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Der nierenkranke Patient: Zwischen Wohl und Ökonomisierung

Der nierenkranke Patient: Zwischen Wohl und Ökonomisierung (KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation).



Vertreter aus Politik, Medizin und Pflege sowie der Wissenschaft waren der Einladung des gemeinnützigen KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V. zu einem gesundheitspolitischen Forum mit dem Titel Die nephrologische Versorgung zwischen Patientenwohl und Ökonomisierung am 26. September 2019 nach Berlin gefolgt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung
anlässlich des 50-jährigen Bestehens des KfH stand die Bedeutung der
Gemeinnützigkeit sowie die zunehmende Ökonomisierung in der Medizin,
insbesondere in der Nephrologie.

Ärzte, Pflegexperten und Patientenvertreter haben bei einem
gesundheitspolitischen Forum des KfH Kuratorium für Dialyse und
Nierentransplantation e. V. in Berlin die Bedeutung gemeinnütziger Anbieter in
der Nephrologie unterstrichen. „Die Gemeinnützigkeit in der nephrologischen
Versorgung tut dem Patienten gut“, stellte der KfH-Vorstandsvorsitzende
Professor Dr. med. Dieter Bach heraus. Als ärztlich getragene, gemeinnützige
und nicht gewinnorientierte Gesundheitseinrichtung biete das KfH weit mehr als
die reine Dialysebehandlung und habe ausschließlich den Patienten im Blick,
sagte Bach. Der KfH-Vorstandsvorsitzende skizzierte in Berlin die Sichtweise
des KfH für eine umfassende Behandlung: „Unser gemeinnütziger Blick geht vom
Patienten aus: Er soll im besten Fall gar nicht, oder aber möglichst lange
nicht an die Dialyse müssen. Prävention steht an erster Stelle. Sollte eine
Nierenersatztherapie unumgänglich sein, bieten wir das gesamte Spektrum der
nephrologischen Versorgung an.“ Gemeinnützigkeit in der Versorgung bedeute
Professionalität und müsse eine tragende Säule bleiben, so Bach.

Hintergrund der Themensetzung im gesundheitspolitischen Forum des KfH ist die
zunehmende Veränderung im Dialysemarkt in Deutschland: „Zu Lasten von
niedergelassenen Ärzten mit Dialyseeinrichtungen haben sich in den vergangenen
zehn Jahren industrie- und kapitalgetriebene Anbieter durch Aufkauf von Praxen
ausgebreitet“, skizzierte Prof. Dr. med. Ulrich Frei, Präsidiumsvorsitzender
des KfH. „Diese vom Shareholder Value gesteuerten Einrichtungen stehen dem
gemeinnützigen Verein gegenüber.“

Breite Würdigungen zu 50 Jahren KfH

Sabine Weiss, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für
Gesundheit, sagte vor Ort in ihrer Laudatio, das KfH sei „ein unverzichtbarer
Helfer im deutschen Gesundheitswesen“ und dort „ein Vorbild“. Weiss stellte
heraus, dass das KfH „der älteste und größte Dialyseanbieter in Deutschland und
jetzt ein nephrologischer Gesamtversorger ist, der sich den möglichst langen
Erhalt der Nierenfunktion auf die Fahne geschrieben hat.“ Für das KfH stünde
„nicht der wirtschaftliche Gewinn, sondern allein das Wohl des Patienten im
Mittelpunkt“. Weiss erinnerte speziell an die Rolle des KfH als Gründer der
Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die heute die
Organtransplantation in Deutschland koordiniert, und sprach die aktuelle
Organspende-Diskussion an: „Die doppelte Widerspruchsregelung fordert jeden
auf, sich mit der Organspende und der eigenen Spendebereitschaft
auseinanderzusetzen.“

Für die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) stellte Präsident Prof.
Dr. med. Andreas Kribben heraus, das KfH habe die hohe Qualität der
nephrologischen Versorgung in Deutschland wesentlich mitbegründet. Bezogen auf
die steigende Zahl kommerzieller Anbieter bei den ambulanten
Dialyseeinrichtungen sagte Kribben: „Um die Nephrologie dauerhaft in
Deutschland weiterzuentwickeln, ist es wichtig, dass wir gemeinsam auftreten
und mit einer Stimme sprechen.“

Prof. Dr. med. Ulrich Frei, Präsidiumsvorsitzender des KfH, erinnerte an die
Zeit vor 50 Jahren, als „das Versagen der Nieren ein Todesurteil war“. Mit der
KfH-Gründung wurde das Heimdialyseverfahren in Deutschland eingeführt: „Die
ersten Patienten samt Partner wurden von einem kooperierenden Arzt in London in
der Selbstbehandlung zu Hause geschult. Das genauso geniale wie einfache
Prinzip war, dass der Verein Dialysemaschinen auf Kredit besorgte und diese
durch Abrechnung der Einzelbehandlungen mit den Kostenträgern ebenso
finanzierte wie die pflegerische und ärztliche Betreuung.“

Patientenorientierung setzt medizinische Unabhängigkeit voraus

In einem Impulsvortrag nahm der Bremer Arzt und Medizinethiker Prof. Dr. Dr.
med. Karl-Heinz Wehkamp Stellung zur medizinischen Versorgung zwischen
Patientenwohl und Ökonomie. Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts seien die
ethischen Leitwerte der Medizin wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität
auch für das politische Gesundheitssystem bestimmend gewesen, sagte er. „Diese
Kongruenz wird aktuell unterlaufen: Die Medizin gerät unter die Herrschaft des
ökonomischen Kalküls und des betriebswirtschaftlichen Gewinnstrebens.“ Eigene
Forschungen legten den Schluss nahe, „dass in der deutschen Krankenhausmedizin
ökonomische Interessen zunehmend medizinische Entscheidungen beeinflussen – zum
Nachteil von Patienten und medizinischem Personal.“ Ärzte seien heute auch an
betriebswirtschaftliche Vorgaben wie Gewinn und Rendite gebunden. „Der
Charakter der Medizin verändert sich“, stellt Wehkamp fest. Es bestehe Gefahr,
dass finanzielle Anreize die beste Versorgung der Patienten verhindern. Wehkamp
möchte die Politik in die Pflicht nehmen und forderte unter anderem: „Schafft
eine Finanzierungsordnung, die Ärzte und Management nicht zwingen, Patienten
als ‚Cash Cows‘ zu missbrauchen. Lasst den Ärzten Zeit für die Basisleistungen
guter Medizin. Sprecht nicht von Qualitätsorientierung, während ihr
gleichzeitig die Voraussetzungen dafür entzieht.“ Echte Patientenorientierung
setze medizinische Unabhängigkeit voraus. Das KfH sei sicherlich „ein Bollwerk“
gegen die erkennbare Entwicklung.

Experten beziehen Stellung zur zunehmenden Ökonomisierung

Abgeschlossen wurde das gesundheitspolitische Forum des KfH von einer
Podiumsdiskussion, durch die der Medizinjournalist Helmut Laschet führte.
Vertreter aller Bereiche beleuchteten dabei, was die zunehmende Ökonomisierung
in der Nephrologie für die Patienten, die Pflegekräfte und die Nephrologen
bedeutet. Peter Gilmer (Mainz), Vorsitzender des Patientenverbandes
Bundesverband Niere e. V., wies darauf hin, dass auch die Selbsthilfe
gemeinnützig organisiert sei und „eine neue emotionale Heimat für die neuen
Lebensumstände“ als nierenkranker Patient biete. Prof. Dr. Michaela Zeiß
(Frankfurt am Main), Expertin für Pflege- und Gesundheitsmanagement, sagte:
„Wir brauchen hochqualifizierte Menschen, die in diesem Beruf gut arbeiten und
auch anerkannt werden. Und wir müssen daran arbeiten, dass die Pflege als Beruf
wertgeschätzt wird.“ Der KfH-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. med. Dieter Bach
erläuterte in der Podiumsdiskussion unter anderem den KfH-internen
Ethikleitfaden, in dem darauf hingewiesen wird, dass der Patient immer im
Mittelpunkt stehe. Der Kindernephrologe Prof. Dr. med. Peter Hoyer (Essen),
Vorsitzender der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie, wies darauf hin,
dass dank des KfH die nephrologische Behandlung von Kindern anerkannter
Standard sei. Die hohe Spezialisierung in diesem Feld bedeute, dass
medizinisches Know-how gebündelt werden müsse. In bundesweit 16
KfH-Nierenzentren für Kinder und Jugendliche wird die große Mehrheit aller
nierenkranken jungen Patienten behandelt. „Ohne die KfH-Struktur“, so Hoyer,
„wäre ihre Versorgung gar nicht möglich.“ Für den Medizinökonom und
Transplantationsmediziner Prof. Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c.
Eckhard Nagel (Bayreuth) ist das KfH „ein exzellentes Beispiel, wie
Gemeinnützigkeit die medizinische Entwicklung fördert. Das KfH habe in den
1970er Jahren erkannt, dass es mit der Nierentransplantation eine bessere
Behandlungsmethode als die Dialyse gibt und es diese entsprechend zu fördern
gelte. Nagel: „Sobald die Ökonomie die Leitkultur wird, wird sie zum Problem.“
Die Podiumsdiskussion endete passend mit einem Satz von Patientenvertreter
Peter Gilmer in Richtung der anwesenden Ärzteschaft: „Sie sind für die
Patienten der wichtigste Faktor, und lassen Sie die Kaufleute dann schauen, wie
das finanziert wird.“

Hintergrundinformation:

50 Jahre KfH

„Für den Patienten“: Dieser Leitgedanke begleitet das gemeinnützige KfH seit
seiner Gründung am 7. Oktober 1969. Um der medizinischen Versorgungsnotlage für
chronisch nierenkranke Patienten Ende der 1960er Jahre ein Ende zu bereiten,
gründete Dr. h.c. Klaus Ketzler zusammen mit seinen Mitstreitern das KfH, das
Kuratorium für Heimdialyse e. V. Hintergrund war ein persönliches Erlebnis: Ein
nierenkranker Freund und Berufskollege Ketzlers benötigte damals dringend die
lebensnotwendige Dialysebehandlung, doch es gab keine Aussicht für ihn, einen
der wenigen Dialyseplätze zu bekommen. Ketzler brachte in Erfahrung, dass in
England und den USA die Heimdialyse erfolgreich eingesetzt wurde. Das war die
Initialzündung für die Gründung des gemeinnützigen KfH, das seit nunmehr 50
Jahren auf die Behandlung nierenkranker Patienten spezialisiert ist.

Heute steht das KfH für eine umfassende und qualitativ hochwertige Versorgung
nierenkranker Patienten. In über 200 KfH-Zentren werden rund 19.000
Dialysepatienten sowie aktuell mehr als 70.000 Sprechstundenpatienten umfassend
behandelt. Rund 6.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um die
bestmögliche Versorgung der Patienten.

Quelle: KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation, 26.09.2019

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