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Hüft- und Knieprothesen für Jüngere und in Spezialfällen: Kostendruck gefährdet qualitativ hochwertige Versorgung mydrg.de





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Hüft- und Knieprothesen für Jüngere und in Spezialfällen: Kostendruck gefährdet qualitativ hochwertige Versorgung

Hüft- und Knieprothesen für Jüngere und in Spezialfällen: Kostendruck gefährdet qualitativ hochwertige Versorgung (DGOU).



Wer ein Ersatzgelenk von Hüfte oder Knie benötigt, sollte das auf sein Alter, seine Gesundheit und Lebensumstände zugeschnittene Implantat erhalten, fordert die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. Denn je nach individueller Ausgangssituation sind unterschiedliche Modelle und Materialien geeignet. Doch
insbesondere Fachkliniken, die sich auf die Versorgung mit Endoprothesen
spezialisiert haben, geraten mit diesem patientenbezogenen und auf
Langfristigkeit angelegten Ansatz zunehmend unter Kostendruck. Der Grund ist
eine sinkende Vergütung der Sachkosten durch die gesetzlichen und privaten
Krankenkassen im Rahmen der sogenannten Fallpauschalen. Dadurch führt der
Einsatz von hochwertigen und länger haltbaren und damit teureren Implantaten,
wie sie besonders für Jüngere und Aktive – aber auch in der Spezialversorgung –
infrage kommen, zu Verlusten, heißt es von der Fachgesellschaft. Auf der
Pressekonferenz der AE am 28. November 2019 in Berlin diskutieren Experten, was
eine gute Behandlung ausmacht und was Patienten darüber wissen sollten. Sie
findet im Vorfeld des 21. AE-Jahreskongresses vom 6. bis zum 7. Dezember 2019
in Düsseldorf statt.

Ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk – das brauchen doch nur Senioren, denken
viele. Doch von den knapp 240.000 Patienten, die im Jahr 2018 eine Hüftprothese
erhalten haben, war etwa jeder sechste jünger als 60 (38.500 Patienten) (1). Zu
den Ursachen gehören Verschleiß durch Leistungssport, starkes Übergewicht,
Rheuma oder eine Fehlbildung des Gelenks. Benötigt ein jüngerer, mobiler
Patient eine künstliche Hüfte, ist vor allem die lange Haltbarkeit wichtig,
sagt Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik am
Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. „Von besonderer Bedeutung ist hier
die sogenannte Gleitpaarung aus der künstlichen Gelenkpfanne und der
Gelenkkugel. Die verwendeten Materialien sollten möglichst reibungsarm sein.
Dann nämlich erzeugen sie weniger Abrieb und halten länger.“ Für diese
Patienten sei deshalb die Kombination Keramik-Keramik beziehungsweise modernes
hochvernetzes Polyethylen mit Keramik am besten, sagt Heller, der Vizepräsident
der AE ist. „Damit ist mehr körperliche Aktivität möglich, und man kann
gleichzeitig einen belastenden Implantatwechsel möglichst lange hinauszögern.“
Demgegenüber reiche für Ältere meist die Standardversorgung. Gemessen an ihrer
statistisch gesehenen Restlebenserwartung kommen bei ihnen eventuelle Nachteile
einer preiswerteren Kombination nicht mehr zum Tragen.

Der Preisunterschied zwischen der Standardversorgung und der abriebfesteren
Lösung kann bis zu 1000 Euro betragen. Die Crux: „Entscheiden wir uns zum Wohl
des Patienten für eine teurere Lösung, zahlen wir drauf“, sagt Heller. Denn
mittlerweile seien die erstatteten Sachkosten für Prothesen auf einem Tiefpunkt
angelangt. Der Grund: Im deutschen Fallpauschalensystem erhalten Kliniken immer
den gleichen Betrag für den Eingriff. „Die sogenannten DRGs für Hüft- und
Knieprothesen unterscheiden nicht nach hochwertigen oder weniger hochwertigen
Materialien, modernen oder länger auf dem Markt befindlichen Implantaten,
ebenso wenig wie nach jungen und alten Patienten“, sagt der Orthopäde und
Unfallchirurg. Der Erstattungsbetrag orientiert sich vielmehr am Mittelwert der
Kosten aller einkaufenden Kliniken. „Diese versuchen, letztendlich alle unter
dem Mittelwert zu bleiben.“ Dadurch haben Kliniken, die nicht in einem
Klinikverbund sind oder hochwertig einkaufen, Nachteile: ihre Sachkosten sind
höher, als im Mittelwert veranschlagt. „Dies führt langfristig dazu, dass man
eine schwarze Null nur erwirtschaften kann, wenn man weniger Sachkosten
einsetzt als im Durchschnitt. Ein gefährlicher Kellertreppeneffekt.“

Ein weiterer Punkt: Durch die zu knappe Kalkulation fehle auch das Polster zur
Querfinanzierung besonders kostenaufwendiger Fälle. Dazu gehören etwa Patienten
mit einer schwierigen Ausgangssituation wie fortgeschrittenes Rheuma, komplexen
Wechseloperationen oder einer Implantat-Infektion. Ebenso seien Investitionen
in vielversprechende neue Technologien wie Robotik nicht mehr möglich.

Besonders betroffen von der Unterfinanzierung sind die spezialisierten
Fachkliniken und Zentren. Sie können die Verluste nicht durch anderweitige
Leistungen abfedern. Ein Dilemma, findet Heller: „Denn es sind ja gerade diese
Einrichtungen, die dank ihrer Erfahrung, Spezialisierung – und meist einer
Zertifizierung nach EndoCert der DGOOC (2) – in der Regel die beste Versorgung
erbringen.“ Dies zeige auch die aktuelle Auswertung des Endoprothesenregisters
Deutschland (EPRD) der DGOOC (3). Heller spricht sich deshalb für einen für
Zentrums- und Qualitätszuschlag aus: „Es darf nicht darum gehen, bei der
Erst-Operation durch eine günstige Standardversorgung vermeintlich zu sparen.
Das Ziel sollte vielmehr sein, von vorneherein eine langfristig gute Qualität
zu liefern. So vermeiden wir auch die Folgekosten durch zweitbeste Lösungen.
Das ist auch volkswirtschaftlich gesehen besser.“

Auf der Pressekonferenz der AE am 28. November 2019 in Berlin erläutern
Experten die unterschiedlichen Versorgungsmöglichkeiten und diskutieren, wie
viel uns Mobilität als Basis von Gesundheit und sozialer Teilhabe wert sein
sollte.

Quellen:

(1) Statistisches Bundesamt

(2) EndoCert, Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie
und orthopädischen Chirurgie (DGOOC) für Kliniken, die Endoprothesen
implantieren

(3) Endoprothesenregister Deutschland (EPRD): Jahresbericht 2019, zu beziehen
über die Website des Endoprothesenregisters Deutschland

Quelle: DGOU, 21.11.2019

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