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Risiken 2022 für die Krankenhausversorgung in Hessen

Bürokratische Entrümpelung gefordert: 2022 drohen weitere Belastungen durch die Pandemie, die kritische Finanzlage und mögliche Ärztestreiks für die Krankenhäuser des Klinikverbunds Hessen (Klinikverbund Hessen).



Der Klinikverbund Hessen e. V. erwartet für die öffentlichen Krankenhäuser ein schwieriges Jahr 2022. Angesichts der Pandemieentwicklung werde es keine Entlastung der Krankenhäuser und ihrer Beschäftigten hinsichtlich der Versorgung von COVID-Erkrankten geben – im Gegenteil. Wie die Daten aus anderen
Ländern zeigen, wird es wegen der deutlich gesteigerten Infektiosität der Omikron-Variante allein durch die Masse der Infizierten zu einem Anstieg
der Krankenhausbehandlungen kommen, selbst wenn der Anteil der schweren
Verläufe geringer sein sollte“, meint Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des
Klinikverbunds Hessen und verweist dabei auf die dramatische einstimmige
Einschätzung des neu eingesetzten Expertenrats der Bundesregierung. Dabei seien
bereits aktuell die Belastungen der Krankenhäuser und insbesondere der
Intensivstationen extrem hoch. Es stehe immer weniger Personal zur Verfügung,
weil für viele der Beschäftigten die anhaltend hohe Beanspruchung in der
Versorgung nicht mehr leistbar sei. Hinzu komme mit der Omikron-Welle drohender
zusätzlicher Personalausfall durch Erkrankungen selbst bei geimpften
Mitarbeitenden.

„Auch im Namen der Menschen, die in der Krankenhausversorgung arbeiten
appelliere ich dringend an alle Bürger, sich vollständig impfen zu lassen, nach
entsprechendem Zeitraum auch mit Boosterung. Das ist erwiesenermaßen der beste
Schutz derzeit – für jeden Einzelnen, für das Gesundheitssystem und für die
dort Beschäftigten“, betont Schaffert.

Zur Aufrechterhaltung der Versorgung benötigten die Kliniken eine
planungssichere Finanzierung. Die Finanzlage der Kliniken sei jedoch bereits
aktuell stark belastet, nach einer Umfrage innerhalb des Klinikverbundes
rechneten die meisten Kliniken für das Jahr 2021 mit einem deutlichen Defizit.
Im Jahr 2022 kämen neue finanzielle Belastungen hinzu, wie weitere
Erlösausfälle durch Verschieben von planbaren Leistungen, Strafzahlungen und
Sanktionen beispielsweise bei der Abrechnungsprüfung, Wegfall von vorübergehend
erhöhten Fördermitteln des Landes und nicht zuletzt die Kosten aufgrund der
Tarifauseinandersetzung mit dem Marburger Bund um die Gehälter und Dienstzeiten
der Ärztinnen und Ärzte.

Bei den Tarifverhandlungen sei das vorliegende Arbeitgeberangebot vom Marburger
Bund bisher nicht angenommen und die Verhandlungen vertagt worden. Ein
drohender Streik der Ärzteschaft mitten in der Pandemiesituation sei höchst
problematisch, nicht nur für die kommunalen Krankenhäuser als Arbeitgeber,
sondern auch für die Versorgung. Insbesondere die Forderung des Marburger
Bundes, die ärztlichen Ruf- und Bereitschaftsdienste strikt zu begrenzen, sei
aus Sicht des Klinikverbunds Hessen unrealistisch. „Bei allem Verständnis für
den Wunsch nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance muss
ein Krankenhaus 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche betrieben werden
können, das geht nicht ohne ärztliche Dienste und dazu braucht es auch
ausreichend Flexibilität“, betont Schaffert. Vor allem kleinere Krankenhäuser
und Abteilungen seien von der geforderten Einschränkung betroffen, denn hier
brauche es flexible Möglichkeiten für den Ausgleich von Krankheitsausfällen und
Abwesenheiten. Insgesamt beziffere die Vereinigung der Kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA) das Volumen der Forderungen für die Tariflaufzeit auf
420 Millionen Euro für alle kommunalen Kliniken in Deutschland, was einer
Personalkostensteigerung von 7,3% entspräche.

„Dieses Geld ist schlicht nicht vorhanden, denn trotz Ausgleichen für die
Pandemie ist die Krankenhausfinanzierung gedeckelt und letztlich an die
Einnahmeentwicklung der Krankenkassen gekoppelt“, erläutert Schaffert. Der
Landesbasisfallwert für das Jahr 2022, mit dem die Krankenhausleistungen
vergütet werden, steige lediglich um 2,31%. „Dass die Steigerung des
Landesbasisfallwertes in Hessen bis an die maximal mögliche Steigerungsrate
hergeht und so mit den Kassen vereinbart werden konnte, ist zwar ein
erfreuliches Ergebnis, doch diese Steigerung wird bereits durch den
Leistungsrückgang sowie die pandemiebedingten und allgemeinen
Kostensteigerungen aufgebraucht“, so Schaffert. Tarifliche Veränderungen
könnten erst mit erheblicher Verzögerung und dann auch nur zum Bruchteil
berücksichtigt werden. „Alles in allem sind die Krankenhauskosten innerhalb
eines gedeckelten Finanzierungssystems wie kommunizierende Röhren: Mehrausgaben
in einem Bereich müssen durch Einsparungen ausgeglichen werden, aber genau das
geht in der jetzigen Situation nicht“, beschreibt Schaffert die Lage.

Dabei seien die Tarifsteigerungen des ärztlichen Dienstes nicht die einzigen
finanziellen Sorgen der Kliniken des Klinikverbunds Hessen. So gebe es auch im
Jahr 2022 wieder eine deutliche Finanzlücke zwischen der gesetzlich
vorgesehenen Investitionsförderung des Landes und den tatsächlich notwendigen
Mitteln für Investitionen und Instandhaltung, die durch die Krankenhäuser
selbst gefüllt und damit erwirtschaftet werden müssten.

Zudem finanzierten die Kliniken seit nunmehr zwei Jahren einen Großteil der
Pflegepersonalkosten vor, weil der für die Refinanzierung der Pflege
vorgesehene Pflegeentgeltwert viel zu niedrig sei und bisher in Hessen kaum
Abschlüsse für ein Pflegebudget vorlägen. Dies belaste die Liquidität der
Krankenhäuser in erheblichem Maße. „Eigentlich hat die vorige Bundesregierung
mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz und der Einführung von Pflegebudgets eine
vollständige Refinanzierung der Kosten für die Pflege am Bett in den
Krankenhäusern versprochen; aber die Realität sieht anders aus, die
Krankenhäuser müssen erst einmal kräftig draufzahlen!“, meint Schaffert.

Durch das Inkrafttreten von bürokratischen Regelungen und Strafzahlungen würden
den Kliniken weitere Mittel und Ressourcen entzogen. „Die Scharfschaltung des
MDK-Reformgesetzes im neuen Jahr mit Prüfquoten und Strafzahlungen im Rahmen
der Abrechnungsprüfung ist mitten in der Pandemiesituation absolut
unverständlich und kontraproduktiv,“ erklärt Schaffert. Bei
Abrechnungsstreitigkeiten mit den Krankenkassen müssten die Kliniken in
bestimmten Fällen zusätzlich zum strittigen Differenzbetrag noch einen
Strafaufschlag an die Krankenkassen zurückzahlen. Diese Regelung verschärfe
nicht nur die Auseinandersetzung zwischen Krankenkassen bzw. Medizinischem
Dienst und den Krankenhäusern, sie erfordere auch auf Krankenhausseite einen
erheblichen Mehraufwand im Abrechnungs- und Prüfungsmanagement bis hin zur
frühzeitigen Einbeziehung eines juristischen Beistands. „Bezüglich der
Strafzahlungen stehen die Geschäftsführungen in der Verantwortung gegenüber
ihren Trägern und sie sind gezwungen, jeden erdenklichen Aufwand zu betreiben,
um diese Strafzahlungen zu vermeiden; das kostet Geld und Ressourcen, die
gerade jetzt eher in der Versorgung gebraucht werden,“ so Schaffert.

Ebenfalls unnötigen Mehraufwand und Bindung von Ressourcen entstehe durch die
Erweiterung der Pflegepersonaluntergrenzen auf die Bereiche Gynäkologie,
Geburtshilfe und Pädiatrie. Der Koalitionsvertrag sehe die kurzfristige
Einführung des von Deutschem Pflegerat, VerDi und deutscher
Krankenhausgesellschaft entwickelten Personalbemessungsinstrumentes PPR 2.0
vor. Dies mache jedoch nur Sinn, wenn damit die starre und nicht am
tatsächlichen Pflegebedarf ausgerichtete Pflegepersonaluntergrenzenverordnung
vollständig ersetzt würde. Das Inkrafttreten der erweiterten Verordnung sei
daher nicht nachzuvollziehen, zumal die Regelung der ergänzenden Bereiche
inhaltliche Fehler enthielten, wie die unzureichende Anrechnung der pflegerisch
in der Wöchnerinnenbetreuung eingesetzten Hebammen. „Gerade in Zeiten der
Pandemie müssen die Krankenhäuser flexibel auf den jeweils notwendigen
Versorgungsbedarf reagieren und nicht Personal und Ressourcen für aufwändige
langfristige Belegungs- und Personaleinsatzplanung sowie bürokratische
Berechnungen, Kontrollen und Dokumentation aufwenden“, stellt Schaffert fest.
Dies fordere die Verordnung jedoch selbst dann, wenn das Krankenhaus aufgrund
der Versorgung von COVID-Patientinnen und -Patienten von Sanktionen befreit
sei.

Die neue Bundesregierung sei gefordert, die Krankenhausversorgung aufrecht zu
erhalten. „Angesichts dieser Herausforderungen und Risiken brauchen die
Krankenhäuser dringende politische Sofortmaßnahmen zur finanziellen
Absicherung, die sofortige Aussetzung bürokratischer Regelungen wo möglich, die
Beschleunigung finanziell wirksamer Prozesse und Verhandlungen sowie eine
generelle Entrümpelung der krankenhausrelevanten Regelungen von Bürokratie“,
fordert Schaffert.

Quelle: Klinikverbund Hessen, 20.12.2021

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