Lauterbach Besuch Campus Calw
Sommer 2023: Landrat Helmut Riegger erklärt Gesundheitsminister Karl Lauterbach den künftigen Gesundheitscampus Calw. Seither hat sich viel an den Plänen geändert.
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Zweiter Anlauf im Calwer Kreistag: Hart umkämpftes Ja zur Klinik-Fusion
  • Bruno Knöller

Kreis Calw. Endlich geschafft! Im zweiten Anlauf hat der Calwer Kreistag am Montagnachmittag noch einmal mehrheitlich der Medizinkonzeption 2030 sowie der Fusion der Klinikgesellschaften im Klinikverbund Südwest, also dem Zusammenschluss der Kreiskrankenhäuser Calw und Nagold mit den Kliniken im Kreis Böblingen, zugestimmt. Gegen das Medizinkonzept stimmten zwölf Kreisräte, gegen die Fusion elf Kreisräte: in beiden Fällen die AfD, mehrheitlich die FDP sowie einige wenige Vertreter der Freien Wähler und der CDU.

Die erneute Beratung war notwendig geworden, weil Kreisrat und Arzt Dr. Eberhard Bantel (Freie Wähler) vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Recht bekommen hatte, dass ihm sieben Tage Vorbereitungszeit, wie in der Geschäftsordnung des Kreistags festgelegt, zur Verfügung stehen müssen. Die umfangreichen Unterlagen waren für die Kreisräte im Dezember 2023 lediglich fünf Tage zuvor zugestellt worden (die PZ berichtete).

Vor rund 130 Zuhörern im Konsul-Niethammer-Kulturzentrum Zavelstein entwickelte sich auch diesmal wieder eine hart geführte, zum Teil emotionale dreieinhalbstündige Debatte mit 57 Wortmeldungen bei der es in den beiden Kernbeschlüssen nicht nur um die Fusion, sondern unter anderem auch um die künftige Ausrichtung der beiden Krankenhäuser des Landkreises Calw ging. Dabei ist vorgesehen, die Gynäkologie und Geburtshilfe voraussichtlich Ende dieses Jahres und die Neurologie in einigen Jahren von Calw nach Nagold zu verlagern. Dafür wird die Calwer Klinik in anderen Bereichen im neuen Gesundheitscampus auf dem Stammheimer Feld aufgewertet. Der Kreis Böblingen ist nach den Verschmelzungen mit 74,9 Prozent, der Kreis Calw mit 25,1 Prozent an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt.

In dieser zweiten Runde musste sich der Kreistag mit zehn weiteren Anträgen aus der Mitte des Gremiums befassen. So begehrte beispielsweise CDU-Kreisrat und Arzt Dr. Otakar Zoufaly, dass die Abteilungen Gynäkologie und Geburtshilfe statt nach Nagold in das Böblinger Kreiskrankenhaus nach Herrenberg verlegt werden. Außerdem wollte er, dass mindestens jedes vierte Jahr Calws Landrat als Aufsichtsratsvorsitzender agiert. Seine Arzt-Kollegen Dr. Eberhard Bantel und Professor Dr. Martin Handel (beide Freie Wähler) wollten erreichen, dass das Regierungspräsidium einen „angemessenen Einfluss des Landkreises auf die Gesellschaftsorgane und die Verlustabdeckungsvereinbarung“ durchsetzt. Auch weitere Anträge Bantels drehen sich um die Repräsentanz von Kreisvertretern in der neuen Gesellschaft.

Die AfD-Fraktion forderte gar „eine Aussetzung der Entscheidung zum Medizinkonzept 2030 und der Fusionsgespräche bis alle gestellten Fragen umfassend geklärt beziehungsweise gelöst sind“. All diese von der Verwaltungsposition abweichenden Anträge wurden mit großen Mehrheiten abgeschmettert.

Zusätzlich wurde sowohl von den Gegnern der Fusion als auch von der Landkreisverwaltung mit rechtlichen Gutachten starkes Geschütz aufgefahren.  Für die Rechtsanwälte der Kritiker steht in einer  fünfseitigen „Kurzstellungnahme“ fest: „Die Satzungsregelungen zum Verlustausgleich führen zu einem unkalkulierbaren Kostenrisiko für den Landkreis“, so das Büro Dr. Kroll und Partner.  Beanstandet wurde zudem, dass die Regelungen über den Aufsichtsrat die Interessen der Arbeitnehmer des Landkreises Calw nicht ausreichend berücksichtigen würden.

Die Replik der Stuttgarter Anwaltskanzlei Menold und Bezler sieht das Ganze völlig anders: „Die Stellungnahme enthält in weiten Teilen keine rechtlichen, sondern ausschließlich politisch motivierte Argumente. Die Stellungnahme enthält außerdem nicht im Ansatz ein geeignetes rechtliches Argument, das für die behauptete Nichtigkeit der Verlustausgleichsregelungen sprechen könnte.“

Landrat Helmut Riegger (CDU) legte sich in einer engagierten Grundsatzrede nochmals mächtig für die Konzeption ins Zeug. Für den Verlustausgleich von 14 Millionen Euro pro Jahr für die Kliniken in Calw und Nagold gab er „zum Teil“ die Schuld der Bundespolitik. Zur regionalen Debatte sagte er: „In Calw ist ein Gesundheitscampus im Bau mit deutschlandweitem Modellcharakter und hier wird alles schlecht gemacht.“ Er fügte hinzu: „Meinen Sie, die Kreisräte würden über 100 Millionen Euro für den Neubau investieren, um dann das Krankenhaus zuzumachen? Lassen Sie uns bitte mutig nach vorne blicken.“

CDU-Fraktionschef Jürgen Großmann befand: „Wenn wir nicht zur Veränderung bereit sind, werden wir auch das verlieren, was wir behalten wollen.“

Einen besonderen Aspekt beleuchtete Freie-Wähler-Sprecher Volker Schuler, indem er darauf hinwies, dass im Kreis Böblingen künftig keine Klinik mehr in Herrenberg vorhanden sein werde. „Kleinere Abteilungen in Kliniken sind nicht mehr finanzierbar“, steht für die SPD-Fraktionsvorsitzende und Ärztin Dr. Ursula Utters fest.  Johannes Schwarz von den Grünen bekannte, ein Freund der „Einhäusigkeit“ gewesen zu sein: „Aber es gab keinen topografisch und verkehrsgünstigen Standort zwischen Nagold und Calw.“ 

Günther Schöttle bat für die AfD um Zeitaufschub. Albrecht Joos (FDP) sagte, manche Veränderungen seien vielleicht das viele Geld nicht wert.

Dennoch: Der Weg für die Fusion und die Umsetzung der Konzeption dürfte frei sein — sollten nicht erneut Gerichte bemüht werden.

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