Berlin. Der Träger-Verband geht von 400 Millionen Euro Verlusten in diesem Jahr aus und rechnet wegen mangelnder Finanzhilfe mit Insolvenzen.

Berlins Krankenhäuser rutschen immer mehr in eine bedrohliche finanzielle Schieflage. Nicht nur die landeseigenen Konzerne Charité und Vivantes erwarten im laufenden Jahr hohe Defizite. Auch frei-gemeinnützige und private Kliniken schreiben rote Zahlen. Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), der Dachverband aller Häuser, erwartet bis zum Jahrsende ein Minus von 400 Millionen Euro. „Das betrifft alle Träger“, sagte BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner der Berliner Morgenpost.

Selbst bei früher stets solventen Unternehmen sei die Lage „sehr ernst“, heißt es. Insolvenzen werden befürchtet. Auch die Senatsgesundheitsverwaltung schließt nicht aus, dass Krankenhausträger pleite machen. Das sei aber nicht gleichbedeutend mit einer Schließung. Derzeit arbeiten in Berlin 87 Krankenhäuser, 53 Kliniken mit 23.000 Betten sind im Krankenhausplan des Landes aufgeführt.

Bundesweit ist die Liquidität jeder dritten Klinik im laufenden Jahr nicht gesichert

„Für einige Krankenhäuser wird es nicht mehr reichen“, so ein führender Klinikmanager. Besonders kleinere Kliniken ohne einen starken Träger im Rücken könnte es treffen. Bundesweit sind seit Jahresbeginn 2023 bereits 39 Krankenhäuser insolvent gegangen. Das Deutsche Krankenhausinstitut hat erhoben, dass jedes dritte Allgemeinkrankenhaus die eigene Liquidität bis zum Jahresende als nicht gesichert einschätzt. Jedes vierte Haus sieht ein konkretes Insolvenzrisiko bis Ende 2025.

Offen sprechen will kaum ein Manager über die prekäre Finanzlage. Sie fürchten, es werde noch schwieriger, Personal zu gewinnen und zu halten, wenn der Arbeitsplatz als unsicher gilt. In vielen Wirtschaftsplänen stecke deshalb „Zweckoptimismus“, man gehe unrealistischerweise von stabilen Kosten und Mehrarbeit des Personals aus.

Steigenden Kosten für Energie und Personal stehen konstante Erlöse gegenüber

Die gestiegenen Kosten für Energie und andere Güter sowie die deutlich erhöhten Tariflöhne für die Beschäftigten werden laut BKG bislang weder von den Krankenkassen noch von der öffentlichen Hand ausgeglichen. Die Betreiber fordern darum rückwirkend höhere Erlöse, die eine Erhöhung des sogenannten Landesbasisfallwertes um vier Prozent gewährleisten soll. Dieser Wert dient als Grundlage für die Bestimmung der Summen, die die Krankenhäuser von den Kassen für jede behandelte Krankheit oder Verletzung bekommen.

Ohne diese nachträgliche Korrektur würden Berlins Kliniken bei den Betriebskosten auf eine Lücke von 160 Millionen Euro zusteuern, rechnet der BKG-Chef vor, selbst wenn ab 2025 höhre Fallpauschalen vereinbart würden. Über drei Jahre gesehen würden so fast 500 Millionen Euro in den Kassen fehlen.

Krankenhausgesellschaft bitten Kai Wegner und Ina Czyborra um Unterstützung

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Liquiditätshilfen von sechs Milliarden Euro seien eine Mogelpackung. Das Geld sei den Krankenhäusern längst zugesagt, aber schlicht nicht ausgezahlt worden, schreibt die BKG in einem Brief an Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

Die Krankenhäuser beklagen sich bitterlich, wie die von Lauterbach angeschobene Krankenhausreform umgesetzt wird. Der lange Schwebezustand gefährde Zukunftsplanungen. Das Krankenhaustransparenzgesetz, das als erster Baustein der großen Veränderung gilt, bringe den Patienten wenig Zusatznutzen und sorge für weitere Bürokratie, heißt es.

Finanzusagen sind an Umsetzung der noch sehr unklaren Krankenhausreform gekoppelt

Zu dem Gesetz hat die Bundsregierung eine Protokollerklärung verfasst. Darin würden mit den Ländern im Vermittlungsverfahren verabredete Mechanismen zur Erlössteigerung für die Kliniken nicht umgesetzt, so die Kritik. Es bleibe bei „nebulösen Ankündigungen“, schreibt der BKG-Chef und fordert Czyborra und Wegner auf, das bei der Bundesratssitzung am 22. März zu verändern.

Aber nicht nur die Koppelung von Finanzzusagen an die Umsetzung der Krankenhausreform setzen die Kliniken unter Druck. „Wir haben doppelt so hohe Krankenstände wie vor Corona“, sagte Lutz Fritsche. Der Mediziner ist Vorstand der Johannesstift Diakonie, des größten gemeinnützigen Krankenhausträger der Stadt. In der Folge gingen auch Erlöse zurück. Denn alle Betreiber müssten immer wieder Betten stilllegen, weil das vorgeschriebene Pflegepersonal nicht vorhanden oder nicht einsatzfähig sei.

Krankenhausträger greifen Rücklagen an und verschieben Investitionen

In der Folge muss auch das Johannesstift an seine Rücklagen heran. Ivestitionen werden verschoben. So findet der Ausbau für die politisch gewünschten ambulanten Operationen nicht statt, Intensivstationen würden nicht modernisiert, weniger für die energetische Sanierung ausgegeben. „Wir halten das Geld zusammen, um im laufenden Geschäft klar zu kommen“, sagte Vorstand Fritsche.