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Krankenhausreform: Auswirkungsanalyse offenbart massive Verschiebungen mydrg.de





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Krankenhausreform: Auswirkungsanalyse offenbart massive Verschiebungen

Krankenhausreform: Vorschläge der Regierungskommission würden die Versorgung einschränken (KGNW).



Die Vorschläge der Regierungskommission für eine Krankenhausreform führen nach dem Ergebnis einer ersten datengestützten Auswirkungsanalyse zu rigorosen Einschnitten für die Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen. Wichtige medizinische Leistungen müssten bei konsequenter Anwendung des
Reformkonzepts auf nur noch 36 Krankenhäuser im Rheinland und in Westfalen-Lippe konzentriert werden. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil
der 337 NRW-Krankenhäuser von elementaren Teilen der Versorgung ausgeschlossen
würde. Die von Prof. Dr. Boris Augurzky zusammen mit der Firma Vebeto erstellte
Auswirkungsanalyse zeigt sowohl Einschnitte in der Krankenhauslandschaft als
auch gewaltige Verschiebungen in beispielhaften Behandlungsfeldern auf. So
müssten sich beispielsweise 70 Prozent aller werdenden Eltern eine neue
Entbindungsklinik suchen. Zudem würde die Notfallversorgung bei Herzinfarkt
oder Schlaganfall stark ausgedünnt.

Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW),
erklärt am Dienstag bei der Vorstellung der Analyse für NRW: „Der Blick auf die
Folgen, die das Reformkonzept der Bundesregierung für die konkrete Versorgung
der Menschen in NRW hätte, bestätigt: Eine solche Krankenhausplanung vom grünen
Tisch in Berlin folgt zahlengetriebenen Zielen, die am tatsächlichen Bedarf der
Menschen in ihrem Umfeld vorbeigehen. Im Mittelpunkt muss aber eine
verlässliche, gut erreichbare und qualitativ hochwertige Versorgung für die
Patientinnen und Patienten in den Städten und auf dem Land stehen. Diesen
Ansatz setzt die neue nordrhein-westfälische Krankenhausplanung mit dem Blick
für die regionalen Erfordernisse um. Das geht nur auf Landesebene, weil die
Länder den jeweiligen Bedarf kennen.“

Zum Hintergrund: Die vorgelegte Auswirkungsanalyse zu den Reformvorschlägen der
Regierungskommission hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in Auftrag
gegeben. Sie stützt sich auf öffentlich verfügbare Daten zu den Strukturen,
Leistungen und Fallzahlen der Krankenhäuser für das Jahr 2020. Auf dieser
Grundlage wurden die konkreten Folgen des Reformkonzepts überprüft. Dieses
sieht vor, dass die Krankenhäuser in drei Level eingeteilt und ihnen damit
statisch bestimmte medizinische Leistungsgruppen zugeteilt werden. Die
Grundversorgung mit nur wenigen Leistungsgruppen sollen in der Stufe Level 1n
Kliniken mit einer Notaufnahme übernehmen, sofern nicht ein Haus der höheren
Level binnen 30 Minuten erreichbar ist. In Level 2 sind Krankenhäuser mit
höherer Notfallstufe und einem umfassenderen Leistungsangebot eingeordnet, die
zudem eine Geburtshilfe sowie eine gynäkologische Fachabteilung und eine Stroke
Unit für Schlaganfälle betreiben. Unter Level 3 fallen Uni-Kliniken und
vergleichbar aufgestellte Krankenhäuser mit der höchsten Notfallstufe und den
meisten Leistungsgruppen. Alle nicht in diese Stufen fallenden Krankenhäuser
sollen als Level 1i klassifiziert werden und nur noch ambulante und
kurzstationäre pflegerische und ärztliche Versorgung (unter anderem durch
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte) erbringen dürfen. Ausnahmen kann eine
Landesregierung definieren, wenn sie zur Versorgung der Bevölkerung eine andere
Einstufung für erforderlich hält.

Zu den Ergebnissen: Von 358 Krankenhausstandorten* in NRW erreichen der Analyse
zufolge nur 14 das Level 2 und weitere 22 das Level 3. Neben diesen 36 Kliniken
erfüllen zwar 233 Krankenhäuser die Voraussetzung für das neue Level 1n, doch
lässt die Vorgabe der Regierungskommission nur 47 Krankenhäuser tatsächlich
direkt zu. Alle anderen Häuser liegen zu nah an einem Krankenhaus der höheren
Stufe und können deshalb nur als Level 1i mit weitermachen. Dies gilt auch für
63 Krankenhäuser, die direkt in diese Kategorie fallen sollen. Die konkreten
Folgen eines solchen Modells illustriert die Auswirkungsanalyse mit vier
Beispielen:

Geburtshilfe: Von 137 Standorten mit einer Geburtshilfe (Stand: 2021) lässt die
Beschränkung auf die Level 2 und 3 nur noch 35 Standorte übrig. 70 Prozent der
werdenden Eltern müssen sich eine andere Entbindungsklinik suchen. (IT NRW
führt für 2021 fast 175.400 Geburten in NRW an.)
Interventionelle Kardiologie: Akute Herzinfarkte können aktuell in 136
Standorten mit einer interventionellen Kardiologie schnell behandelt werden.
Bei Einschränkung auf die Level 2 und 3 bleiben noch 34 Standorte übrig. 70
Prozent der Patientinnen und Patienten müssten auf eines dieser Krankenhäuser
ausweichen.
Neurologische Versorgung: Auch die allgemeine oder komplexe Neurologie soll nur
noch in Level 2 oder 3 stattfinden. Damit bleiben 33 statt bisher 74 Standorte
übrig. Die Hälfte aller Patientinnen und Patienten (52 Prozent) müsste sich
eine andere Klinik suchen.
Urologische Versorgung: Die geplante Verlagerung der allgemeinen und komplexen
Urologie in Häuser der Level 2 und 3 lässt nur noch 22 statt bisher 80
Standorte zu. Auch hier müssen 72 Prozent aller stationären Fälle auf die
wenigen verbliebenen Standorte ausweichen.
Die Bewertung: Für KGNW-Präsident Ingo Morell verdeutlichen allein die vier
Beispiele, wie wenig die Regierungskommission gewachsene Strukturen und die
realen Folgen ihrer Planung bedacht hat. „Wer Krankenhausplanung nur nach einem
Algorithmus ausrichtet, kann dem realen Bedarf der Menschen in unserem Land
nicht gerecht werden. Es ist vollkommen unrealistisch, mehr als zwei Drittel
aller Geburten kurzerhand auf wenige Geburtshilfen auszulagern. Dafür müssten
an diesen Standorten mehrere Etagen mit Kreißsälen und zugleich Hotels für
Hochschwangere und Angehörige gebaut werden.“ Für extrem gefährlich hält Morell
die geplante Konzentration bei der interventionellen Kardiologie auf wenige
Standorte, wie sie auch für die Schlaganfall-Behandlung geplant ist: „Wenn es
um Leben und Tod geht, wenn jede Sekunde zählt, kann in einem Bundesland mit 18
Millionen Einwohnern nicht ein dünnes Netz von wenigen Kliniken die
Daseinsvorsorge sicherstellen.“

Der Ausblick: Aus Sicht der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser muss die
Krankenhausplanung in der Verantwortung der Länder bleiben. Die in NRW im
Konsens mit allen Beteiligten entwickelte Planungssystematik ermögliche eine
nachhaltige Veränderung der Krankenhauslandschaft, weil die Zuordnung der
Leistungsgruppen auch zur Fusion, Verlagerung oder sogar Schließung einzelner
Standorte führen könne, erklärt KGNW-Präsident Morell: „Zugleich aber sichert
diese Systematik eine wohnortnahe und verlässliche Daseinsvorsorge durch die
Krankenhäuser. Deshalb wollen und werden wir diesen hier begonnenen Prozess
fortsetzen. Die hier gewählten Ansätze sind geeignet, auch die Ziele der
Regierungskommission zu erreichen.“ Grundzüge dieses Ansatzes finden sich im
jetzt vorgelegten Reformvorschlag der DKG wieder. In NRW stellt die
Landesregierung 2,5 Milliarden Euro für den Einstieg in die Umsetzung der
Krankenhausplanung bereit. Das zeigt deutlich, dass eine grundlegende
Krankenhausreform nicht ohne umfassende Investitionen funktionieren kann.
KGNW-Präsident Ingo Morell betont als Konsequenz aus der Auswirkungsanalyse:
„Wir hoffen, dass Bund und Länder bei ihren Gesprächen über eine
Krankenhausreform den Fokus auf die flächendeckend gute Versorgung der
Patientinnen und Patienten legen. Das kann nur erfolgreich gelingen, wenn die
unselige Verknüpfung von Leveln und Leistungsgruppen aufgelöst wird. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass diese Bundesregierung die unter Corona noch
beklatschte und vor allem bewährte Daseinsvorsorge durch die Krankenhäuser nun
zerschlagen will.“
[...]

Quelle: KGNW, 14.02.2023

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