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Reha-Loch: Unfallchirurgen setzen sich für Langzeitbetreuung von Schwerverletzten ein

Reha-Loch: Unfallchirurgen setzen sich für Langzeitbetreuung von Schwerverletzten ein (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)).



Viele schwer verletzte Patienten fallen in das sogenannte Reha-Loch. Nach ihrer Akutbehandlung im Krankenhaus bleibt die danach zwingend erforderliche Rehabilitation aus. Sie sind schlichtweg noch zu krank, um die strengen
Vorgaben der Deutschen Rentenversicherung zur Rehabilitationsfähigkeit zu
erfüllen. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt landen deshalb viele zu Hause oder
in der Kurzzeitpflege. „Damit entsteht eine Phase des Stillstandes, die den
Unfallverletzten in seinem langen Genesungsprozess zurückwirft“, kritisiert
Prof. Dr. Michael J. Raschke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Unfallchirurgie (DGU) und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster die derzeit
unzureichenden Strukturen in der Traumarehabilitation. Es sei aber eine
nahtlose Weiterversorgung nötig. Daher hat die DGU ein neues Konzept
entwickelt, um das Reha-Loch zu schließen. Die speziell auf die Bedürfnisse von
Schwerverletzten zugeschnitten Rehabilitationsempfehlungen sind jetzt in der
neuen, erweiterten 3. Auflage des Weißbuchs Schwerverletztenversorgung
erschienen.

„Nicht rehafähig“: So lautet die Beurteilung vieler Schwerverletzter nach ihrer
Krankenhausbehandlung. Eine Auswertung aus dem TraumaRegister DGU® zeigt, dass
über 60 Prozent der Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt nach Hause
entlassen werden. „Die häusliche Pflege oder Kurzzeitpflege ist für die
Fortsetzung der Akutbehandlung nicht geeignet“, kritisiert Raschke. Die
Rehabilitationsvorgaben erfüllen nur etwa 15 Prozent der Patienten. Dazu zählt
beispielsweise, dass sich die Unfallverletzten ohne fremde Hilfe anziehen und
essen können.

Bei vielen Schwerverletzten liegt jedoch ein sogenanntes Polytrauma vor: Sie
sind an mehreren Körperstellen gleichzeitig verletzt, etwa durch schwere
Knochenbrüche, mindestens eine Verletzung davon oder die Kombination mehrerer
war lebensgefährlich. Diese Mehrfachverletzungen gehen mit langwierigen
Heilverläufen einher. Das erschwert in der ersten Zeit nach dem Unfall die
Selbstständigkeit der Patienten, sie sind lange auf fremde Hilfe angewiesen.
Immer wieder müssen sie nachoperiert werden und kämpfen auch mit
psychologischen Folgen. So können sie die Reha-Vorgaben oft erst nach drei bis
sechs Monaten erfüllen.

„Die Rehabilitation nach Polytrauma ist ein komplexer Prozess, der nicht mit
der Nachbehandlung nach einem künstlichen Knie- oder Hüftgelenk zu vergleichen
ist“, sagt DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Dietmar Pennig. Daher müssten hier
andere Kriterien gelten, die trotz Therapie- und Pflegebedürftigkeit eine
möglichst früh einsetzende und nahtlose Rehabilitation ohne größere
Unterbrechung ermöglichen. Denn setzen rehabilitative Bemühungen zu spät ein,
verschlechtert sich die Chance, dass der Patient in ein möglichst
selbstbestimmtes Leben mit hoher Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit im
Beruf zurückkehren kann.

Um die lückenlose Langzeitbetreuung zu verbessern, hat die DGU im Rahmen der
Überarbeitung des Weißbuches Schwerverletztenversorgung das Phasenmodell
Traumarehabilitation entwickelt. Zusätzliche Schritte in der Behandlungskette
schließen die Lücke zwischen der Akutbehandlung im Krankenhaus und der
klassischen Rehabilitation. „Das neue Phasenmodell ermöglicht eine frühe
Rehabilitation, auch wenn der Patient intensiv therapiert und gepflegt werden
muss“, sagt Dr. Stefan Simmel vom Arbeitskreis Traumarehabilitation der
Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Zudem sieht
es eine Langzeitbetreuung noch viele Jahre nach dem Unfall vor. „Die Patienten
brauchen bei Problemen, mit denen sie oft lebenslang zu kämpfen haben,
jederzeit eine Anlaufstelle, die sich mit ihrem langwierigen Genesungsprozess
auskennt und schnell helfen kann“, sagt Simmel.

Nach Plänen der DGU soll das neue Phasenmodell Traumarehabilitation für schwer
betroffene Patienten schnellstmöglich implementiert werden. „Das ist jedoch
nicht nur eine medizinische, sondern vor allem auch eine politische Aufgabe“,
betont Pennig. Daher sei die DGU schon länger im Gespräch mit verschiedenen
Kostenträgern, um das Reha-Loch in der Schwerverletztenversorgung zu
schließen.

„Die Versorgung darf nicht an der Klinikpforte des Traumazentrums enden. Daher
ist für uns die Frage ‚In welcher Qualität kann der Patient sein altes Leben
führen?‘ immer wichtiger geworden“, betont Prof. Dr. Bertil Bouillon, einer der
Autoren des Weißbuches Schwerverletztenversorgung. Das 2006 erstmals
erschienene 40-seitige Werk enthält Empfehlungen, wie eine Klinik ausgestattet
sein muss, um die bestmöglichen Überlebenschancen für Schwerverletzte zu
bieten: Dazu zählt beispielsweise die Qualifikation des Personals, die
Ausstattung mit diagnostischen Geräten und standardisierte
Diagnose-Behandlungsabläufe.

Diese Vorgaben erfüllen derzeit über 700 Traumazentren. Sie beteiligen sich an
der Initiative TraumaNetzwerk DGU® und sind deutschlandweit in über 50
regionalen TraumaNetzwerken zusammengeschlossen. Damit ist es der DGU innerhalb
von 10 Jahren gelungen, dass die deutsche Unfallchirurgie flächendeckend, 365
Tage im Jahr, rund um die Uhr eine leistungsstarke Akutversorgung
Schwerverletzter bietet. „Die Überlebenschancen sind in den letzten Jahren
deutlich besser geworden“, sagt Bouillon. Nun wolle man daran arbeiten, die
Lebensqualität nach dem Unfall weiter zu verbessern. Ziel sei es daher,
spezialisierte Rehabilitationskliniken in die TraumaNetzwerk-Struktur zu
integrieren – vom TraumaNetzwerk zum Rehabilitationsnetzwerk.

Referenzen:
Weißbuch Schwerverletztenversorgung (3. erweiterte Auflage, 2019)

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), 03.07.2020

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