Es ist kein einfacher Morgen für die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP). Vor den Medien erläutert sie, warum das Spital Wetzikon leer ausgeht – trotz Hilferuf an den Kanton. Es ersuchte um ein Darlehen von 180 Millionen, die Regierung lehnt ab. «Das Spital Wetzikon ist nicht unverzichtbar», sagt Rickli. Andere Spitäler könnten die Leistungen ebenfalls erbringen, und Patienten könnten mit dem Privatverkehr innert 30 Minuten in die Notaufnahme eines anderen Spitals gelangen.
Noch habe das Spital Wetzikon die Chance, sich zu retten. Die Besitzer sind die Gemeinden, sie seien in der Verantwortung, nicht der Kanton. Noch funktioniere der Spitalbetrieb, doch selbst eine Schliessung wäre «verkraftbar», sagt Rickli im Gespräch mit CH Media.
Die Zürcher Regierung ebenfalls um Geld gebeten hat das Kinderspital Kispi. Hier springt der Kanton ein, unter Auflagen. Und zwar mit 100 Millionen als verzinsliches Darlehen, das innert 25 Jahren amortisiert werden muss. Ricklis Begründung: «Das Kispi ist systemrelevant.»
Mit jährlich rund 8000 stationären Fällen behandelt das Kispi rund die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen im Kanton Zürich. Zudem ist es hochspezialisiert und dadurch auch für andere Deutschschweizer Kantone wichtig.
Viele Spitäler schreiben rote Zahlen. Die Berner Insel Gruppe etwa vermeldete für letztes Jahr stolze 113 Millionen Franken Verlust. Zürich ist denn auch nicht der erste Kanton, der eingreift: Der Aargau musste letztes Jahr das Kantonsspital Aarau mit einer Finanzspritze in der Höhe von 240 Millionen Franken retten, der Kanton St.Gallen griff den Spitälern 2022 mit 163 Millionen unter die Arme. Und die Berner Regierung kündigte soeben an, dass sie einen 100 Millionen Franken schweren Sicherheitsschirm für die Spitäler aufspannen will.
Kurz: Es brennt an vielen Ecken. «Dieses Jahr werden die meisten Kantons- und Zentrumsspitäler in finanzielle Nöte kommen», prognostizierte Hugo Keune, CEO des Kantonsspitals Chur, kürzlich in der «Sonntags-Zeitung».
Das hat mehrere Gründe. Die Teuerung treibt die Kosten für die Spitäler in die Höhe. Auch die Personalkosten steigen, nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels. Laut einer PwC-Studie wuchs der Personal- und Sachaufwand der Akutspitäler 2022 um 4 Prozent.
Zudem ist das veraltete Tarifsystem Tarmed insbesondere im spitalambulanten Bereich nicht kostendeckend. «Das ist bei einer zunehmenden Verlagerung hin zu ambulanten Behandlungen ein sich zuspitzendes Problem», erklärt Tobias Bär, Sprecher der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK).
Betroffen sind nicht alle Spitäler gleichermassen. Laut einer Analyse der KPMG ist die sogenannte Ebitda-Marge bei Allgemeinspitälern besonders tief. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Die Einnahmen decken die Kosten im Schnitt nur knapp, der Spielraum für Investitionen ist klein. Besser sieht es bei Spezialkliniken aus.
Der Spitalverband H+ fordert eine «umgehende Tariferhöhung von 5 Prozent». Die Spitäler sollen also für ihre Leistungen mehr Geld erhalten. In den kommenden vier Jahren müssten die Tarife um insgesamt 15 Prozent angehoben werden, verlangt H+. Zudem soll die Teuerung in Zukunft in die Tarife miteinfliessen.
Letzteres wird auch von der Gesundheitsdirektorenkonferenz gefordert. Eine Verbesserung brächte laut ihr zudem die Ablösung der veralteten Tarifstruktur Tarmed. Auch die Reform EFAS ist nach Ansicht der Zürcher Gesundheitsdirektorin Rickli wichtig. Dazu später mehr. Die Krux dabei: Eine Tariferhöhung, wie sie H+ fordert, würde zu steigenden Kosten führen - auch für die Prämienzahlenden.
Der Krankenkassenverband Santésuisse sieht die Sache ganz anders als der Spitalverband. Tarifsuisse habe für das Kispi «in den vergangenen Jahren wiederholt höhere Tarife» vereinbart, schreibt Santésuisse. Es komme zudem der Verdacht auf, dass sich diverse Spitäler «mit gross angelegten Investitionen etwa in Form von teuren Neubauten» finanziell übernommen hätten. «Es darf nicht sein, dass Kosten für Prestigebauten sowie die übermässig fragmentierte Spitallandschaft durch die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler getragen werden müssen.»
Weil der Tarif veraltet ist, werden gewisse Leistungen überbezahlt, andere hingegen zu wenig gut entgolten. Seit Jahren wird um eine Reform gerungen. Nun liegen zwei Lösungen auf dem Tisch, die sich ergänzen sollen: der Tardoc und ein System mit ambulanten Pauschalen. Derzeit prüft der Bund die beiden Gesuche. Ziel sei, dass der Bundesrat so rasch wie möglich die nächsten Schritte entscheiden könne, heisst es beim Bundesamt für Gesundheit.
Die Gesundheitsreform mit dem Kürzel EFAS ist eine der wichtigsten der letzten Jahre. Ambulante und stationäre Leistungen sollen künftig einheitlich finanziert werden. Heute werden stationäre Behandlungen – also mit Spitalübernachtung – von Krankenkassen und Kantonen gemeinsam finanziert, ambulante Leistungen zu 100 Prozent von den Krankenkassen. Das führt zu Fehlanreizen. Das Parlament hat die Reform nach jahrelangem Hin und Her Ende 2023 verabschiedet. Allerdings gibt es Widerstand: Die Gewerkschaft VPOD sammelt derzeit Unterschriften für ein Referendum. (aargauerzeitung.ch)
Heute müssen die Spitäler den Shareholders Profit einbringen.
Kann das gut gehen?