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Jeder fünfte Arzt setzt noch auf das Fax

Jeder fünfte Arzt setzt noch auf das Fax (Bitkom).



Digitaler Graben zwischen Kliniken und Praxen. Frauen und junge Ärzte treiben die Digitalisierung des Gesundheitswesens voran. Große Offenheit für Video-Sprechstunde.
Berlin, 02. Februar 2021 - Videosprechstunden, elektronische Patientenakte,
Gesundheits-Apps auf Rezept: Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung hat
in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht – durch neue politische
Initiativen, aber auch durch die Corona-Pandemie. Dabei ist Deutschlands
Ärzteschaft gespalten, wenn es um den Einsatz digitaler Technologien im
medizinischen Alltag geht. Während Ärzte in Kliniken mehrheitlich offen für
digitale Gesundheitsangebote sind, zeigen sich Ärzte in Praxen skeptischer. Das
ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem
Ärzteverband Hartmannbund unter mehr als 500 Ärzten in Deutschland durchgeführt
hat. Demnach sehen 86 Prozent der Klinik-Ärzte in der Digitalisierung primär
Chancen für das Gesundheitswesen – 10 Prozent halten die Digitalisierung für
ein Risiko. Bei den Praxis-Ärzten betonen lediglich 53 Prozent die Chancen –
und 39 Prozent die Risikoperspektive. Zugleich gibt einen deutlichen
Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: 74 Prozent der Frauen sehen die
Digitalisierung als Chance, aber nur 63 Prozent der Männer. Und: Je jünger die
Ärzte sind, desto aufgeschlossener und optimistischer sind sie. 88 Prozent der
unter 45-Jährigen sehen die Digitalisierung als Chance. Aber nur jeder zweite
Arzt (55 Prozent) ab 45 Jahren.

Mehr Tempo beim Ausbau gefordert
Zugleich wünschen sich vor allem Klinik-Ärzte, dass es bei der Digitalisierung
des Gesundheitswesens schneller vorangeht: 82 Prozent der Mediziner in
Krankenhäusern sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote nötig.
Unter den Praxis-Ärzten sind es lediglich 38 Prozent. 70 Prozent der
Klinik-Ärzte meinen, Deutschland hänge im Vergleich zu anderen Ländern bei der
Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Unter den Praxis-Ärzten sehen
das mit 53 Prozent deutlich weniger so. Und fast zwei Drittel (63 Prozent) der
Mediziner in Krankenhäusern plädieren dafür, dass Deutschland im Kampf gegen
die Corona-Pandemie stärker auf digitale Technologien setzen muss(Praxis-Ärzte:
39 Prozent). „Deutschlands Ärzte stehen der Digitalisierung durchschnittlich
sehr positiv und voller Erwartungen gegenüber. Allerdings: Zwischen den Ärzten
in Kliniken und Praxen öffnet sich ein digitaler Graben“, sagt Bitkom-Präsident
Achim Berg. „Die Corona-Pandemie hat den Gesundheitssektor vor riesige
Herausforderungen gestellt. Während Ärzte und Pflegende Höchstleistungen für
ihre Patienten erbringen und immense Belastungen schultern, werden die Defizite
schonungslos offengelegt. Dazu zählen die Nachverfolgung von Infektionsketten,
die Information potenziell Infizierter oder jetzt die Terminvergabe bei der
Schutzimpfung. Zettelwirtschaft, analoge Prozesse und hohe Datenschutzhürden
sorgen noch immer für Verzögerungen, unnötigen Mehraufwand und
Informationsdefizite.“ Insgesamt ziehen die Ärzte rund ein Jahr nach dem
Ausbruch des Corona-Virus in Deutschland jedoch eine überwiegend positive
Bilanz: Für drei Viertel (74 Prozent) hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass das
hiesige Gesundheitssystem insgesamt gut aufgestellt ist.

Jeder fünfte Arzt setzt noch auf das Fax
Innerhalb der Praxen und Kliniken schreitet die Digitalisierung voran: Jeder
zweite Arzt (50 Prozent) erstellt Medikationspläne überwiegend digital. Eine
digitale Patientenakte ist bereits bei 66 Prozent im Einsatz – 31 Prozent
bewahren die Akten noch abgeheftet in Schränken oder Regalen auf. 61 Prozent
verwalten eigene Notizen und Dokumentationen digital – und 37 Prozent analog.

Die Kommunikation verläuft größtenteils traditionell: Das Telefon ist der
wichtigste Kanal im Austausch mit Patienten (77 Prozent), Apotheken (61
Prozent) und Praxen (53 Prozent). Jeder fünfte Arzt (19 Prozent) hält den
Kontakt zu Arztpraxen überwiegend per Briefpost, 22 Prozent setzen vornehmlich
auf das Fax. Lediglich jeder 20. Arzt kommuniziert überwiegend via E-Mail mit
anderen Praxen (5 Prozent), Apotheken (6 Prozent) oder den Patienten (5
Prozent). „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Vernetzung, ein
funktionierender, sicherer Datenaustausch und die digitale Dokumentation von
Untersuchungsergebnissen sind“, betont Berg. „Doch auch unabhängig von der
Pandemie sind die Zeiten, in denen ein Patient ein Leben lang beim selben
Hausarzt in Behandlung ist, vorbei. Die Menschen wechseln nicht nur Wohnorte,
sondern auch Ärzte häufiger. Wenn Akten und Befunde in Papierform abgeheftet
werden, sind Doppeluntersuchungen, Sicherheitsdefizite und der Verlust von
Informationen vorprogrammiert. Umso wichtiger ist es, dass auch im
Gesundheitswesen durchgängig digitale Prozesse eingeführt werden.“

Mehr Ärzte bieten Video-Sprechstunden an
Einen deutlichen Zuwachs gibt es beim Angebot von Video-Sprechstunden. So
bieten 17 Prozent der Praxis-Ärzte Video-Sprechstunden an: 6 Prozent taten dies
bereits vor Corona, 11 Prozent haben damit während Corona begonnen. Weitere 40
Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen. Bei den Klinikärzten sind
sogar drei Viertel (73 Prozent) bereit, künftig auch Videosprechstunden
anzubieten – 4 Prozent tun dies seit Corona. In der Pandemie wurden die vormals
hohen bürokratischen Hürden für Video-Sprechstunden deutlich gelockert und das
Vergütungsmodell angepasst. „Videosprechstunden werden während der
Corona-Pandemie sehr viel häufiger genutzt und die Nachfrage auf Seiten der
Patienten ist so hoch wie noch nie. Viele Ärzte haben darauf reagiert“, sagt
Berg. Insgesamt sind 75 Prozent der Ärzte, die eine Video-Sprechstunde
anbieten, der Ansicht, die Pandemie habe diesem Angebot einen starken Schub
verliehen. Mehr als jeder Zweite (55 Prozent) meint, dass die Behandlung in
bestimmten Fällen genauso gut klappt wie ein persönlicher Termin.

Ärzte erhoffen sich einfachere Zusammenarbeit durch die ePa
Die seit dem 1. Januar in Deutschland verfügbare elektronische Patientenakte
(ePa) weckt bei vielen Ärzten große Hoffnungen: Fast 9 von 10 Klinik-Ärzten (89
Prozent) erwarten durch die ePa eine einfachere Zusammenarbeit zwischen Ärzten
– bei den Praxis-Ärzten sind es 54 Prozent. Auch eine größere Transparenz für
alle Beteiligten (Klinik-Ärzte: 72 Prozent / Praxis-Ärzte: 45 Prozent) zählt
für viele zu den größten Vorteilen. Zugleich sehen Klinik-Ärzte (76 Prozent)
wie Praxis-Ärzte (85 Prozent) die Gefahr des Datenmissbrauchs. Insbesondere
Praxis-Ärzte fürchten hohe Investitionskosten (60 Prozent / Klinik-Ärzte: 28
Prozent), jeder zweite Praxis-Arzt (52 Prozent) sieht auch eine schwierige
Integration der ePa in den eigenen Behandlungsalltag. „Die elektronische
Patientenakte ist ein Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Indem sie Befunde, Diagnosen und Behandlungsberichte digital vereint, bietet
sie einen schnellen und besseren Überblick für Ärzte und Patienten“, betont
Berg. „Für die Ärzte wird sie dort den größten Nutzen entwickeln, wo bereits
digitale Prozesse eingeführt sind.“

Jeder vierte Arzt will Gesundheits-Apps auf Rezept verschreiben
Ob bei Tinnitus, Migräne oder Schlafproblemen – seit Oktober 2020 können Ärzte
gegen diese und andere Beschwerden Gesundheits-Apps für das Smartphone oder
Tablet verordnen. Zehn solcher offiziell zugelassenen Anwendungen stehen
mittlerweile zur Auswahl, und das Angebot wächst weiter. Jeder vierte Mediziner
(24 Prozent) will die sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGAs,
künftig verordnen, 2 Prozent haben dies bereits getan. 28 Prozent schließen
dies jedoch kategorisch aus. Bei digitalen Gesundheits-Anwendungen besteht bei
rund einem Viertel der Ärzteschaft allerdings noch ein großer
Informationsbedarf: Jeder zehnte Arzt (10 Prozent) weiß nach eigenem Bekunden
nicht, was eine App auf Rezept ist. Bitkom-Präsident Achim Berg: „Für das
deutsche Gesundheitswesen eröffnet sich mit den Gesundheits-Apps auf Rezept ein
neuer, digitaler Versorgungsbereich, der auch international für große
Aufmerksamkeit sorgt. Wir müssen Ärzte und Patienten noch besser aufklären und
auf die Vorteile der Anwendungen aufmerksam machen. Die besten Gesundheits-Apps
helfen niemandem, wenn sie von den Ärzten nicht verschrieben werden und sich
die Patienten dann in Online-Foren orientieren und nicht dem professionellen
Rat der Mediziner folgen.“

Ärzte sehen Verunsicherung bei Patienten, die sich online informieren
Die Digitalisierung verändert nicht nur die Behandlungsmethoden, sondern auch
das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Viele Menschen informieren sich
mittlerweile im Internet über Symptome und Krankheiten, bevor sie zum Arzt
gehen. Dabei stellen 9 von 10 Medizinern (90 Prozent) fest, dass Patienten
durch die Internetrecherche verunsichert werden. Zugleich sagen zwei Drittel
der Ärzte (67 Prozent), dass sie den Umgang mit Patienten, die sich im Internet
vorinformiert haben, als anstrengend empfinden. 62 Prozent erleben, dass
Patienten bereits mit einer Diagnose aus dem Internet zu ihnen zur Behandlung
kommen. Allerdings geben umgekehrt auch 42 Prozent der Ärzte an, dass die
Patienten durch Informationen aus dem Internet mündiger werden. Fast jeder
zweite Mediziner (48 Prozent) lernt durch gut informierte Patienten sogar hin
und wieder dazu.

Dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht schneller voranschreitet,
hat vielfältige Gründe. Die große Mehrheit der Ärzte (84 Prozent) nennt als
Ursache die Komplexität des Gesundheitssystems, drei Viertel (78 Prozent)
empfinden den Aufwand für IT-Sicherheit und Datenschutz als zu hoch. Mehr als
jeder zweite Arzt (56 Prozent) stellt aber auch eine mangelnde Digitalkompetenz
seiner Patienten fest. 43 Prozent sehen diesbezüglich bei den Ärzten selbst
Nachholbedarf.

Was Ärzte für die digitale Zukunft erwarten
Insgesamt gehen die Ärzte in Deutschland davon aus, dass mithilfe der
Digitalisierung maßgebliche Fortschritte in der Medizin erreicht werden – auch
bei der Bekämpfung globaler Pandemien. 80 Prozent der Mediziner halten es für
wahrscheinlich, dass spätestens im Jahr 2030 computergestützte Voraussagen
flächendeckend im Einsatz sind, die vor Pandemien warnen und z.B. durch
Algorithmen die Dynamik von Infektionsgeschehen vorhersagen. 72 Prozent
erwarten, dass Organe wie Speiseröhrenimplantate, Haut oder Knorpelscheiben
künftig mithilfe eines 3D-Druckers entstehen. 58 Prozent rechnen zudem damit,
dass Tierversuche durch Versuche an 3D-gedruckten Zellstrukturen ersetzt
werden.


Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Befragung, die Bitkom
Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom und des Hartmannbundes im
November 2020 durchgeführt hat. Dabei wurden 528 Ärzte aller Funktionen und
Fachrichtungen befragt, darunter Ärzte im Krankenhaus und niedergelassene
Ärzte.

Quelle: Bitkom, 02.02.2021

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