Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 37/22 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Sectiobereitschaft

Verhandlungstermin 20.03.2024 12:00 Uhr

Terminvorschau

Universitätsklinikum H. ./. VIACTIV BKK
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Das klagende Universitätsklinikum führte im Jahr 2014 bei einer in der 37. Woche schwangeren Versicherten der beklagten Krankenkasse eine äußere Wendung bei Beckenendlage des Fötus durch. Dabei wird mittels äußerer Manipulation am Bauch der Schwangeren versucht, das ungeborene Kind in eine für eine vaginale Geburt günstigere Schädellage zu drehen. Die Versicherte wurde gegen 11 Uhr in das Universitätsklinikum aufgenommen und im Kreißsaal an ein Kardiotokographie(CTG)-Gerät angeschlossen. Unter wehenhemmender Medikation gelang die äußere Wendung des ungeborenen Kindes im zweiten Versuch. Nach erneuter CTG und Kontrolle der fetalen Herzfrequenz wurde die Versicherte sodann am frühen Nachmittag nach einem Aufenthalt von etwa vier Stunden aus dem Krankenhaus entlassen. Die Beklagte bezahlte zunächst die für eine vollstationäre Behandlung in Rechnung gestellte Vergütung von 612,91 Euro und verrechnete nach Durchführung eines Prüfverfahrens den gesamten Rechnungsbetrag mit einer unstreitigen Vergütungsforderung des Klägers. Es habe kein stationärer Behandlungsbedarf bestanden. Eine Einbindung auf die Station sei nicht erfolgt.

Das Sozialgericht hat der Klage auf Zahlung des streitigen Vergütungsbetrages nebst Zinsen und Aufwandspauschale stattgegeben. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Verweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts sowie seine eigene frühere Rechtsprechung ausgeführt, es habe eine erforderliche vollstationäre Behandlung stattgefunden. Die äußere Wendung bei Beckenendlage sei ein potentiell mit hohen Risiken behafteter Vorgang, der in niedergelassenen Arztpraxen aus diesem Grund nicht durchgeführt werde. Der Kläger habe während der äußeren Wendung eine Sectiobereitschaft dergestalt vorgehalten, dass sowohl in räumlicher als auch in personeller Hinsicht (Operationssaal, Gynäkologe, Anästhesist, nichtärztliches Personal) die entsprechenden Kapazitäten für die Versicherte geblockt gewesen seien.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 39, 107, 109 SGB V in Verbindung mit §§ 7, 9 Krankenhausentgeltgesetz.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 57 KR 2790/19 WA, 01.04.2021
Landessozialgericht Hamburg, L 1 KR 77/21, 22.09.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 9/24.

Terminbericht

Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Es steht nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe das klagende Universitätsklinikum einen Anspruch auf Vergütung für die Behandlung der Versicherten hat. Hiervon hängt auch der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Aufwandspauschale ab.

Auf der Grundlage der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat insbesondere nicht entscheiden, ob die Versicherte bei Vornahme der äußeren Wendung voll- oder teilstationär behandelt wurde. Diese wurde im Universitätsklinikum stationär aufgenommen und nicht lediglich ambulant behandelt. Sie hat die besonderen Mittel des Krankenhauses zwar nur für einen kurzen Zeitraum, aber in erheblichem Umfang in Anspruch genommen. Eine Inanspruchnahme der besonderen Mittel des Krankenhauses liegt auch dann vor, wenn diese während der ärztlichen Behandlung wegen des Risikos schwerwiegender Komplikationen für die Versicherte exklusiv vor- und freigehalten werden. Dies war hier der Fall. Der an den Kreißsaal angeschlossene Operationssaal samt bereitstehendem Operationsteam wurde exklusiv für die Versicherte geblockt. Für eine ambulante Erbringung der Leistung im Krankenhaus hätte zudem keine rechtlich zulässige Möglichkeit zur Verfügung gestanden. Die stationäre Behandlung war auch medizinisch erforderlich, um der schwangeren Versicherten eine risikoarme spontane vaginale Geburt in der hierfür günstigen Schädellage zu ermöglichen. Für die Durchführung der äußeren Wendung bedurfte es der besonderen Mittel des Krankenhauses, da es dem aktuellen Stand medizinischer Erkenntnisse entspricht, diese Behandlung wegen der damit einhergehenden lebensbedrohlichen Risiken nur in Sectiobereitschaft durchzuführen. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen voll- und teilstationärer Behandlung ist die zeitliche Behandlungsprognose zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung. Eine teilstationäre Behandlung liegt vor, wenn eine zeitliche Begrenzung der Krankenhausbehandlung auf eine Tages- oder Nachtbehandlung von vornherein entsprechend geplant wird oder der Behandlungsplan insoweit offen ist, als erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Fortsetzung der teilstationären Behandlung als vollstationäre Behandlung entschieden werden soll. Eine vollstationäre Behandlung liegt dagegen vor, wenn der Behandlungsplan von Anfang an eine Behandlung über Nacht vorsieht. Hierzu hat das Landessozialgericht keine Feststellungen getroffen.

Für den Fall, dass es sich um eine vollstationäre Behandlung handelte, sind vom Landessozialgericht auch noch Feststellungen dazu zu treffen, ob diese - etwa wegen drohender Spätkomplikationen oder fehlender Compliance der Versicherten - medizinisch erforderlich war, oder ob eine teilstationäre Behandlung ausreichend gewesen wäre. Für den Fall einer teilstationären Behandlung fehlen noch Feststellungen zum Bestehen eines entsprechenden Versorgungsauftrags der Klägerin und zur Höhe des Vergütungsanspruchs.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 9/24.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK