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BARMER-Arzneimittelreport 2020 - Sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie

BARMER-Arzneimittelreport 2020 - Sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie (Download, PDF, 1 MB).



In Jahrzehnten ist es nicht gelungen, die Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg besser zu organisieren. Mit diesen deutlichen Worten beschreibt der Vorstandsvorsitzende der BARMER, Prof. Dr. Christoph Straub, die immer noch vorhandenen gravierenden Informationslücken zwischen den Behandlungsbereichen.
Besonders gefährdet seien dabei Millionen von Polypharmazie-Patienten. Häufig
würden wichtige Informationen zum Patienten, zum Beispiel zur Medikation, dem
Krankenhaus gar nicht vorliegen. Aber auch nach Entlassung aus der Klinik
würden Patient und weiterbehandelnde Ärzte nicht ausreichend über
Therapieänderungen informiert. Das sind zentrale Erkenntnisse aus dem aktuellen
Arzneimittelreport der BARMER, der am heutigen Donnerstag (13. August) in
Berlin vorgestellt wurde.

Bundeseinheitlicher Medikationsplan häufig nicht vorhanden
Jedes Jahr müssen mehrere Millionen Menschen ins Krankenhaus, die mindestens
fünf Arzneimittel zugleich einnehmen. Allein im Jahr 2017 waren bundesweit 2,8
Millionen Personen am Tag ihrer Klinik-Aufnahme Polypharmazie-Patienten. Gerade
bei dieser besonders gefährdeten Gruppe kommt es bei der Aufnahme ins und der
Entlassung aus dem Krankenhaus häufig zu Informationsdefiziten mit
schlimmstenfalls lebensbedrohlichen Folgen aufgrund von Behandlungsfehlern. So
hatten nur 29 Prozent der Patienten bei der Klinikaufnahme den
bundeseinheitlichen Medikationsplan, der Informationsverluste zwischen Ärzten
verhindern soll. 17 Prozent verfügten über gar keine aktuelle Aufstellung ihrer
Medikamente. Dies hat eine Umfrage unter rund 2.900 bei der BARMER versicherten
Polypharmazie-Patienten über 65 Jahren ergeben. Vorhandene Pläne waren zudem
häufig unvollständig. „Es ist unverständlich, dass die Aufnahme in ein
Krankenhaus als millionenfacher Prozess so fehleranfällig ist. Das kann
lebensgefährlich sein. Es muss verhindert werden, dass Patienten aufgrund von
Informationsdefiziten zu Schaden kommen“, so Straub.
Patienten bekommen Therapiewechsel häufig nicht erklärt
Wie aus dem BARMER-Report weiter hervorgeht, fließen die Informationen zur
Arzneimitteltherapie auch während des Klinikaufenthalts nur bruchstückhaft. So
gaben über 30 Prozent der von der BARMER Befragten an, dass ihnen die
Arzneitherapie vom Arzt nicht erklärt worden sei. Jeder dritte Patient mit
geänderter Therapie habe zudem vom Krankenhaus keinen aktualisierten
Medikationsplan erhalten. „Eine Arzneitherapie kann nur erfolgreich sein, wenn
der Patient sie versteht und mitträgt. Dazu muss er sie entsprechend erklärt
bekommen. Informationsdefizite dürfen auch deswegen nicht auftreten, weil die
Therapie nach einem Krankenhausaufenthalt häufig noch komplexer wird“, sagte
der Autor des Arzneimittelreports, Prof. Dr. Daniel Grandt, Chefarzt am
Klinikum Saarbrücken. Zudem würden die Medikationsrisiken im Krankenhaus nicht
erkennbar geringer. Laut Arzneimittelreport sei die Anzahl der Patienten, die
nach der sogenannten PRISCUS-Liste eine nicht altersgerechte
Arzneimitteltherapie erhalten, nach der stationären Behandlung höher als zuvor.
Weiter habe jeder zehnte Patient nach dem Krankenhausaufenthalt Arzneimittel
von einem Arzt verordnet bekommen, bei dem er im halben Jahr zuvor nicht in
Behandlung war.
Informationsdefizite von der Klinik hin zum Allgemeinmediziner
Den Reportergebnissen zufolge stockt zudem die Weitergabe von
behandlungsrelevanten Daten aus dem stationären in den ambulanten Sektor.
Indizien dafür liefert eine Umfrage für den Arzneimittelreport unter 150
Hausärzten. Demnach waren 40 Prozent der befragten Allgemeinmediziner mit den
Informationen durch das Krankenhaus unzufrieden oder sehr unzufrieden. So seien
nur bei jedem dritten betroffenen Patienten Therapieänderungen begründet
worden. Wie die Routinedatenanalyse zeigt, hatten 41 Prozent der Versicherten,
also fast 484.000 Personen, nach Entlassung mindestens ein neues Arzneimittel
bekommen. „Umfassende Informationen von der Klinik zum weiterbehandelnden Arzt
sind unerlässlich. Dies gilt umso mehr, da stationär behandelte Patienten
zunehmend älter sowie mehrfach erkrankt sind und polypharmazeutisch behandelt
werden. Von einer modernen sektorenübergreifenden Versorgung ist unser
Gesundheitswesen meilenweit entfernt“, so Grandt.
Projekt TOP stärkt Patientensicherheit
Ursache der Informationsdefizite sei weniger der einzelne Arzt, als vielmehr
der unzureichend organisierte und nicht adäquat digital unterstützte Prozess
einer sektorenübergreifenden Behandlung, sagte BARMER-Chef Straub. Entscheidend
sei, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um der Ärzteschaft die Arbeit zu
erleichtern und Risiken für Patienten zu minimieren. Daher habe die BARMER mit
zahlreichen Partnern das Innovationsfondsprojekt TOP ins Leben gerufen, das im
Oktober startet. TOP stehe für „Transsektorale Optimierung der
Patientensicherheit“ und stelle den behandelnden Ärzten aus Krankenkassendaten
alle behandlungsrelevanten Informationen zur Verfügung, sofern der Patient sein
Einverständnis gegeben habe. Dazu gehörten Vorerkrankungen und eine Liste aller
verordneten Arzneimittel. Zudem arbeiteten Ärzte und Apotheker im Krankenhaus
zusammen. Im Krankenhaus werde der Medikationsplan des Patienten
vervollständigt oder erstellt, sofern noch nicht vorhanden, und die Therapie
erklärt. „TOP ermöglicht zudem einen Informationsaustausch zwischen dem
Krankenhaus und den einweisenden Ärztinnen und Ärzten ohne Reibungsverluste.
Das Projekt hat das Potenzial, die Risiken sektorenübergreifender Behandlung in
der Routineversorgung zu minimieren“, sagte Straub.

Quelle: Pressemitteilung, 13.08.2020

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