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Gesetzentwurf für Reform der Notfallversorgung gefährdet die neurologische Notfallmedizin

Gesetzentwurf für Reform der Notfallversorgung gefährdet die neurologische Notfallmedizin (Deutsche Gesellschaft für Neurologie).



Der Referentenentwurf für die Neufassung des Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung weist nach Ansicht der DGN erhebliche Mängel auf. Sie sieht darin eine Gefährdung der Qualität und Leistungsfähigkeit der neurologischen Notfallversorgung. Es muss bezweifelt werden, dass die vorgesehene
strukturierte Ersteinschätzung in Notfallleitstellen der Komplexität
neurologischer Notfallsymptome gerecht wird: Die Rate an Fehleinschätzungen
nach Erstevaluation ist bei neurologischen Notfällen bekanntermaßen hoch.

Die DGN kritisiert auch das Vorhaben, die Leitung von Notfallzentren in den
Kliniken den kassenärztlichen Vereinigungen zu übertragen, anstatt in den
erfahrenen Händen der Krankenhäuser zu belassen. Das eigentliche Problem, die
Überlastung der Notfallstationen, lässt sich nicht durch Verschiebung von
Verantwortlichkeiten lösen, sondern durch eine bessere personelle und
finanzielle Ausstattung der Notfallzentren.

Pressemitteilung zum Download

Am 8. Januar ist vom Bundesgesundheitsministerium der Referentenentwurf für die
Neufassung des Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung vorgestellt worden.
Als Ziele der Reform wurden die Etablierung eines neuen Systems der
integrierten Notfallversorgung und eine Entlastung der Rettungsdienste
formuliert. Zur Steigerung der Effizienz der Notfallversorgung, so die Präambel
des Gesetzentwurfs, sollen „die bisher weitgehend getrennt organisierten
Versorgungsbereiche der ambulanten, stationären und Rettungsdienstlichen
Notfallversorgung zu einem System der integrierten Versorgung“ weiterentwickelt
werden. Der Entwurf basiere im Wesentlichen auf den Vorschlägen des Gutachtens
des Sachverständigenrates des Jahres 2018. Um die genannten Ziele zu erreichen,
solle zum ersten ein gemeinsames Notfallleitsystem (GNL) etabliert werden, das
die bisherigen Notrufnummern 112 und 116/117 mit Einrichtung eines
qualifizierten Ersteinschätzungsverfahrens zusammenführen soll. Zum zweiten
sollen integrierte Notfallzentren (INZ) an ausgewählten Krankenhäusern
etabliert werden, die gemeinsam von Kassenärzten und dem Krankenhaus betrieben
werden, jedoch unter fachlicher Leitung der kassenärztlichen Vereinigung stehen
sollen. Als dritte Säule der Reform soll der Rettungsdienst als eigenständiger
Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung geführt werden.

Die Deutschen Gesellschaft für Neurologie sieht ohne Zweifel Bedarf, die
Strukturen und die Finanzierung der Notfallversorgung zu reformieren. Obwohl
die Intention des Gesetzesentwurfs in die richtige Richtung weist, verfehlen
jedoch die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Lösungen im Detail dieses Ziel
jedoch und bergen die Gefahr, die Qualität und Leistungsfähigkeit der
Notfallversorgung letztlich zu verschlechtern.

Das Eingangskriterium einer strukturierten Ersteinschätzung mag für viele nicht
bedrohliche Erkrankungen durchaus ein geeignetes Instrument sein. Dies gilt
jedoch nicht für die neurologische Notfallversorgung. Die wissenschaftliche
Datenlage zeigt klar, dass die Rate der Fehleinschätzungen bei der ersten
Evaluation eines Notfalls bei neurologischen Symptomen am höchsten ist.
Gleichzeitig handelt es sich bei vielen neurologischen Notfällen um
schwerwiegende Erkrankungen, bei denen eine zeitkritische und zielgerichtete
Therapie von entscheidender Bedeutung für den Behandlungserfolg ist. Dies gilt
nicht nur für die Behandlung von Schlaganfällen, sondern auch für viele andere
neurologische Erkrankungen wie Meningitiden oder Anfallserkrankungen.

Die Vorstellung, dass die fachliche Leitung der in ausgewählten Krankenhäusern
angesiedelten integrierten Notfallzentren durch die kassenärztliche Vereinigung
zu erfolgen habe, ist nicht nachvollziehbar. Ein Grund für die erheblich
zunehmende Inanspruchnahme der Notaufnahmen in der Vergangenheit war die
unzureichende Verfügbarkeit des kassenärztlichen Notfalldienstes. Die
bisherigen Entwicklungen geben keinerlei Anlass zur Hoffnung, dass die
Leistungsfähigkeit der kassenärztlichen Notfallversorgung durch ihre
„Umsiedelung“ in die Krankenhäuser im Rahmen der Änderung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen gesteigert werden kann. Vielmehr ist zu befürchten, dass die
vorgesehenen Strukturen zu Mehrfachuntersuchungen führen und neben einer
Verschlechterung der medizinischen Versorgungsqualität auch vermeidbare,
haftungsrelevante Fragen für die weiterbehandelnden (neurologischen)
Krankenhausärzte aufwerfen können.

Dem Rettungsdienst die Pflicht aufzuerlegen, die bekannt schwierige Triagierung
bei der Notfallversorgung vorzunehmen und den Patienten in die jeweils
mutmaßlich geeignete Struktur zu verbringen, ist aus Sicht der neurologischen
Notfallversorgung kontraproduktiv. Die zuverlässige Beurteilung neurologischer
Notfallsymptome erfordert neben neurologischer Expertise auch die entsprechende
Infrastruktur. Auch bei größten Bemühungen des Rettungsdienstes werden bei der
Bewertung neurologischer Notfallsymptome Fehlallokationen kaum vermeidbar sein.
Anstatt einer Entlastung der Rettungsdienste ist daher wahrscheinlich, dass die
vorgesehenen Regelungen zu einer vermehrten Inanspruchnahme führen, da in
Anbetracht der Komplexität neurologischer Notfalldiagnostik und -therapie
sekundäre Transporte zwischen den verschiedenen ambulanten und stationären
Versorgungsstrukturen zu erwarten sind. Zeitliche Verzögerungen jedoch
gefährden den Behandlungserfolg und sind ökonomisch im Sinne einer effizienten
Ressourcenallokation kontraproduktiv.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie fordert daher weitreichende
Korrekturen an dem Gesetzentwurf, um die Qualität und Leistungsfähigkeit der
neurologischen Notfallversorgung in Deutschland nicht zu gefährden und eine den
Entwicklungen angemessene Reform der Notfallversorgung auf den Weg zu bringen:

Allgemein spricht sich die Deutsche Gesellschaft für Neurologie dafür aus, die
Organisation des Rettungsdienstes beizubehalten und die Leitung der INZ im
Wesentlichen den Kliniken zu überlassen - gerne unter Einbeziehung der
KV-Ärzte. Ein „Outsourcen“ der Leitung von Notfallzentren an die
kassenärztliche Vereinigung erscheint unsinnig, zumal diese weder zur
Primäraufgabe der KVen gehört (Sicherstellung der flächendeckenden ambulanten
ärztlichen, psychotherapeutischen und zahnärztlichen Versorgung), noch
strukturell und personell von den KVen geleistet werden kann. Das eigentliche
Problem, die Überlastung der Notfallstationen, lässt sich nicht durch
Verschiebung von Verantwortlichkeiten lösen, sondern einzig und allein durch
eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Notfallzentren. Nur so
könne man, um ein Wording des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn [1]
aufzugreifen, die Probleme im Notdienst „an der Wurzel“ packen.
Außerdem fordert die DGN, bei der Etablierung einer strukturierten
Ersteinschätzung in den Notfallleitstellen neurologische Expertise
einzubeziehen.
Prof. Dr. Helge Topka, München

Vorsitzender der DGN-Kommission Neurologische Notfallmedizin

Prof. Dr. Frank Erbguth, Nürnberg

Vorsitzender der DGN-Kommission Leitender Krankenhausneurologen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen
Verantwortung, mit ihren über 10.000 Mitgliedern die neurologische
Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft
und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie
beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr
1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 16.01.2020

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