Tirschenreuth
17.03.2024 - 15:44 Uhr

Betriebsrat rechnet bei Umsetzung der Klinik-Pläne auch mit Entlassungen

Die Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft ist im Landkreis Tirschenreuth weiter ein sehr emotionales Thema. Das wurde bei einer Informationsveranstaltung der Freien Wähler sehr deutlich. Manch einem standen die Tränen in den Augen.

Die Freien Wähler luden rund zwei Wochen vor der Umsetzung der angekündigten Neustrukturierung ins Sportheim des FC Tirschenreuth ein, um das Thema noch einmal von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Rund fünfzig Bürger, darunter auch der Tirschenreuther Bürgermeister Franz Stahl und einige Stadträte, kamen. Dabei gab es mehrfach Kritik an der Informationspolitik vonseiten der Politik und der Kliniken Nordoberpfalz (KNO), die viele als mangelhaft empfanden.

Heftig kritisiert wurde zum Beispiel, dass zu diesem Thema keine große Informations- oder Bürgerversammlung stattgefunden habe, wie man sie von anderen großen Projekten kenne. Der neue Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Schicker, sah in der Krankenhauspolitik auch das Ende der Rückkehrer-Kampagne des Landkreises: "Vergesst die Heimatrückkehrer, ohne Krankenhaus kommt keiner mehr zurück."

Manfred Zandt, Ortsvorsitzender der Freien Wähler, vermisste nach einem geschichtlichen Exkurs zum Tischenreuther Haus einen Schulterschluss der Politik auf Kreisebene. Zandt, der den Abend moderierte, meinte: "Wenn man junge Leute hier haben will, braucht man auch eine funktionierende Gesundheitsvorsorge." Hans Klupp, Fraktionssprecher der Freien Wähler im Kreistag, meinte, dass die Gesundheitsvorsorge großflächiger und regionaler aufgestellt werden müsse und erntete dabei einige Nein-Zwischenrufe. Der Kreistag habe wenig Einfluss, erklärte er. Der Kreistag habe nur beschlossen, die KNO finanziell zu unterstützen, weil diese in eine schwere finanzielle Krise geraten seien. Seit 2019 seien deutlich mehr als 100 Millionen Euro in die KNO investiert worden. Die erneute Unterstützung der KNO sei für alle Gebietskörperschaften ein riesiger Kraftakt: "Ein weiteres Mal können wir dies nicht mehr tun." Wichtig sei aber gewesen, eine drohende Insolvenz zu verhindern. Er halte das Konzept mit der Zusammenführung von Akut- und Reha-Geriatrie mit Innerer Station und ambulanter Chirurgie und mit angeschlossener kleiner Chirurgie-Station für durchaus zukunftsfähig. "Ein ,Weiter so wie bisher' wird es nicht geben", sagte er. Die Notfallversorgung werde schlechter, weil man eine Versorgung rund um die Uhr personell und finanziell nicht mehr stemmen könne.

Viel Zeit bleibt auf der Straße

Notarzt Dr. Hans-Jürgen Jokiel, ein Gegner der Reform, beklagte, dass es kaum noch Notfallmediziner gebe, weil die Anforderungen und Ansprüche, die gestellt würden, immer höher würden. Deutschland habe das zweitteuerste Gesundheitswesen der Welt, doch bei der Qualität befinde man sich nur im unteren Mittelfeld. In Deutschland sei eine Doppelstruktur mit Kliniken und Fachärzten aufgebaut worden, wobei die Fachärzte den Kliniken finanziell lukrative Patienten wegschnappten. Dr. Jokiel: "Das funktioniert so nicht!"

Heftig kritisierte er die Notfallversorgung in einem Flächenlandkreis wie Tirschenreuth. Was beim Rettungsdienst teilweise abgehe, sei abenteuerlich, man werde hin- und hergeschickt. Eigentlich wolle er keine Ängste schüren, aber "wir verlieren viel Zeit auf der Straße". Man stehe der Politik nicht feindlich gegenüber, "aber wir wollen, dass die Bürger gut versorgt sind". Deshalb könne er nicht verstehen, dass sich die Politik die 60 000 gesammelten Unterschriften gegen die Pläne der KNO nicht zu Herzen genommen habe. "Menschen, die an der Landesgrenze wohnen, können niemals innerhalb von 30 Minuten in der Notaufnahme sein. Statt Abhilfe zu schaffen, denke man darüber nach, die Hilfszeiten zu erhöhen. Schon ab dem 28. März könne wegen der Osterfeiertage die Notfallaufnahme in Tirschenreuth nicht mehr angefahren werden. Schlimm sei die Tatsache, dass das Personal dies alles aushalten müsse.

Betriebsrat äußert sich

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei den KNO, Roland Gleißner, äußerte Sorgen, dass bei der Verlegung der Geriatrie von Erbendorf nach Tirschenreuth "einige Mitarbeiter gehen werden". Das von der Umstrukturierung betroffene Personal von Tirschenreuth werde zu 90 Prozent nach Weiden wechseln, so seine Erkenntnis. Weil es in Tirschenreuth fast nur langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gebe, werde es auf dieser Seite wohl keine Kündigungen geben. Anders in Weiden, hier würden wohl Mitarbeitende, die noch nicht lange bei den KNO seien, eine Kündigung erhalten, auch aus der Verwaltung. In einer achtstündigen Sitzung sei mittlerweile ein Sozialplan erarbeitet worden, verriet er.

Großes Lob zollte er allen Mitarbeitern im Krankenhaus Tirschenreuth, die jahrelang auf Gehaltserhöhung verzichtet hätten, in der Hoffnung, dass der Standort Tirschenreuth erhalten bleibe. Gleißners abschließendes Resümee:, "Das Krankenhaus Tirschenreuth ist nach der Restrukturierung nur noch eine Karikatur von früher."

Bürgermeister Franz Stahl betonte dass ihm diese Maßnahme keinen Spaß bereite, dies gelte auch für die Sitzungen im Aufsichtsrat. Das Dilemma der Umstrukturierung treffe "nicht nur unsere Region, sondern ganz Deutschland". Das Thema medizinische Versorgung sei in den vergangenen Jahren verschlafen worden, deshalb nun dieses Dilemma, "aber wir versuchen alles zu retten, was zu retten ist", sagte der Bürgermeister.

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Tirschenreuth18.03.2024
 
 

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