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Kosten sparen zu Lasten des Personals? ver.di kritisiert Gründung einer Service GmbH am Briloner Krankenhaus

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Die Stadt Brilon plant eine Servicegesellschaft des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf zu gründen. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert das Vorhaben.
Die Stadt Brilon plant eine Servicegesellschaft des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf zu gründen. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert das Vorhaben. © Krankenhaus Brilon

Der zunehmende Kostendruck, insbesondere bei Beschaffungs- und Energiekosten, macht auch vor Krankenhäusern nicht Halt. Um Kosten zu reduzieren, plant die Stadt Brilon nun die Gründung einer Servicegesellschaft des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf. Doch die Gewerkschaft ver.di kritisiert diese Pläne.

Brilon – Der zunehmende Kostendruck, insbesondere bei Beschaffungs- und Energiekosten, macht auch vor Krankenhäusern nicht Halt. Um Kosten zu reduzieren, plant die Stadt Brilon nun die Gründung einer Servicegesellschaft des städtischen Krankenhauses Maria-Hilf.

Der Rat der Stadt Brilon sollte am Donnerstagabend über die Gründung der Tochtergesellschaft entscheiden. Doch die Gewerkschaft ver.di machte einen Strich durch die Rechnung. Ihre kritische Stellungnahme erhielt vor der Ratssitzung viel Aufmerksamkeit. Auch die Briloner Bürgerliste (BBL) kritisierte das Vorhaben unter anderem in sozialen Medien.

Bereits zu Beginn der Ratssitzung forderte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch die Stadtratsmitglieder auf, den Tagesordnungspunkt „Gründung der Servicegesellschaft Städtisches Krankenhaus Maria-Hilf Brilon GmbH“ zu vertagen. Sowohl durch die Vorlage in der Einladung zur Ratssitzung als auch durch die öffentliche Stellungnahme von ver.di habe sich „eine öffentliche Arbeit entwickelt, die zu Missverständnissen führte“, argumentierte der Bürgermeister. Bei einer Enthaltung wurde der Vorschlag des Bürgermeisters angenommen.

Gründe für geplante Ausgliederung

Laut Verwaltungsvorlage bieten sich „als Gegenstand der Ausgliederung“ vor allem Kostensenkungspotenziale im Supportbereich an. Dazu werden unter anderem die Bereiche Reinigung, Küche, Wäscherei, Hol- und Bringdienste und Sterilgut-Versorgung sowie der Empfang aufgeführt.

Außerdem sei die Ausgliederung einzelner Kernbereiche wie Pflege, Therapie, Röntgen oder Labor –laut Vorlage – denkbar. Reinigungsdienstleistungen werden derzeit von einem externen Unternehmen aus Dortmund durchgeführt, also outgesourct. Und externe Unternehmen berechnen 19 Prozent Umsatzsteuer und nehmen einen Gewinnzuschlag. Letzterer und die Umsatzsteuer können bei einer Tochtergesellschaft eingespart werden.

Personalkosten größter Kostenblock

Den größten Kostenblock bilden die Personalkosten, schreibt die Verwaltung in ihrer Sitzungsdrucksache. Der aktuelle Dienstleister unterliege dem Tarifvertrag des Gebäudereinigungshandwerkes, welcher einen höheren Branchenmindestlohn als in der zu gründenden Servicegesellschaft ausweise. Diese Differenz werde vor allem im Laufe der Neueinstellungen des Personals in die Servicegesellschaft immer deutlicher. Insgesamt sei bei den Reinigungskosten und der Bettenaufbereitung ein jährliches Einsparungspotenzial von 100.000 Euro möglich. Bei Einbezug weiterer Leistungsbereiche sei sogar mit einem Einsparpotential von 200.000 Euro pro Jahr zu rechnen.

Kritik von ver.di

Die Gewerkschaft ver.di kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass die Stadt Brilon das Krankenhauspersonal durch die Ausgliederung nicht mehr nach dem Tarifvertrag des TVöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) bezahlen wird und fordert unter anderem, dass neu eingestellte Mitarbeiter nach dem TVöD bezahlt werden und bestehende Arbeitsverträge auch bei Übergang in die Servicegesellschaft unverändert bleiben.

Die Zergliederung erschwere zudem die Versorgungsqualität, wenn sich Beschäftigte in der Servicegesellschaft als Arbeitnehmer zweiter Klasse fühlen.

Das sagt der Bürgermeister

„ver.di stellt vieles unrichtig dar“, sagt Dr. Bartsch. Sparmaßnahmen sollen nicht auf Kosten der Mitarbeiter gehen. Tariflöhne würden weiterhin gezahlt. Auch die Annahme eines Qualitätsverlustes sei falsch sowie eine „Ausgliederung“ der Beschäftigten (Zitat in der Vorlage). „Mehrere Gespräche sind notwendig“, begründet der Bürgermeister die Vertagung der Entscheidung. Auch die Vorlage selbst habe für Missverständnisse gesorgt. Eine neue Vorlage soll mehr Klarheit geben.

Das sagen IHK und Handwerkskammer

Die Industrie- und Handelskammer Arnsberg stimmt dem Beteiligungsverfahren nicht zu, weil spätere Neuausschreibungen gegebenenfalls auch weitere Unternehmen der Reinigungs- und Servicebranche negativ berühren könnten.

Die Handwerkskammer Südwestfalen beschränkt sich in ihrer Stellungnahme auf die Gebäudedienstleistungen für Dritte. Sollten diese nicht für Dritte angeboten werden, stimme die Kammer zu.

Das sagt die Politik

Im Vorfeld der Ratssitzung hatte sich nur die BBL-Fraktion zu diesem Thema geäußert. Sie wies darauf hin, dass Umsatzsteuer und fremder Unternehmergewinn auch dann nicht anfielen, wenn die Arbeiten von Mitarbeitern des Krankenhauses selbst ausgeführt werden. Durch eine Tochtergesellschaft entstünden zunächst neue Kosten, unter anderem für die Gründung, Verwaltung und Buchhaltung. Und es würde eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Krankenhaus geschaffen, mit Stammbelegschaft einerseits und Mitarbeitenden der Servicegesellschaft andererseits. Der Mindestlohn im Gebäudereinigungshandwerk liege seit Jahresanfang bei 13,50 Euro, und die neue Servicegesellschaft beabsichtige laut Ankündigung in der Verwaltungsvorlage noch weniger zu zahlen.

Vom Klinikum Hochsauerland sei auch eine solche Servicegesellschaft gegründet worden, die aber erfolglos geblieben sei und deren Tätigkeit nach etwa zwei Jahren wieder eingestellt wurde.

Das sagt die Krankenhaus-Geschäftsführung

Krankenhausgeschäftsführer René Thiemann, selbst Mitglied der Gewerkschaft IG Metall, kritisiert, dass die Ratsvorlage nicht mit ihm abgestimmt wurde. Diese habe zu der allgemeinen Verunsicherung geführt. Er sagt, die Gründung einer Service GmbH solle dem Krankenhaus lediglich für die Zukunft die Möglichkeit eröffnen, Dienstleistungen, die heute bereits von externen Dienstleistern erbracht werden, näher an das Krankenhaus heranzuholen. Eine Ausgründung sei schlichtweg falsch. Man erwarte auch keinen Qualitätsverlust, sondern einen Qualitätsgewinn, da die Organisation, Planung und Abwicklung in Zukunft vom Krankenhaus organisiert werden könnte.

Die zukünftigen Mitarbeiter der Service GmbH würden nach den Tarifen des Handwerks bezahlt, die bereits heute für sie Geltung haben. Somit handele es sich nicht um eine „Tarifflucht“, wie ver.di das darstelle, sondern um eine „Tarifweiterführung“ für externe Kräfte. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits heute in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Krankenhaus stehen, werden nicht in eine Service GmbH ausgelagert“, unterstreicht Thiemann. Seine „Fantasien“ gingen nicht so weit, Kernbereiche wie „Pflege“ und „Labor“ in eine Service GmbH zu überführen. Das sei purer Blödsinn.

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