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MDK-Reform: Mehr Taktieren statt mehr Qualität - Aufrechnungsverbot und Prüfquoten im MDK-Reformgesetz

MDK-Reform: Mehr Taktieren statt mehr Qualität - Aufrechnungsverbot und Prüfquoten im MDK-Reformgesetz (Siemens BKK).



Am heutigen Dienstag legt Jens Spahn das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) im Bundestag vor. Der Gesetzentwurf bringt erhebliche Einschränkungen der Gestaltungsautonomie der sozialen
Selbstverwaltung mit sich und bedeutet eine schwerwiegende Neuordnung der
Krankenhaus-Abrechnungsprüfung. Am Ende wird das Gesetz nicht zu einer
Entspannung der Abrechnungssituation beitragen, sondern zu einem weiteren
Aufrüsten bei Kassen und Kliniken führen, schätzt Martin Spegel, Leiter
Stationäre Versorgung in der SBK.

Was sind aus ihrer Sicht die Knackpunkte im Gesetzentwurf?
Zunächst ist gegen den Gedanken, die aktuell überkomplexe Abrechnung zwischen
Kliniken und Krankenkassen zu vereinfachen und den MDK unabhängiger und
transparenter zu gestalten, absolut nichts einzuwenden. Dass Kliniken zukünftig
Rechnungen nicht mehr nachträglich ändern dürfen, sehe ich zum Beispiel
positiv. Das erzeugt etwas mehr Rechtssicherheit. Gleichzeitig halte ich die
Maßnahmen im Bereich der Komplexbehandlungen und der ambulanten Abrechnung für
grundsätzlich sinnvoll, auch wenn noch unklar ist, ob diese Maßnahmen
tatsächlich umsetzbar sind und die politisch erwartete Wirkung entfalten.

Deutlich kritischer sehe ich das Aufrechnungsverbot und die Einführung
quartalsbezogener Prüfquoten. Meine Einschätzung: Es wird auf beiden Seiten
noch mehr Taktieren geben als vorher. Gleichzeitig wird die Handlungsfähigkeit
der Kassen gegen fehlerhafte Abrechnungen eingeschränkt. Gewonnen ist damit
nichts – im Gegenteil.

Wie hat die SBK das Thema Aufrechnung bisher gehandhabt?
Grundsätzlich gilt: Wir zahlen jede Klinikrechnung zunächst zu 100 Prozent. Der
Eindruck, dass Kliniken auf Geld warten müssten und dadurch in ihrer Liquidität
beeinträchtigt sind, ist falsch. Auffällige Abrechnungen geben wir – sofern es
sich nicht um formale Fehler handelt – an den MDK, da Kassen kein Einblick in
die Behandlungsakten erlaubt ist. Bestätigt das Gutachten des MDK unseren
Verdacht, fordern wir zu viel gezahlte Beträge wieder vom Krankenhaus zurück.
70 bis 80 Prozent der Kliniken zahlen falsch abgerechnete Beträge, zum Beispiel
in Form von Gutschriften, freiwillig zurück. Für mich zeigt das: Man kann hart
in der Sache sein, aber trotzdem eine gute Gesprächsbasis finden und auf diesem
Weg zu einer Einigung kommen.

In 20 bis 30 Prozent der Rückforderungen kommt das Krankenhaus unserer
Aufforderung nicht nach. Dann rechnen wir unsere Forderung mit neuen,
unstrittigen Rechnungen des Krankenhauses auf. Ein in der Wirtschaft
alltägliches Verfahren. In nur ca. 200 Fällen jährlich führt die SBK
Gerichtsverfahren mit Kliniken in diesem Abrechnungskontext – bei über 260.000
Abrechnungsfällen pro Jahr. Mit dem Aufrechnungsverbot wird uns der
unbürokratische Weg der Aufrechnung genommen. Ich gehe davon aus, dass Kliniken
fehlerhafte Abrechnungen künftig deutlich später zurückzahlen werden. Von
unkooperativen Kliniken wird die SBK den Fehlabrechnungsbetrag über den Weg der
Klage erstreiten müssen – auch bei kleineren Beträgen. Das volle Prozessrisiko
liegt dabei bei uns als Krankenkasse, auch wenn es ein erhebliches
Informationsgefälle zu unseren Ungunsten gibt.

Welche Gefahren sehen Sie in den Prüfquoten?
Derzeit geben wir 20 bis 25 Prozent der Rechnungen zur Prüfung an den MDK.
Unsere Erfolgsquote lag 2018 bei knapp 57 Prozent, in 2019 erwarten wir eine
ähnliche Quote. Das bedeutet: Im Bundesdurchschnitt sind bei der SBK aktuell
14,3 Prozent aller Abrechnungen fehlerhaft. Diese Quoten sind seit mehreren
Jahren konstant. Im nächsten Jahr dürfen wir nur noch 10 Prozent aller
Rechnungen zur Prüfung an den MDK geben. Bei allen weiteren Rechnungen sind wir
handlungsunfähig und müssen ohne Prüfung bezahlen. Flankierende Maßnahmen oder
Sanktionen gegen Falschabrechnungen sieht Spahn erst ab frühestens 2021 vor.
Das Übergangsjahr 2020 wird für die GKV daher sehr teuer werden. Und die
Differenz zahlt der Versicherte – ohne irgendeinen Mehrwert. Wer profitiert
denn von Spahns Prüfquoten? Nicht Kliniken mit überdurchschnittlich hoher
Qualität, nicht unsere Versicherten – sondern ausschließlich Kliniken mit mehr
als 10 Prozent fehlerhafter Abrechnungen! Das finde ich besonders ärgerlich.

Gibt es langfristige Folgen, die aus Ihrer Sicht bedacht werden sollten?
Vor knapp zwei Wochen stellte Gesundheitsminister Laumann das aktuelle
Krankenhausgutachten NRW vor. Das Fazit: Es gibt eine erhebliche Überversorgung
und ebensolchen strukturellen Anpassungsbedarf in der Krankenhausplanung. Ich
habe mir in diesem Kontext erlaubt, die Retaxierungsquoten auf Bundesland-Ebene
gegenüberzustellen. Das Fazit: Wir sehen bei der Krankenhaus-Abrechnungsprüfung
deutliche regionale Unterschiede. In überversorgten Gebieten wie etwa NRW
kommen unnötige Krankenhausaufenthalte und überhöhte Abrechnungen deutlich
häufiger vor als in ausreichend oder unterversorgten Regionen. Tatsache ist:
Während bei Kliniken in NRW im Schnitt bis zu 9 Prozent der abgerechneten
Beträge als fehlerhaft identifiziert werden, liegt dieser Wert in anderen
Bundesländern nur zwischen 2 und 4 Prozent. Die Einführung der Prüfquote ist am
Ende also eine Finanzspritze für überversorgte Regionen, da dort fehlerhaft
abgerechnete Rechnungen von uns ohne Prüfung gezahlt werden müssen!

Was mich besonders ärgert: Es geht bei dieser Diskussion niemals darum, welche
Klinik die bessere Qualität erbringt bzw. wo unsere Versicherten am besten
versorgt werden. Da könnte ich eine bessere Finanzausstattung durchaus
gutheißen. Am Ende geht es beim Gesetzentwurf leider nur darum, wer am
geschicktesten taktiert. Das ist nicht mein Verständnis von Qualität und
torpediert alle Bemühungen der SBK und vieler anderer Kassen um einen
Qualitätswettbewerb zwischen Kliniken.

2018 gingen 21,8% Prozent der Klinik-Rechnung zur Prüfung an den MDK.s
Wir haben rund 260.000 Klinik-Abrechnungen pro Jahr.
Retaxationsquoten nach Bundesland; Quelle: eigene Daten SBK

Quelle: Siemens BKK, 24.09.2019

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