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Drug Future Report 2019 Techniker

Drug-FutureReport - Wie bleiben Arzneimittel in Zukunft bezahlbar? (Techniker Krankenkasse, PDF, 658 kB).



Die Techniker Krankenkasse (TK) hat neue Bewertungsverfahren für Gentherapien gefordert. "Die bisherigen Verfahren für Arzneimittel sind für diese Therapien nicht konzipiert und ungeeignet", erklärt TK-Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas bei der Vorstellung des "Drug-Future-Reports" über neue zukunftsweisende Arzneimitteltherapien in Berlin. "Wir brauchen einen schnelleren Marktzugang für diese vielversprechenden Therapien und eine regelmäßige Überprüfung ihrer Erfolge und Kosten." Hierzu hat die TK unter dem Namen "Dynamischer Evidenzpreis" ein neues Konzept entwickelt.

Volle Produktpipelines
Die Produktpipelines der Anbieter seien in einigen Bereichen "rappelvoll". "In
den kommenden Jahren werden wir einen Innovationsschub auf dem
Arzneimittelmarkt erleben. Wenn wir unser Gesundheitssystem nicht jetzt darauf
vorbereiten, dann stehen wir in ein paar Jahren vor dem Problem, dass wir
reihenweise neue Therapien haben, die durch das System von Zulassung und
Erstattung fallen und daher in Deutschland den Patienten nicht zur Verfügung
stehen", so Baas.

Drohende Kostenexplosion
Wohin die Reise gehe und ob die Therapien die in sie gesteckten Erwartungen
auch erfüllten, lasse sich derzeit zwar noch nicht zuverlässig vorhersagen. Der
TK-Chef sagt: "Aber es besteht durchaus die Chance, dass wir in den kommenden
Jahren einige wirklich bahnbrechende Therapien erhalten." Gleichzeitig drohe
eine massive Kostenexplosion. Derzeit gebe es in Deutschland beispielsweise
rund 4000 Bluter-Patienten mit einer Dauermedikation. Für die aktuelle
Standardtherapie mit Faktor-Präparaten wende die gesetzliche
Krankenversicherung derzeit insgesamt etwa 480 Millionen Euro auf. Bei der
Einführung der 2023 erwarteten Gentherapie für diese Krankheit könnten die
GKV-Ausgaben auf vier Milliarden Euro steigen, so Baas. Das wären rund zehn
Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Dabei sei die Bluterkrankheit nur
eine von zahlreichen Krankheiten, bei der mit Fortschritten gerechnet werde.
Baas: "Das zeigt die Dynamik und den finanziellen Sprengstoff der aktuellen
Entwicklung."

Datenlage häufig sehr dünn
Ein Problem sei die häufig sehr dünne Datenlage beim Markteintritt von neuen
Therapien. Die untersuchte Patientenzahl vor Marktzulassung sei in vielen
Fällen zu klein, um Sicherheit und Langzeitwirksamkeit nachzuweisen. "Es werden
immer mehr Arzneimittel beschleunigt oder basierend auf einer geringen
Datenbasis zugelassen", erklärte der Kassenchef. Besonders bei Arzneimitteln
für seltene Erkrankungen - sogenannten Orphan Arzneimittel - werde der
Wirksamkeitsnachweis häufig auch Jahre nach der Zulassung noch nicht erbracht.
Baas: "Das müssen wir mit einem neuen System ändern."

TK-Konzept: "Dynamischer Evidenzpreis"
Das Konzept des Dynamischen Evidenzpreises sieht eine von Herstellern und
Kassen unabhängige Datenerhebung über die Therapieerfolge in einem zentralen
Register vor. "Dadurch können wir beim Markteintritt noch bestehende
Evidenzlücken so schnell wie möglich schließen, was zu einer höheren
Patientensicherheit führt", erklärt der Leiter der TK-Arzneimittelversorgung
Tim Steimle. In den ersten beiden Jahren nach der Markteinführung könnten die
Pharmahersteller ihre Preise bis zu einer Obergrenze, die sich an den
europäischen Durchschnittspreisen orientiert, frei wählen. Danach sollen
Hersteller und Kassen anhand der ermittelten Daten erstmals über die
Erstattungspreise verhandeln. Diese Preisverhandlungen sollen danach in
12-Monats-Abständen auf Basis des jeweils aktuellen Datenstandes wiederholt
werden.

Aufschlag für Hersteller, die in Europa forschen und entwickeln
Steimle: "Dabei profitiert nicht nur die Versichertengemeinschaft von fairen
Preisen, sondern auch die pharmazeutische Industrie. Für Präparate mit guten
Behandlungserfolgen werden nach dem Konzept höhere Preise bezahlt und für
weniger wirksame Präparate niedrigere." Zusätzlich sollen Unternehmen, die in
Deutschland und Europa forschen und entwickeln, in den ersten 24 Monaten einen
Aufschlag auf ihren Preis nehmen dürfen.

Ergänzendes Verfahren zum AMNOG-Prozess
Der dynamische Evidenzpreis sei dabei keinesfalls ein Ersatz für den seit 2011
üblichen Weg der Preisermittlung für neue Arzneimittel, den sogenannten
AMNOG-Prozess. Steimle: "Unser Konzept sieht vielmehr vor, dass der Gemeinsame
Bundesausschuss sechs Monate vor der Zulassung darüber entscheidet, ob der
Preis für ein Arzneimittel nach dem bisherigen AMNOG-Verfahren ermittelt wird
oder nach dem Dynamischen Evidenzpreis. Unser Modell ergänzt also nur das
bestehende System und hat vor allem bei neuartigen Verfahren mit niedrigen
Fallzahlen große Vorteile."

"In der Medizin ist eine Revolution im Gange"
Nach Einschätzung des Publizisten und Journalisten Thomas Schulz ist der
anstehende Innovationsschub zum einen auf neue Erkenntnisse durch die
Entschlüsselung des menschlichen Genoms zurückzuführen. Gleichzeitig erlaubten
immer schnellere Rechner und die weltweite Vernetzung immer umfangreichere
Datenanalysen. "In der Medizin ist eine Revolution im Gange, schon in wenigen
Jahren wird sie ganz anders aussehen", sagt Schulz. "Erst wenn man weiß, wie
die Krankheit entsteht und verläuft, kann man gezielt nach Angriffspunkten
suchen, an denen Medikamente ansetzen." Die Entwicklung verlaufe dabei
exponentiell. Deshalb rechnet er in den kommenden Jahren mit enormen
Fortschritten.

Silicon Valley forscht an den Therapien von morgen
Die Biologie zu entschlüsseln und Krankheiten zu verstehen, sei heute
insbesondere ein Datenproblem. Im US-amerikanischen Silicon Valley hätten nicht
nur die großen Technik- und Softwarekonzerne den Gesundheitsmarkt für sich
entdeckt. Auch Banken und Wagniskapitalgeber steckten riesige Summen in den
Biotechnologiebereich. Schulz: "Wer ganz neue Therapien, neue Arzneimittel
entwickelt, wird damit viel Geld verdienen können, sehr viel Geld."

Bei aller Euphorie über die neuen Chancen benötige die Gesellschaft allerdings
eine breite Debatte über Kosten, Zugang, Datenschutz und Ethik der neuen
Therapien. Schulz: "Es wird höchste Zeit, diese Debatten zu beginnen."

Die TK wolle mit ihrem Report den Diskurs anstoßen, erklärte Baas. "Die beste
und innovativste Medizin kann nur nutzen, wenn der richtige Patient sie zur
richtigen Zeit erhält."

Quelle: Drug-FutureReport - Wie bleiben Arzneimittel in Zukunft bezahlbar? (Techniker Krankenkasse, 27.02.2019

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