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Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie fürchtet Zertifizierungsstau bei Implantaten mydrg.de





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Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie fürchtet Zertifizierungsstau bei Implantaten

EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR): Drohende Engpässe bei orthopädischen und unfallchirurgischen Implantaten (DGOU).



Nach Lieferengpässen für Medizinprodukte durch die Corona-Pandemie droht nun der Ausfall wichtiger Implantate für orthopädische und unfallchirurgische Operationen. Ursache dafür ist die seit einem Jahr geltende neue Medizinprodukteverordnung (MDR). Sie sieht eine erneute Zertifizierung auch für
Implantate vor, die seit langem genutzt werden. „Für Implantate, die sich seit
vielen Jahren bewährt haben und für selten verwendete spezielle Implantate muss
in Brüssel oder in Berlin eine Lösung gefunden werden, damit sie weiterhin für
unsere Patienten zur Verfügung stehen“, sagt Prof. Dr. Andreas Halder,
stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und
Unfallchirurgie (DGOU) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie
und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). „Es ist zu befürchten, dass wir einigen
Patientinnen und Patienten bald sagen müssen: Es tut uns leid, wir müssen Ihren
Operationstermin absagen, wir bekommen keine passende Prothese für Sie.“

Die Medizinprodukteverordnung (MDR) wurde im April 2017 vom europäischen
Parlament erlassen, die erste Übergangsfrist endete am 27. Mai 2022. In der
Folge sind die ersten Produkte aktuell schon nicht mehr verfügbar, die letzten
Genehmigungen laufen 2024 aus. Orthopäden und Unfallchirurgen wollen ihre
Patienten jedoch auch in Zukunft auf bewährt hohem Qualitätsniveau versorgen.
Sie befürchten, dass bald dringend benötigtes Material fehlen wird und
notwendige Operationen verschoben werden müssen. So bedeutet der Einsatz eines
künstlichen Gelenks bei vielen Patientinnen und Patienten mehr Mobilität und
Unabhängigkeit sowie Schmerzfreiheit. Auch nach schweren Unfällen erwarten die
Menschen eine exzellente medizinische Versorgung von Knochendefekten, um
Folgeschäden zu minimieren. Die Ärzte und Ärztinnen befürchten, dass das
Verschwinden von bisher verwendeten Endoprothesen, Nägeln und Platten auf dem
Markt deutliche Auswirkungen auf die unfallchirurgische Versorgung sowie auf
die Versorgung von Patienten mit Gelenkersatz haben wird. „Dies kann zur Folge
haben, dass Operateure andere Implantate als bisher verwenden müssen, mit denen
sie weniger Erfahrung haben und für die keine Langzeitergebnisse vorliegen.
Zudem besteht die Gefahr, dass für ältere Implantate keine Ersatzteile mehr
verfügbar sind“, sagt Halder. Dringend erforderlich sei daher eine
Nachbesserung der MDR.

Die Medizinprodukteverordnung (MDR) der EU regelt die Zulassung und den
Vertrieb von Medizinprodukten, von denen es in Europa mehr als 450.000 gibt.
Diese werden je nach möglichem Risiko für den Patienten in drei Klassen
eingeteilt. So zählen beispielsweise zur Klasse 1 Gehhilfen und Heftpflaster,
zur Klasse 2a Hörgeräte und Einmalspritzen, zur Klasse 2b Defibrillatoren und
Kondome und zur Klasse 3 Endoprothesen sowie Nägel und Platten zur Versorgung
von Knochenbrüchen. Ziel der MDR war es, diese Produkte sicherer zu machen,
indem sich alle erneut der Zertifizierung unterziehen müssen, und zwar nicht
nur wie bislang durch eine akkreditierte Zulassungsstelle, sondern auch durch
verschiedene Expertengremien. Für die Zertifizierung muss die Herstellung
dokumentiert werden, es müssen umfangreiche klinische Studien vor
Markteinführung nachgewiesen werden und das Produkt muss während seiner
Anwendung kontrolliert werden. „Wir begrüßen ausdrücklich diese Initiative für
mehr Sicherheit aller Medizinprodukte. Der Skandal um defekte Brustimplantate
hat gezeigt, dass die Prüfung in diesem Bereich unzureichend war“, sagt Prof.
Dr. Bernd Kladny, Generalsekretär der DGOU und der DGOOC.

Allerdings gilt diese Regelung nicht nur für neu entwickelte Medizinprodukte,
deren Wirkung noch nicht bekannt ist, sondern auch für Bestandsprodukte, die
seit Jahren, zum Teil Jahrzehnten erfolgreich und ohne Auffälligkeiten im
Einsatz sind. Nach Ansicht der DGOU sind Anwenderstudien für neu am Markt
eingeführte Produkte unabdingbar, für langjährig bewährte aber ethisch nicht
vertretbar und wissenschaftlich nicht sinnvoll. Es wird befürchtet, dass viele
Hersteller auch klinisch wichtige Bestandsprodukte vom Markt nehmen, da der
hohe Aufwand der Re-Zertifizierung oft in keinem Verhältnis zum Verkaufserlös
älterer Produkte stehe. Dies alles gilt umso mehr für sogenannte
Spezialprodukte, die nur in sehr kleiner Stückzahl angefertigt werden, um in
ausgewählten Fällen zum Einsatz zu kommen – in denen sie aber unverzichtbar
sind. „Dies gilt insbesondere in der Kinder- und Tumororthopädie, hier drohen
gravierende Nachteile für die Patienten“, sagt Prof. Dr. Dietmar Pennig,
stellvertretender DGOU-Generalsekretär und Generalsekretär der Deutschen
Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Damit muss der Operateur in Zukunft
gegebenenfalls auf ein weniger geeignetes Implantat zurückgreifen, mit
eindeutigen Nachteilen für die Betroffenen.

Abgesehen vom hohen Aufwand der aus klinischer Sicht nicht erforderlichen
Re-Zertifizierung fehlt es an Zulassungsstellen, die ebenfalls alle erneut
akkreditiert werden müssen. Das führt zu einem Zertifizierungsstau und viele
Produkte werden schon deshalb nicht mehr verfügbar sein. Auch werden
Innovationen gebremst. Der hohe Aufwand der erneuten Zertifizierung und die
zeitliche Verzögerung treffen vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die
hochinnovative Produkte entwickeln. Es ist zu befürchten, dass viele von ihnen
vom Markt gehen werden und die Abhängigkeit von wenigen großen Konzernen
zunehmen wird.

Quelle: DGOU, 30.05.2022

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