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Ärztliche Zweitmeinung: 15 Vorschläge für eine Ausweitung des Verfahrens mydrg.de





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Ärztliche Zweitmeinung: 15 Vorschläge für eine Ausweitung des Verfahrens

Ärztliche Zweitmeinung: 15 Vorschläge für eine Ausweitung des Verfahrens (IQWiG).



Das IQWiG identifiziert Eingriffe und Eingriffsgruppen, bei denen Patientinnen und Patienten von einem Zweitmeinungsverfahren besonders profitieren könnten. Bei der individuellen Entscheidungsfindung für oder gegen einen bestimmten planbaren medizinischen Eingriff haben gesetzlich Krankenversicherte in
definierten Fällen einen Anspruch darauf, sich eine unabhängige zweite
ärztliche Meinung einzuholen. Für welche Eingriffe dies konkret gilt, legt der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren
fest. Dieser Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung soll auf weitere
Eingriffe ausgeweitet werden. Deshalb beauftragte der G-BA das Institut für
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit,
therapeutische Eingriffe oder diagnostische Maßnahmen zu identifizieren, die
für eine Aufnahme in die Zweitmeinungs-Richtlinie des G-BA infrage kommen.

In der nun vom Institut vorgelegten Zusammenstellung finden sich unter anderem
kardiologische, kardiochirurgische sowie gefäßchirurgische Eingriffe und
Untersuchungen. Des Weiteren sind HNO-Eingriffe, abdominal-chirurgische
Operationen, Prostatektomien bei unterschiedlicher Indikation und der
Hüftgelenksersatz bei Coxarthrose Teil der Empfehlung.

Der gesetzliche Anspruch auf Zweitmeinung
Seit vielen Jahren wird für Industrienationen eine mögliche Überversorgung von
Patientinnen und Patienten mit medizinischen Leistungen diskutiert. Dabei geht
es auch um die Frage, ob alle Maßnahmen, die Ärztinnen und Ärzte empfehlen, aus
medizinischer Sicht notwendig sind und wo hier Ermessensspielräume bestehen.
Ein möglicher Ansatz zur Verbesserung der Versorgung liegt in der stärkeren
Einbeziehung von Patientinnen und Patienten in sie betreffende medizinische
Entscheidungen. Die umfangreiche Information der Betroffenen kann die Fähigkeit
zur Unterscheidung von notwendigen zu nicht notwendigen Gesundheitsleistungen
schärfen.

Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber 2015 einen wegweisenden
Schritt getan: Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz verankerte er den
Anspruch auf Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung für gesetzliche
Krankenversicherte in das Sozialgesetzbuch V. Mandeloperationen und die
operative Gebärmutterentfernung waren 2018 die ersten Interventionen, die in
die Zweitmeinungsrichtlinie des G-BA aufgenommen wurden. 2019 folgte die
Schulterarthroskopie, 2020 die Knie-Totalendoprothese, 2021 sollen Eingriffe an
der Wirbelsäule und die Amputation beim diabetischen Fußsyndrom folgen.

Literaturrecherche plus eigene empirische Analysen
Laut Gesetz zielt das Zweitmeinungsverfahren auf elektive, also planbare
Eingriffe, bei denen „insbesondere im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung
ihrer Durchführung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen
ist“. Bei der Auswahl weiterer geeigneter Eingriffe für das
Zweitmeinungsverfahren spielten daher die Mengenentwicklung und die regionale
Praxisvariation in Deutschland sowie internationale Erfahrungen eine wichtige
Rolle.

In einer nationalen und internationalen Literaturrecherche identifizierte das
IQWiG Prozeduren und Eingriffe, bei denen eine mögliche Überversorgung
besonders intensiv diskutiert wird. Der so gewonnene Pool an elektiven
Eingriffen diente den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anschließend
als Ausgangsbasis für eigene empirische Analysen nach den folgenden Kriterien:
Eingriffshäufigkeit, Mengendynamik, regionale Variation und Elektivität. Die
Auswertung und Kombination dieser Kriterien zeigte für die folgenden 15
Eingriffe und Eingriffsgruppen die deutlichsten Hinweise darauf, dass ein
Zweitmeinungsverfahren für Patientinnen und Patienten eine
Entscheidungsunterstützung bieten könnte:

Herzkatheter-Untersuchung
Myokardperfusionsbildgebung (radiologische Herzdurchblutungsdiagnostik)
Myringotomie (Trommelfellschnitt zur Einlage eines Paukenröhrchens bei
chronisch rezidivierenden Mittelohrentzündungen)
Nasenoperationen
Operationen an unterer Nasenmuschel
submuköse Resektion und plastische Rekonstruktion des Nasenseptums
(Nasenscheidewandoperationen)
Herzklappenersatz
Koronararterien-Bypassoperation (CABG) (operative Anlage von Umgehungsgefäßen
bei Verengung der Herzkranzarterien)
Implantation eines Defibrillators/Herzschrittmachers
Endarteriektomie (Arterienausschälung)
Aortenaneurysma-Eingriffe
bariatrische Chirurgie (Adipositas-Operationen)
Cholezystektomie (Entfernung der Gallenblase)
Prostatektomie (benigne und maligne Erkrankungen)
Hüftgelenkersatz
elektrophysiologische Untersuchung und Ablation am Herzen (Untersuchung und
Ausschaltung übererregbaren Herzgewebes)
perkutane Koronarintervention (PCI) (kathetergestützte Eingriffe zur
Durchblutungsverbesserung in verengten Herzkranzarterien)
Das IQWiG weist darauf hin, dass für die Erstellung des Rapid Reports – anders
als für die ausgewertete Fachliteratur – kurzfristig nur empirische Daten für
die stationäre Versorgung aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes
verfügbar waren. Ein vollständiges Abbild der Versorgungssituation ergäbe sich
für einige Eingriffe aber nur mit dem Einbezug der ambulanten
Leistungserbringung durch niedergelassene Ärzte/Operateure.
Mit der PCI und der CABG sind zwei gegebenenfalls alternative und
unterschiedlich invasive Therapieoptionen bei Herzkranzgefäßverengungen in der
Auswahl enthalten, die in einem Zweitmeinungsverfahren fallweise gegeneinander
abzuwägen und in einer Entscheidungshilfe für Patientinnen und Patienten
entsprechend darzustellen wären, betonen die Autorinnen und Autoren des
Berichts. Das Gleiche gelte für den Fall einer Erstdiagnostik einer stabilen
chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK), wo die noch überwiegend angewendete
Herzkatheter-Untersuchung gegen eine weniger invasive Bildgebungsdiagnostik mit
CT- und MRT-gestützten Prozeduren (Myokardperfusionsbildgebung) abzuwägen sei.

Solide Grundlage für weitere Auswahldiskussionen im G-BA
Eine differenzierte Nutzenbewertung der einzelnen für das
Zweitmeinungsverfahren vorgeschlagenen Eingriffe und Prozeduren war im Rahmen
dieses Projekts nicht möglich. Allerdings hat das Projektteam systematische
Übersichten und evidenzbasierte Leitlinien recherchiert, die in vielen Fällen
bei den zumeist schon länger angewendeten diagnostischen und therapeutischen
Eingriffen und Prozeduren beurteilen ließen, wie gut belegt deren Nutzen ist.

„Auch wenn noch weiterer Klärungsbedarf besteht, bildet der vorliegende
Bericht eine solide Grundlage für weitere Auswahldiskussionen im Gemeinsamen
Bundesausschuss“, sagt IQWiG-Leiter Jürgen Windeler.

Zum Ablauf der Berichterstellung
Der G-BA hat das IQWiG am 16.04.2020 beauftragt, eine Auswahl von circa 15
elektiven Eingriffen zu empfehlen, die für eine potenzielle Aufnahme in die
Zweitmeinungs-Richtlinie infrage kommen. Laut Beauftragung sollte der Bericht
in einem beschleunigten Verfahren als sogenannter Rapid Report erstellt
werden. Zwischenprodukte wurden daher nicht veröffentlicht und nicht zur
Anhörung gestellt. Der vorliegende Rapid Report wurde am 26. Februar 2021 an
den Auftraggeber versandt.

Quelle: IQWiG, 26.03.2021

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