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Chefarztposition verliert für Oberärzt:innen zunehmend an Attraktivität

Chefarztposition verliert für Oberärzt:innen zunehmend an Attraktivität (Rochus Mummert).



Rochus Mummert Studie: Chefarztposition verliert für Oberärzt:innen zunehmend an Attraktivität - Studie untersucht Karriereziele von 384 Oberärzt:innen an deutschen Universitätskliniken - Kurative Tätigkeiten interessanter als Management-Aufgaben - Vorbereitung auf Führungsaufgaben ausbaufähig
- Kulturwandel an Universitätskliniken zeichnet sich ab. Hannover/Winterthur, 26.10.2021 - Rochus Mummert hat in Zusammenarbeit mit dem
Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie die Karriereziele von Oberärzt:innen an
deutschen Universitätskliniken untersucht. Die Studie schließt an eine gemeinsame Arbeit
aus dem Jahr 2017 an und zeigt eine Verschärfung der Entwicklungen.
Zentrale Erkenntnis: Nur noch 14 % der befragten Oberärzt:innen streben die klassische
Chefarztkarriere an. In der Position der Oberärzt:innen verbleiben wollen 22 %. Die Folge:
Der Wettbewerb um die besten Köpfe zwischen den Krankenhäusern wird im
Gesundheitswesen weiter zunehmen. Gerade kleinere Kliniken werden vor immer größeren
Schwierigkeiten stehen, qualifizierte Spitzenkräfte zu rekrutieren. Etwas positiver sind die
Daten für Universitätskliniken: Zwar zielen nur rund 8 % der Befragten auf eine Karriere im
traditionellen Ordinariat ab. Dem gegenüber stehen jedoch als beliebte Karrierepfade mit 23
% die universitäre Sektionsleitung und mit aggregierten rund 22 % die Universitätsprofessur
(20 %) sowie die Juniorprofessur (2 %). Somit zeigen die Zahlen, dass sich etwa die Hälfte
der Befragten vorstellen kann, weiterhin in der Universitätsmedizin tätig zu sein. Die
Selbstständigkeit spielt für 8 % als nächsten Karriereschritt eine Rolle, nur 3 % können sich
den Weg in die Industrie oder in die Beratung in naher Zukunft vorstellen. Innerhalb der
Krankenhäuser zeichnet sich damit ein Karrierewandel ab, weg von Spitzenkarrieren, hin zu
Sektionsleitungen oder Oberarzt-Laufbahnen.
Die Studiendaten identifizieren drei Trends, aufgrund derer die Chefarzt-Laufbahn an
Attraktivität verliert. Erstens: Die Daten belegen, dass Oberärzt:innen weiter
schwerpunktmäßig kurativ in der Medizin tätig sein wollen und eine zu starke Einbindung in
Management-Tätigkeiten meiden. Zweitens: Die gezielte Entwicklung von
Führungskompetenzen spielt in der medizinischen Aus- und Weiterbildung kaum eine Rolle.
Vielen Oberärzt:innen fehlen daher nicht nur die entsprechenden Fähigkeiten, sondern vor
allem auch Vorbilder und Begeisterung für eine Leadership-Laufbahn. Drittens: Die
Bedürfnisse heutiger Oberärzt:innen und ihre Erwartungen an Arbeitgeber verändern sich
geschlechterübergreifend stark.

Der sich vor diesem Hintergrund abzeichnende Kulturwandel in Krankenhäusern zwingt
Arbeitgeber zum Umdenken mit Blick auf Themen wie Work-Life-Balance oder Teilzeit-Arbeitsmodelle.
Dr. Florian Liberatore, Privatdozent am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie und
wissenschaftlicher Studienleiter: „Die Studienergebnisse legen zwei Entwicklungen nahe, die
in Kombination auf dramatische Weise die Nachwuchsproblematik im deutschen Klinik-Sektor aufzeigen. Zum einen sehen nur noch rund 14 % der befragten Oberärzt:innen die
Laufbahn des Chefarztes beziehungsweise der Chefärztin als attraktive Karriereperspektive.
Der Kampf um qualifiziertes Fach- und Führungspersonal wird sich in der Fläche weiter
verschärfen. In naher Zukunft werden zentrale Positionen nicht mehr besetzt werden können.
Gerade kleinere Häuser werden diese Realität stark spüren. Das wird den Markt nachhaltig
verändern.“
Kurative Medizin bleibt Priorität, Management-Tätigkeiten wenig attraktiv
Zwar fühlen sich viele Oberärzt:innen laut Studie grundsätzlich für Management-Tätigkeiten
kompetent genug, aber das Interesse zur Übernahme ebendieser Tätigkeiten fehlt
weitestgehend. Gefragt nach einer idealen Aufteilung ihres Arbeitsalltags sollen bestenfalls
nur 12 % der Arbeitszeit auf Management-Tätigkeiten entfallen. Die kurative Versorgung der
Patient:innen steht mit 55 % im Mittelpunkt des gewünschten Arbeitsspektrums. Dahinter
folgen Forschung (19 %) und Lehre (14 %). Diese Ergebnisse sind ernüchternd, denn sie
haben wenig gemeinsam mit der täglichen Realität der Chefärzt:innen. Leitungs- und
Managementaufgaben nehmen hier den größten Teil des Tätigkeitsspektrums ein. Das
Resultat liefert einen weiteren Hinweis darauf, warum die Chefarztposition zunehmend an
Attraktivität verliert.
Führungskompetenzen fehlen, Vorbilder auch
Es fehlt an einem gezielten Kompetenzaufbau im Bereich Führung und Leadership. Was im
Studium beginnt, setzt sich auch in der beruflichen Laufbahn in den Krankenhäusern fort.
Zwar schreiben sich die befragten Oberärzt:innen selbst ein hohes Maß an
Führungskompetenzen und ein entsprechendes Interesse zu. Ein Blick in die Studiendaten
jedoch verdeutlicht: Ein Großteil der Befragten fühlt sich nicht ausreichend gut auf eine
Karriere als Chefärzt:in vorbereitet.
Liegt der Fokus auf jenen Befragten, die eine Laufbahn als Chefärzt:in anstreben, zeigen die
Daten dieser Zielgruppe den Willen zur Führung. Ein erwartbares Ergebnis. Gezielte
Weiterbildungen werden jedoch nur wenig in Anspruch genommen. Das zeigen die
Studienergebnisse: Aktuell besitzen nur 15 % dieser Gruppe eine spezialisierte
Zusatzausbildung, etwa in Form eines Master- oder MBA-Abschlusses. Deutlich häufiger
wurden mit 83 % Angebote einer internen Weiterbildung in Anspruch genommen. Auf externe
Angebote greifen 40 % zurück. Eine langfristige, zielgerichtete Vorbereitung auf
Führungsaufgaben ist dies nicht. Im Gegenteil: Die Zahlen sind ein deutliches Signal dafür,
dass es in deutschen Kliniken an systematischer ärztlicher Führungskräfteentwicklung
mangelt.
Dazu Dr. Florian Liberatore: „Zwar geben die Ergebnisse keine eindeutige Auskunft darüber,
ob diejenigen Oberärzt:innen, die über einen zusätzlichen Master- oder MBA-Abschluss
verfügen, diesen gemacht haben, um sich gezielt auf eine Chefarztposition vorzubereiten
oder aus reinem Management-Interesse.

Aber eines geht eindeutig aus den Daten hervor: Diejenigen Oberärzt:innen, die eine
entsprechende Zusatzqualifikation in der Tasche haben, fühlen sich auch besser auf eine
Führungsposition vorbereitet.“
Dr. Henrik Räwer, Co-Autor der Studie und Geschäftsführer der Rochus Mummert
Healthcare Consulting GmbH, ergänzt: „Aus Erfahrung wissen wir: Führung ist nicht
delegierbar. Umso wichtiger ist ein zielgerichteter Kompetenzaufbau in diesem Bereich.
Dafür ist es gleichbedeutend wichtig, potenzielle Chefärzt:innen frühzeitig für eine
entsprechende Karriere zu begeistern. Neben gezielten Weiterbildungsformaten eignen sich
auch Maßnahmen wie zum Beispiel Coachings und Mentoringprogramme. Der Einfluss
solcher Maßnahmen ist bei der Befähigung und Motivation universitärer Oberärzt:innen –
naturgemäß die Rekrutierungsreserve für Spitzenpositionen im Gesundheitswesen – nicht
zu unterschätzen.“
Die Studienergebnisse legen dar, dass diese Angebote weiter ausgebaut werden sollten. Wo
verfügbar, nutzen immerhin bereits 25 % aller Befragten ein Angebot im Bereich Mentoring,
18 % im Bereich Coaching. Das ist ein erfreuliches Signal.
Dass die Reflexion der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Stärken und Schwächen sowie
die Orientierung an Vorbildern wichtige Elemente für die berufliche und persönliche
Weiterentwicklung darstellen, zeigt die Erhebung ebenfalls: Alle Befragten, die an
mindestens einer der oben genannten Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen haben,
fühlen sich besser vorbereitet und sind höher motiviert, eine Chefärzt:innen-Laufbahn
anzustreben.
Kulturwandel zwingt Kliniken zum Umdenken
Die sich verändernden Wertevorstellungen sowie Familien- und Lebensmodelle jetziger und
zukünftiger Generationen fordern zwingend den Kulturwandel an deutschen
Krankenhäusern. Denn: Traditionelles Hierarchiedenken, starre Strukturen und
Rahmenbedingungen sowie Überstunden bringen viele praktizierende Mediziner:innen dazu,
ihre Karrierepläne zu reflektieren. Beispielhafte Problemfelder sind kleine, notorisch
unterbesetzte Teams mit einer daraus resultierenden, hohen Dienstbelastung. Dazu eine
Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit sowie der spürbare Anstieg in der Notfallversorgung. Vor
diesem Hintergrund meiden immer mehr Kandidat:innen den nächsten Karriereschritt. Die
Studienergebnisse sind insofern erwartbar, als dass geschlechterübergreifend der Wunsch
nach einer ausgeglichener Work-Life-Balance, Teilzeit-Arbeitsmodellen und allgemein
flexibleren und individuelleren Arbeitsbedingungen zunimmt. Darüber hinaus steigen die
Bedürfnisse der befragten Oberärzt:innen für Angebote in den Bereichen Kinderbetreuung
und Pflege von Angehörigen. Damit einher geht ein gestiegener Wunsch nach Wohnortnähe.
„Das Nebeneinander verschiedener Generationen und damit einhergehend
unterschiedlicher Wertevorstellungen ist eine enorme Herausforderung für Arbeitgeber.
Erwartungen und Bedürfnisse jüngerer Generationen passen nicht mehr zu den derzeit
vorherrschenden Strukturen und Abläufen in den Kliniken. Hier baut sich ein Spannungsfeld
auf: Arbeitgebern muss der Ausgleich gelingen, attraktive Rahmenbedingungen sowohl für
langjährige Mitarbeitende als auch für junge Mediziner:innen zu gestalten. Gerade jüngere
Mitarbeitende haben derzeit eine sehr starke Verhandlungsposition. Wenn Krankenhäuser
im War for Talents wettbewerbsfähig bleiben und Top-Talente an das eigene Haus binden
möchten, muss ihnen die Balance zwischen diesen Polen gelingen“, so Dr. Henrik Räwer.

Fazit
Festzuhalten ist, dass die befragten Oberärzt:innen an deutschen Universitätskliniken
eindeutige Gründe gegen eine Chefärzt:innen-Laufbahn kommunizieren. Darunter:
Ökonomische Zwänge, Bürokratie, hohe Arbeitsbelastungen, Patient:innenferne,
unattraktive Verträge sowie der stetig steigende wirtschaftliche Druck durch intensiven
Wettbewerb und Träger:inneninteressen. Für viele Oberärzt:innen steht fest: Das
Karriereziel Chefärzt:in ist überholt.
„Mit unserer Neuauflage der Studie können wir anhand aktueller, wissenschaftlich erhobener
und ausgewerteter Daten belegen, dass sich die Herausforderungen an deutschen Kliniken
weiter verschärft haben. Die Ergebnisse haben daher nicht nur für die Universitätsmedizin
und die Krankenhäuser eine hohe Relevanz. Ebenso müssen sie in der Gesundheitspolitik
und bei Verbänden gehört werden. Deren Akteure sind aufgefordert, gemeinsam an
Lösungen und Rahmenbedingungen für nachhaltig tragfähige ärztliche Versorgung der
Bevölkerung zu arbeiten“, so PD Dr. Florian Liberatore abschließend.
Über Die Studie:
Die Studie wurde von Rochus Mummert in Zusammenarbeit mit dem Winterthurer Institut für
Gesundheitsökonomie der ZHAW School of Management and Law umgesetzt. Im
Untersuchungszeitraum März - Mai 2021 haben 384 Oberärzt:innen deutscher
Universitätskliniken daran teilgenommen. Gegenstand der Forschung war, anschließend an eine
bereits 2017 veröffentlichte Studie, die Analyse von Karrierepfaden für Oberärzt:innen an
deutschen Universitätskliniken.
Methodik: Die Erhebung erfolgte mittels eines Online-Surveys. Es wurden sowohl standardisierte
Rating-Skalen als auch offene Antwortmöglichkeiten zur Abfrage verwendet. Die Daten wurden
deskriptiv als auch mittels multivariater Analyseverfahren ausgewertet.
Über Rochus Mummert:
Rochus Mummert zählt als unabhängige Personalberatung zu den Top-10 der Branche in
Deutschland. Von Dr. Rochus Mummert 1972 gegründet, steht das Unternehmen seit rund 50
Jahren für Individualität, Qualität sowie Innovation in der Personalberatung. Die
Personalberatung setzt sich zusammen aus den drei Gesellschaften Rochus Mummert Executive
Consultants GmbH, Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH sowie Rochus Mummert
digital. Die Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH ist auf die Besetzung von Führungsund Schlüsselpositionen im Gesundheitsmarkt spezialisiert.
Rochus Mummert steht seinen Mandanten und Kandidaten an bundesweit 6 Standorten zur
Seite. Der Hauptsitz befindet sich in München. Weitere Informationen finden Sie auf
www.rochusmummert.com

Quelle: Rochus Mummert, 03.11.2021

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