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Qualitätsmonitor 2020: Über ein Viertel weniger Herzinfarktpatienten im ersten Lockdown

Qualitätsmonitor 2020: Über ein Viertel weniger Herzinfarktpatienten im ersten Lockdown (Pressemitteilung, PDF, 21 MB).



Qualitätsmonitor 2020: Keine Hinweise auf verminderte Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr. Berlin. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat die Fallzahl-Rückgänge bei Notfällen von AOK-Versicherten in der ersten Lockdown-Phase genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse dieser Analyse
sind heute im „Qualitätsmonitor 2020“ veröffentlicht worden. Die Auswertung der
Krankenhaus-Abrechnungsdaten bestätigt den bereits bekannten Befund, dass in
den deutschen Kliniken von Mitte März bis Anfang April im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum sehr viel weniger Herzinfarktpatienten (minus 28 Prozent) und
Schlaganfallpatienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung (minus 15 Prozent)
behandelt worden sind. Bei der geringeren Zahl von Schlaganfall-Patienten, die
in den Kliniken ankamen, zeigt sich eine gegenüber dem Vorjahr signifikant
erhöhte Sterblichkeitsrate: Die 30-Tage-Sterblichkeit stieg von zwölf Prozent
im Frühjahr 2019 auf 15 Prozent in diesem Frühjahr. „Wir sehen bei diesen
Patienten nicht nur einen Anstieg des relativen Anteils der Todesfälle, auch
die absolute Zahl der verstorbenen AOK-Patienten ist gegenüber dem
Vergleichszeitraum 2019 gestiegen – und das, obwohl weniger Patienten in den
Kliniken angekommen sind“, berichtet Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WIdO.
Zugleich hat die Analyse ergeben, dass wichtige Prozesse zur Behandlung von
Notfällen im Frühjahr teilweise sogar schneller und glatter gelaufen sind als
im Jahr zuvor. Allerdings sind auch in der Pandemie-Phase Notfälle in nicht
adäquat ausgestattete Kliniken eingeliefert worden.
Bereits im Juni hatte das WIdO über alarmierende Rückgange von Herzinfarkt- und
Schlaganfall-Patienten während der ersten Lockdown-Phase berichtet. Die
aktuellen Auswertungen von rund 7.700 Herzinfarkt- und fast 14.000
Schlaganfall-Fällen in 2019 und 2020 bestätigen nun: Im Frühjahr 2020 ist
insbesondere die Zahl von Notfall-Patienten mit leichten oder unspezifischen
Symptomen zurückgegangen. So wurden wegen einer transitorisch ischämischen
Attacke (TIA), bei der es für höchstens 24 Stunden zu Schlaganfall-Symptomen
kommt, 35 Prozent weniger Patienten behandelt als im Vorjahr. Demgegenüber
gingen die Behandlungen schwerer, durch Hirninfarkt oder Hirnblutung
ausgelöster Schlaganfälle im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zurück.

Besonders starker Fallzahl-Rückgang bei Notfällen mit leichteren Symptomen
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Herzinfarkt. Die Zahl der Behandlungen von
schweren Herzinfarkten mit komplettem Verschluss eines großen Herzkranzgefäßes
und charakteristischen EKG-Veränderungen (STEMI) ist im Vergleich zum
entsprechenden Vorjahreszeitraum um 24 Prozent zurückgegangen. Stärker
ausgeprägt war der Rückgang mit minus 29 Prozent bei sogenannten NSTEMI, also
leichteren Herzinfarkten, bei denen die Gefäße oft nicht komplett verschlossen
sind und die damit geringere Schäden am Herzen verursachen. Dazu Jürgen
Klauber: „Die Angst vor einer Covid-19-Infektion könnte gerade Patienten mit
leichteren Beschwerden davon abgehalten haben, sich ins Krankenhaus zu begeben.
Diese Sorge muss den Patienten genommen werden, denn bei der Behandlung von
Herzinfarkt und Schlaganfall zählt wirklich jede Minute.“

Schlaganfall: mehr Komplikationen und höhere Sterblichkeit
Trotz der deutlichen Fallzahl-Rückgänge stieg die Zahl der Patienten, die
innerhalb von 30 Tagen nach einem Hirninfarkt oder einer Hirnblutung
verstarben, von 714 im Frühjahr 2019 auf 740 im Frühjahr 2020. Dieser Anstieg
ist nicht durch Covid-19-Patienten erklärbar, denn diese wurden bei der
Betrachtung der Sterblichkeit nicht berücksichtigt. Besonders ins Auge fällt
der Sterblichkeits-Unterschied bei den Frauen über 80 Jahren: Während der
ersten Lockdown-Phase vom 16. März bis zum 5. April 2020 starben in dieser
Altersgruppe 368 Frauen innerhalb von 30 Tagen, ein Jahr zuvor waren es im
Vergleichszeitraum nur 327 Frauen. Der genauere Blick auf die
Schlaganfall-Behandlungen aus der ersten Lockdown-Phase zeigt zudem: Die
Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung, die in dieser Phase in den Kliniken
ankamen, wiesen im Schnitt signifikant häufiger halbseitige Lähmungen sowie
Sprechstörungen und Schluckbeschwerden auf. „In der aktuellen Situation kann
man angesichts dieser Ergebnisse aus der ersten Infektionswelle nur an die
Menschen appellieren: Wählen Sie den Notruf und lassen Sie sich im Krankenhaus
behandeln, wenn Sie Symptome eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls haben“,
betont Klauber. „Die Gefahr einer Infektion im Krankenhaus ist sicher
wesentlich geringer als die Folgen eines nicht oder zu spät behandelten
Herzinfarktes oder Schlaganfalls.“

Zügigere Interventionen und kürzere Verweildauern
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Analyse für den Qualitätsmonitor: Die
Notfallversorgung im Krankenhaus hat in der Frühphase der Pandemie unverändert
funktioniert und die Behandlungsprozesse in der Klinik liefen zum Teil
schneller. Wichtige – und zeitkritische – Behandlungen zur Wiedereröffnung
verschlossener Blutgefäße fanden im Frühjahr 2020 bei einem höheren Anteil von
Herzinfarkt- und Hirninfarkt-Patienten bereits am Tag der Klinikeinweisung
statt. „Der Grund hierfür sind möglicherweise die besseren Anfahrts- und
Transportbedingungen für den Rettungsdienst in der Lockdown-Phase, aber auch
die frei gewordenen Kapazitäten für solche dringlichen Eingriffe aufgrund der
Absage vieler planbarer Operationen“, vermutet Klauber. Die durchschnittliche
Liegedauer war sowohl bei Schlaganfällen als auch bei Herzinfarkten signifikant
kürzer als 2019. „Insgesamt haben wir keine Hinweise auf eine verminderte
Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr gefunden, sondern im
Gegenteil eher schnellere und glattere Prozesse“, betont Klauber.

Notfälle landen zu oft in Kliniken mit mangelhafter Ausstattung
Auch während der Pandemie bestand allerdings weiter das Problem, dass Patienten
in Kliniken ohne die von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene
Ausstattung zur Behandlung von Schlaganfall und Herzinfarkt aufgenommen wurden.
Insgesamt 13 Prozent der Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung wurden im
Betrachtungszeitraum des Lockdowns in einer Klinik ohne eine spezielle
Schlaganfallstation (Stroke Unit) versorgt. Im Jahr 2018 betraf dies 17 Prozent
der Patienten, wie eine vertiefende Auswertung zur Behandlungsstruktur
deutscher Kliniken im „Qualitätsmonitor 2020“ zeigt. Besonders ausgeprägt war
das Problem im Viertel der Kliniken mit den wenigsten versorgten Patienten
(unter 20 pro Jahr). 99 Prozent dieser Kliniken verfügten nicht über eine
Stroke Unit.

Ein ähnliches Bild zeigt sich für den Herzinfarkt. Während der ersten
Pandemie-Phase wurden sieben Prozent aller STEMI- und NSTEMI-Patienten in
Kliniken ohne Herzkatheterlabor behandelt, das für die Versorgung von akuten
Herzinfarkten der Standard sein sollte. Die Analyse für das Jahr 2018 zeigt,
dass zehn Prozent aller Herzinfarkte in Kliniken ohne Herzkatheterlabor
versorgt wurden. Von dem Problem betroffen waren knapp 21.000
Herzinfarkt-Patienten. Auch hier fehlten adäquate Strukturen zur Akutversorgung
von Herzinfarkt-Patienten insbesondere im Viertel der Kliniken mit den
wenigsten Behandlungsfällen (unter 25 pro Jahr). Insgesamt 87 Prozent dieser
Kliniken verfügten nicht über ein Herzkatheterlabor. „Die Ergebnisse bestätigen
den Befund früherer Auswertungen“, so WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. Sein
Fazit: „Wir brauchen eine stärkere Konzentration der Notfallversorgung auf
Kliniken mit entsprechender Ausstattung und Erfahrung. Dieses Problem besteht
unabhängig von der Covid-19-Pandemie weiter.“

Klinikliste mit Qualitätskennzahlen zu drei Notfall-Behandlungen
Die aktuelle Ausgabe des Qualitätsmonitors vom Wissenschaftlichen Institut der
AOK (WIdO), der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) und dem Verein
Gesundheitsstadt Berlin liefert für die drei Notfall-Indikationen Herzinfarkt,
Schlaganfall und Hüftfrakturen detaillierte Daten zu Fallzahlen und
Qualitätskennzahlen der deutschen Krankenhäuser. In einer Klinikliste werden
die Ergebnisse von insgesamt 1.576 Krankenhäusern bundesweit dargestellt, in
denen 2018 eine dieser Behandlungen dokumentiert worden ist. Außerdem
beleuchtet der Sammelband weitere Aspekte des Schwerpunkt-Themas
„Notfallversorgung“. Unter anderem geht es im Qualitätsmonitor um die Defizite
bei der Digitalisierung der Notfallversorgung in Deutschland. Einheitliche
Systeme zur digitalen Unterstützung des Rettungsdienstes wie das Programm IVENA
(Interdisziplinärer Versorgungsnachweis), das bisher in 75 der über 200
Leitstellen zur Zuweisung in rund 500 Kliniken implementiert ist, können die
medizinische Versorgung aus Sicht der Autoren nachhaltig verbessern.

Quelle:Pressemitteilung, 25.11.2020

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