität bieten. In ländlichen Regionen soll die Grundversorgung erhalten bleiben.

Der kalte Strukturwandel

In Deutschland wird im Vergleich sehr viel operiert, nicht immer gut und relativ selten wird ambulant behandelt. In manchen Regionen gibt es zu viele Kliniken, in anderen ist ein Krankenhaus nur noch schwer zu erreichen. 

Zudem rutschen vor allem Hospitäler in entlegeneren Regionen reihenweise in die Insolvenz. Energiekosten stiegen drastisch und weniger Patienten lassen sich nach der Coronapandemie stationär behandeln. Medizinische Fachkräfte sind vielerorts kaum noch zu gewinnen. Nach den Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erwirtschafteten 78 Prozent der Häuser im vorigen Jahr Defizite, dieses Jahr dürften es 81 Prozent werden. Entsprechend geht der „kalte Strukturwandel“ samt Pleiten und Schließungen weiter.

Im Bundesrat bremsen die Länder aber das Transparenzgesetz von Lauterbach, das Qualitätsunterschiede sichtbar machen und Patienten Orientierung bieten soll. Dieses Gesetz braucht keine Länderzustimmung, nur eine Reform der Krankenhäuser braucht die Unterstützung. Der Bundesrat hatte aber auch beim kleineren Gesetz um Vermittlung gebeten. Dann weigerten sich maßgeblich die unionsgeführten Länder, die Krankenhäuser überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen. Nun ist erstmal die ganze Reform aufgehalten.

Das Transparenzgesetz hätte Anfang Februar verabschiedet werden sollen, doch kann frühestens Ende März die Länderkammer passieren, wenn sich die Seiten annähern. Die Länder sind für die Finanzierung der Krankenhausbauten und die Verteilung der Häuser in der Fläche zuständig, die Behandlungen an sich werden nach Vorgaben des Bundes von Krankenversicherungen bezahlt.

Durch das „kleinere“ Transparenzgesetz sollen Daten zu einem Klinikatlas zusammengeführt werden und die Kliniken auch nach Qualitätsmerkmalen in Gruppen wie Maximalversorger oder Grundversorger sortiert werden. Die Länder wollen das so nicht, weil sie fürchten, dass einzelnen Häusern schlechte Qualität attestiert wird. Außerdem wollen sie Druck auf den Bund ausüben, dass der Bund für einen Umbau, für das „größere“ Reformgesetz, mehr Geld gibt, und so eine Insolvenzwelle verhindern werden könnte.

Lauterbach sieht nun eine Lösung für die verfahrene Lage: „Die Krankenhausreform ist zurück in der Spur.“ Und: „Wenn über den Inhalt gesprochen wird, bin ich sicher, dass wir vorankommen." Am 22. März könnte der Bundesrat abstimmen, so die Hoffnung.

Die Qualitätsdaten können zur „deutlichen Senkung der Sterblichkeit“ und viel weniger „unerwünschten Komplikationen“ führen, zeigen nun die Experten. Lauterbach hat am Dienstag zur Vorstellung der Zahlen auch den Chef des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen (SVR-G), der „Gesundheitsweisen“, eingeladen. Michael Hallek ist Onkologe und Professor in Köln. Auch Jens Scholz hat sich angekündigt, Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika. Scholz ist Bruder des Bundeskanzlers und warb immer wieder für die Krankenhausreform.

Der Verband der Krankenhäuser reagiert auf den Auftritt Lauterbachs mit den Sachverständigen dagegen gereizt. Die DKG moniert, es nütze nicht viel, wenn der Minister die Reform noch nicht schaffe, aber erst einmal „die Kliniklandschaft in aus seiner Sicht gute und schlechte Krankenhäuser“ spalte. Das bedeute auch, dass er den „kalten Strukturwandel mit immer mehr Insolvenzen tatenlos zur Kenntnis“ nehme. Landräte, Bürgermeisterinnen, aber auch die Vertreterinnen von Landesregierungen fürchten, dass eine Schließung schlechter oder gering ausgelasteter Stationen auf dem Land gleichbedeutend ist mit dem Ende jeglicher Gesundheitsversorgung in der Fläche. Auch ambulant tätige Praxen sind dort oft kaum mehr erreichbar.

Am Dienstag zeigt sich zumindest, dass nach den Blockaden nun wieder alle Seiten etwas in Bewegung bringen wollen. Der Vizechef des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, sagt: „Das Tauziehen zwischen Bund und Ländern um das Krankenhaustransparenzgesetz darf nicht dazu führen, dass die eigentliche Reform auf der Strecke bleibt und sich weiter verzögert.“

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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat immerhin bereits zum Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern fürs Krankenhaustransparenzgesetz eingeladen. Noch Ende Februar soll sich das Gremium treffen. Bis Ostern will Lauterbach dann sogar die Transparenz und den Umbau als große Reform vorstellen. Das hatte er angekündigt.

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