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Klinikum Fichtelgebirge führt digitale Patientenakte ein

Klinikum Fichtelgebirge führt digitale Patientenakte ein (Pressemitteilung).



Am Klinikum Fichtelgebirge wird derzeit an beiden Standorten die digitale Patientenakte eingeführt. Patienten und Angehörige äußern die Sorge, dass das Pflegepersonal neuerdings auf Tablets „spielt“. Die neue Akte bringt jedoch viele Vorteile mit sich. Marktredwitz, 03. Juli 2019

Bis Mitte 2019 sollen am Klinikum Fichtelgebirge an beiden Standorten digitale
Visitenwagen und Tablets zum Einsatz kommen. Ziel der Digitalisierungsstrategie
ist die mobile Patientenakte. Papier hat dann ausgedient.

Wenn Schwester Ramona Pietsch auf der Station »S-03« des Klinikums am Standort
Selb morgens früh bei den Patienten Puls, Blutdruck und Temperatur misst, dann
vermerkt sie die Ergebnisse nun in ihrem handlichen Tablet-Rechner. »Früher
hatten wir viel mehr Papierkram«, ist sie froh über die neue Art der
Datenerfassung.

Dennoch sorgt die neue Technik auch für Aufsehen. An die Klinikleitung wurde
die Sorge herangetragen, dass das Personal im Stationsstützpunkt vermeintlich
an Tablets spielt: „Das hat uns natürlich überrascht und wir sehen uns hier in
der Pflicht aufzuklären. Unsere Patienten müssen sich noch an den neuen Anblick
des „tippenden“ Personals gewöhnen“ sagt Manuel Schaumberger. Der gelernte
Krankenpfleger und studierte Pflegemanager ist Projektleiter für die Einführung
der digitalen Akte. Er arbeitet eng mit Ralf Kohler, Administrator für
klinische Anwendungen in der IT-Abteilung des Klinikums zusammen, der die
EDV-Projektleitung innehat.

Die »S-03« ist eine von 10 Stationen des Klinikums an beiden Standorten in
Marktredwitz und Selb, auf denen die neue Technologie zurzeit eingeführt wird.
Die von Schwester Ramona Pietsch aufgenommenen Werte fließen ein in die mobile
elektronische Patientenakte. »Alle Patientendaten sind sofort und überall
verfügbar – das ist unser Ziel«, so Manuel Schaumberger. Das Projektteam hat
sich im Vorfeld der Entscheidung für einen Anbieter verschiedene Systeme
angeschaut und hospitierte in Eichstätt und Erding. „Das System von Advanova
hat uns schließlich überzeugt und erscheint uns auch am anwenderfreundlichsten.
Die bisherigen Erfahrungen bestätigen diese Einschätzung.“

„Bisher setzen weniger als 20% der deutschen Kliniken eine elektronische Kurve
ein“ beschreibt Thomas Schels, Projektmanager bei Advanova aus Erlangen die
derzeitige Situation in den deutschen Krankenhäusern.
„An einigen Krankenhäusern läuft auch ein Testbetrieb mit einzelnen Stationen.“
Die Bundesregierung plant, dass die elektronische Akte bis März 2021 Pflicht
für alle Krankenhäuser wird.

Für die komplette Umstellung auf die »digitale Akte« waren im Klinikum gut zwei
Jahre angesetzt. In das Projekt investiert das Klinikum allein 280.000 Euro für
die benötigte Software. Hinzu kommen die Kosten für die Hardware wie Tablets,
Visitenwagen und zukünftig auch die Kosten für neue Akkus und
Ersatzbeschaffungen. Ein solches Tablet im täglichen Einsatz hat eine
Lebenszeit von lediglich 3-4 Jahren. Dies alles finanziert das Klinikum bisher
aus eigenen Mitteln und den pauschalen Fördermitteln die jedes Krankenhaus im
Freistaat für Investitionen in die gesamte Krankenhaus-Infrastruktur erhält.

Der von der Bundesregierung geforderten Digitalisierungsoffensive der
Krankenhäuser steht bisher kein eigener Fördertopf gegenüber. Geschäftsführer
Martin Schmid , der auch gleichzeitig Vorsitzender des Arbeitskreises
Oberfränkischer Krankenhausdirektoren ist, hat deshalb im Frühjahr einen Brief
an Melanie Huml, bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege,
geschrieben.
Der Inhalt wird auch vom bayerischen Städtetag, dem Landkreistag, der
Klinik-Kompetenz-Bayern (Genossenschaft kommunaler und freigemeinnütziger
Kliniken) und der BKG (Bayerische Krankenhausgesellschaft) mitgetragen.

Im Brief weist er daraufhin, dass neben der digitalen Patientenakte weitere
Projekte wie die mobile Visite, digitale Archivierung und die digitale
Rechnungsbearbeitung von den Krankenhäusern in den nächsten Monaten umgesetzt
werden sollen.
Er fordert: „Nachdem nun auch Innenminister Herrmann für die Polizei eine
Digitalisierungsoffensive in Höhe von 125 Mio. Euro zur Verfügung stellt, der
Freistaat vom Bund 700 Mio. Euro für die Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben
an den Schulen erhält, muss schnellstmöglich ein eigener Fördertopf für die
Digitalisierung der Krankenhäuser her. Es kann nicht sein, dass diejenigen
Einrichtungen, die an vorderster Stelle für die Daseinsvorsorge und
Versorgungssicherheit im Lande stehen und von denen die Umsetzung der
Digitalisierung zwingend eingefordert wird, Benachteiligungen erfahren. Die
jährliche pauschale Förderung beträgt 1,6 Million für unser Klinikum. Davon ist
für die IT in diesem Jahr eine Million geblockt.“ Die Antwort auf das Schreiben
erhielt das Klinikum Fichtelgebirge im Juni. Demnach sind die
Pauschalfördermittel bereits im letzten Jahr angehoben worden. Allen über 400
bayerischen Kliniken stehen damit also derzeit 270 Millionen Euro
Pauschalförderung zur Verfügung. Das Ministerium verspricht, dass der
Krankenhausfinanzierungsetat über die gesamte Legislaturperiode auf einem hohen
Niveau fortgeführt werden soll. Martin Schmid und seine Mitstreiter vom
Arbeitskreis Oberfränkischer Krankenhausdirektoren werden das Thema
weiterverfolgen.

Der digitale Visitenwagen

Neben den Tablets sind die digitalen Visitenwagen auf den Stationen des
Klinikum Fichtelgebirge augenfällige Zeichen der Veränderung. Sie sind im
Prinzip Rechner und Bildschirm auf Rollen. Die Stromversorgung läuft über
Akkus. Ob es sich um die Krankengeschichte, dringend benötigte Laborwerte oder
angeforderte Röntgenbilder handelt – die neuen Visitenwagen sind in der Lage,
Ärzten und Pflegpersonal die für die Behandlung des Patienten notwendigen
Informationen umgehend zur Verfügung zu stellen. »Mit WLAN kein Problem«, sagt
IT-Projektleiter Ralf Kohler. „Auch externe Partner werden an die digitale Akte
angebunden, wie das Klinikum Bayreuth mit dem Herzkatheterlabor, die
Dialysepraxis im benachbarten Ärztehaus oder Kooperationsärzte wie den
Orthopäden Dr. Heino Arnold oder die Praxis Koch, Beer, Lowies, Hoffmann.

Wenn sich Chefarzt, Ober- und Assistenzärzte nun zur täglichen Visite
aufmachen, dann können auch bei dieser Gelegenheit Patientendaten schnell und
einfach erfasst werden, und zwar direkt am Bett des Patienten. Ein
nachträgliches Umtragen medizinischer Daten ist nicht mehr erforderlich. »So
wird auch das Risiko von Übertragungsfehlern ausgeschlossen«, erläutert
Schaumberger. Über das hausinterne Datennetz sind die eingetragenen Daten
sofort jeder Pflegefachkraft und jedem Arzt zugänglich. Früher gehörte die
Suche nach der Akte zum Arbeitsalltag des Klinikpersonals, denn die Akte war
mit dem Patient „unterwegs“. Die Einträge wurden zum Teil später nachgeholt und
daher war sie auch nie so aktuell, wie es die digitale Akte nun ist. Zusätzlich
sind nun alle Daten gleichzeitig für alle Beteiligten verfügbar und der
Papierverbrauch wird auch reduziert.

Bevor die neue Technik zum Einsatz kommt, werden alle Mitarbeiter geschult.
Schaumberger und Kohler berichten übereinstimmend, dass auf mancher Station,
auf der die mobile Patientenakte eingeführt werden soll, zunächst auch
Vorbehalte gegenüber der neuen Technik abgebaut werden müssten. »Doch nach
gewisser Zeit erkennen die Nutzer die Vorteile«, sagt Schaumberger.

Ein komplettes »Patienten-Tagebuch«

Einer dieser Vorteile ist ein komplettes »Patienten-Tagebuch«. Alle Daten sind
zentral an einer Stelle zusammengefasst, alles ist dokumentiert von der
Dosierung der verabreichten Medikamente, über die Pflegedokumentation bis hin
zu durchgeführten und anstehenden Untersuchungen. Und muss dieser Patient nach
einer Weile doch wieder ins Krankenhaus zurückkehren, dann hilft die digitale
Akte ein weiteres Mal: schnell kann eingesehen werden, welche Diagnosen,
Allergien, Medikamente oder Therapien vorausgegangen waren.

Besteht nicht die Gefahr eines allzu gläsernen Patienten? »Für den Umgang mit
den erfassten Daten gibt es strenge Auflagen«, betont Datenschützerin Jessica
Zeidler. Eines taugt nun nicht mehr als Ausrede, wenn etwas nicht geklappt hat:
die unleserliche Handschrift, »Markenzeichen« vieler Ärzte.

Quelle: Pressemitteilung, 03.07.2019

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