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His-Bündel-Schrittmacher ist kostenintensiv und im Vergütungssystem ungenügend abgebildet

His-Bündel-Schrittmacher ist noch kostenintensiv (Materialkosten ca. € 2.000 über denen eines herkömmlichen Herzschrittmachers) und im Vergütungssystem ungenügend abgebildet (Klinikum Cottbus).



Die Kardiologen der 1. Medizinischen Klinik des Carl-Thiem-Klinikums um Dr. Dirk Große Meininghaus konnten das Spektrum am 06.06.2019 durch die Operation eines speziellen Herzschrittmachers mit elektrischer Aktivierung des natürlichen Erregungsbündels, des His-Bündels, erweitern.
Es handelt sich um den ersten Eingriff dieser Art im Land Brandenburg, deutschlandweit wurde das Verfahren ca. 100mal durchgeführt.

Die Herzschwäche wird oftmals durch eine ungleichmäßige Herzaktivierung (die
sich als Verlängerung der elektrischen Aktivierung der Hauptkammern ausdrückt,
normal < 100 Millisekunden, dort oft mehr als 160 Millisekunden)
verschlechtert, im Einzelfall sogar verursacht. Auch die Aktivierung der
Herz-Hauptkammern über einen Schrittmacher führt zur asynchronen Aktivierung
des Herzens: von unten (Herzspitze) nach oben, sowie die reche Herzkammer vor
der linken; normal wäre eine Stromausbreitung von oben (Herzbasis) nach unten,
sowie beide Kammern gleichzeitig.

Im Einzelfall muss Vorhofflimmern, sofern es nicht gelingt, die Rhythmusstörung
durch Kathetereingriffe zu heilen, durch Unterbrechung der elektrischen
Verbindung zwischen Vorkammern und Hauptkammern (AV-Knoten und His-Bündel)
behandelt werden, was nur nach Einsetzen eines Herzschrittmachers möglich ist
(mit daraus wieder resultierender asynchroner Herzaktivierung).

Die Desynchronisation durch Aktivierung der rechten Hauptkammer vor der linken
(da die Schrittmachersonde in der rechten Hauptkammer liegt, und dort der
elektrische Impuls abgegeben wird) wird seit Ende der 90er-Jahre durch
zusätzliches Einsetzen einer Sonde über der linken Hauptkammer beeinflusst.
Dieses wirkt sich zwar sehr günstig auf den Aktivierungsablauf aus, ist aber
unverändert eine unphysiologische Aktivierungsform des Herzens.

Die Idee, mit der Schrittmacher-Stimulation am frühesten Punkt der elektrischen
„Leitungen“ der Herzhauptkammern, dem His-Bündel, anzusetzen, und für die
Aktivierung das herzeigene „Leitungssystem“ zu nutzen, ist nicht neu und stammt
aus den 70er-Jahren. Es handelte sich aber um theoretische Überlegungen, das
Potential wurde nicht erkannt, und die Technologie und Kenntnisse waren für
eine Umsetzung in die Praxis noch nicht ausreichend. Auch die Lokalisation des
His-Bündels im lebenden Menschen war schwierig, dieses erfordert spezielle
technische Voraussetzungen und Kenntnisse. Das His-Bündel ist nur wenige
Millimeter groß, und befindet sich an einer mechanisch bewegten Stelle des
Herzens. Dennoch ist die Nutzung der naturgegebenen elektrischen Leitungen als
therapeutisches Konzept plausibel. Vor vier Jahren wurde das Konzept auf
Kongressen „wiederbelebt“.

Das Carl-Thiem-Klinikum Cottbus besitzt die Möglichkeiten in der
Elektrophysiologie
(Wissenschaft der elektrischen Vorgänge des Herzens) und der
Schrittmacher-Technologie, dieses noch sehr neue Verfahren einzuführen. Unser
erster Patient, der 72-jährige H.S. sollte bei nicht erfolgreich behandelbarem
Vorhofflimmern eine AV-Knoten-Unterbrechung nach vorausgehender
Schrittmacher-Operation erhalten; zusätzlich erfolgte die Herzaktivierung
bereits zuvor ungleichmäßig (hier: linke Hauptkammer vor der rechten,
Aktivierungsdauer 170 ms). In dem Eingriff unter örtlicher Betäubung wurden am
06.06.2019 Sonden in die rechte Hauptkammer und die rechte Vorkammer (wie bei
jedem 2-Kammer-Herzschrittmacher), und dann zusätzlich ein drittes Kabel in das
His-Bündel eingeschraubt. Diese Struktur wurde zuvor durch einen diagnostischen
Katheter, wie er für Elektro-Untersuchungen der Herzrhythmusstörungen (EPU)
verwendet wird, von der rechten Leiste ausgehend „markiert“. Mit der dritten
Schrittmachersonde wird dann die markierte Region aufgesucht, anhand des
elektrischen Signals über die Schrittmachersonde in Echtzeit
das His-Bündel lokalisiert, und die Sonde dort eingeschraubt. Die elektrische
Aktivierung über das His-Bündel führte dann zu einer „Verkürzung“ der
elektrischen Aktivierungszeit der Herzhauptkammern auf 110 ms, somit eine
nahezu Normalisierung der Zeitabläufe mit hieraus resultierender
Synchronisation der Arbeit der Herzwände. Dieses wirkt sich sicher günstig auf
die Herzarbeit aus.

Als Besonderheit wurde in gleicher Sitzung über den bestehenden Zugang in der
rechten Leiste die Unterbrechung des AV-Knotens (AV-node), der sich nur 1 cm
vom His-Bündel (His-bundle) entfernt befindet. Hiermit ist eine ungünstige
Beeinflussung der Herzarbeit durch Rhythmusstörungen der Vorkammern
ausgeschlossen. Die Funktionsweise der Schrittmachersonde im His-Bündel wurde
hierdurch nicht beeinträchtigt.

Auch wenn das Verfahren noch weiter verfeinert werden muss, wird hier bei
schwer oder nicht erfolgreich zu behandelnden Herzrhythmusstörungen der
Herzvorkammern das physiologische System der Aktivierung der Herzhauptkammern
wiederhergestellt. Das Verfahren ist noch kostenintensiv (Materialkosten ca. €
2.000 über denen eines herkömmlichen Herzschrittmachers), und im
Vergütungssystem der Leistungen noch ungenügend abgebildet. Dennoch glauben
wir, den Patienten hiermit ein zukunftsweisendes Behandlungssystem zur
Verfügung zu stellen.

Quelle: Klinikum Cottbus, 24.06.2019

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