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Von der Ergebnisqualität hin zur Patientenorientierung: Paradigmenwechsel in der Qualitätssicherung

Von der Ergebnisqualität hin zur Patientenorientierung: Datentransparenz, sektorenübergreifende Qualitätsparameter und eine patientenorientierte Aufbereitung (IKK).



Um die Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen nachhaltig zu verbessern, ist ein Paradigmenwechsel von einer institutionellen Sicht hin zu einer Patientenorientierung notwendig. Ziel muss es sein, die vorhandenen Daten zu verknüpfen und auswertbar zu machen sowie zu ergänzen, um über eine Darstellung
der reinen Ergebnisqualität hinaus zu einer patientenorientierten
Qualitätsberichtserstattung zu kommen. Das ist das Fazit der 25. Plattform
Gesundheit des IKK e.V. am 23. März 2022. Unter der Überschrift „Qualität und
Transparenz im Gesundheitswesen: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ diskutierten
Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und
Gesundheitswirtschaft sowie über 110 zugeschaltete Teilnehmerinnen und
Teilnehmer. Zudem müssten die patientenrelevanten Informationen auch in einer
verbraucherfreundlichen Form, das bedeutet adressaten- und situationsgerecht
aufbereitet, in einem niedrigschwelligen Kanal bereitgestellt werden.

In seiner einführenden Rede mahnt Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender
des IKK e.V., die Dringlichkeit des Themas an und verweist auf die Studie der
Bertelsmann Stiftung, die am Morgen veröffentlicht wurde. Demnach fühlen sich
64 Prozent bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer
Pflegeeinrichtung nicht ausreichend informiert. „Aber genauso wie die Kundinnen
und Kunden des Handwerks müssen sich Patientinnen und Patienten darauf
verlassen können, dass in Arztpraxen und im Krankenhaus grundsätzlich eine hohe
Qualität der Behandlung gewährleistet wird“, fordert er. Im Übrigen gelte das
ebenso auch für die Qualität der Arbeit der Krankenkassen. Die
Innungskrankenkassen wollen einen Qualitäts- und Leistungswettbewerb, der von
den Patienten und Versicherten her gedacht ist. „Hier ist Transparenz ein
entscheidender Faktor“, weiß Wollseifer. „Die Versicherten sollen qualifiziert
entscheiden können, bei welcher Kasse sie versichert sind.“

Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die
Grünen, schließt sich dem Vorstandsvorsitzenden des IKK e.V. bei dem Ziel eines
„mündigen Patienten“ an. Sie gibt zu bedenken: „Wir haben es mit einem so
komplexen Gesundheitswesen zu tun, dass viele Patienten ratlos dastehen und
überfordert sind.“ Wenn man Qualität umfassend darstellen wolle, dann müsse es
deshalb mehr als lediglich Ergebnisqualität sein. Aus Perspektive der Patienten
umfasse der Qualitätsbegriff neben der Struktur- und Prozessqualität auch
Fragen wie die Nutzerbeteiligung und Patienteninformation. „Man muss den
gesamten Patientenweg in den Blick nehmen“, so Klein-Schmeink. Die Abgeordnete
verspricht, dass die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele trotz der aktuell
angespannten internationalen Situation und unter der weiterhin bestehenden
Pandemiesituation angegangen werden. „Wir kommen um die im Koalitionsvertrag
verabredeten Reformen nicht herum, sie sind überfällig: etwa eine wohnortnahe,
sektorenübergreifende Versorgung, eine Krankenhaustrukturreform, Nutzung der
Digitalisierung, stärkere Patientenorientierung niedrigschwelliger Angebote und
eine Verstetigung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD), um sie zu einer
wesentlichen Anlaufstelle für Patienten zu machen“, erläutert Klein-Schmeink.

Prof. Dr. Eva Maria Bitzer, Professorin für Medizin in der Gesundheitspädagogik
an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, stellt mit Blick auf das Thema der
Plattform fest, dass das Thema Patientensouveränität offenbar noch nicht gelöst
sei, obwohl es seit 20 Jahren im Fokus stünde. Sie beobachtet seit langem, dass
die Begeisterung für Gesundheitskompetenz in der Politik und im
Gesundheitswesen eigentlich dem Umstand geschuldet sei, die Verantwortung auf
die Kompetenz der Menschen abzuwälzen. Sie warnt: „Gesundheitskompetenz stärken
heißt nicht, Patienten zu Ärzten zu machen und Verantwortung abzugeben!“
Stattdessen sieht die Professorin es als den richtigen Weg an, das
Gesundheitssystem patientenorientiert zu gestalten und seine Organisationen so
weiterzuentwickeln, dass für alle Menschen gesundheitskompetentes Handeln im
Sinne eines effektiven Selbstmanagements möglich ist. Die Frage sei nicht, ob
die Gesundheitskompetenz der Patienten in Deutschland zu qualitätsorientierten
Entscheidungen befähige, sondern wie die Institutionen der gesundheitlichen
Versorgung mündige Entscheidungen zur qualitätsorientieren Inanspruchnahme
unterstützen würden“, erklärt Bitzer.

Die Diskutanten der Podiumsdiskussion sind sich einig, dass nach den vielen
Jahren der Diskussion und Strategieentwicklung nunmehr ein großer Wurf zum
Thema Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen notwendig sei. In einem
ersten Schritt benötige man eine klare Datenlage. Die Digitalisierung ebne hier
ja den Weg. Prof. Dr. med. Claus-Dieter Heidecke, MBA, Leiter des Instituts für
Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), stellt jedoch
fest, dass es unendlich viele Informationsquellen gebe. „Diese gehören
gebündelt“, fordert der IQTIG-Leiter. Eine weitere Herausforderung liege darin,
dass die Qualitätssicherung bislang ganz überwiegend den stationären Sektor
betreffe. Aber auch seien noch Lücken und nicht alle Bereiche erfasst. „Es muss
nun darum gehen, nicht nur alle stationären Bereiche abzudecken, sondern vor
allem auch den ambulanten Sektor in die Qualitätsbetrachtung mit
einzubeziehen“, so Heidecke.

Stephan Pilsinger, MdB, CSU, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen
Bundestages und fachpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe für
Gesundheitspolitik, ergänzt aus Sicht der Ärzte: „Wir brauchen klare
Strukturen, wie man Transparenz an den Tag legt, wir brauchen Daten zur
Patientenzufriedenheit und Infrastrukturdaten.“ Es gehe auch um „Pay for
performance“, meint er. Wer sich als Arzt um digitale Leistung und Transparenz
bemühe, müsse anders bezahlt werden, als ein Arzt, der sich dem verschließe, so
Pilsinger, der hier eine grundsätzliche Offenheit bei den jungen Ärztinnen und
Ärzten und Ärztinnen sieht. Der Abgeordnete geht sogar noch einen Schritt
weiter. Er fordert, eine Widerspruchslösung einzuführen: „Wem es als Arzt oder
Patient so wichtig ist, dass Daten nicht eingesehen werden sollen, der kann ja
auch widersprechen.“ Wichtig ist ihm, dass die Politik sich nicht mit
Bedenkendiskussionen blockiert, sondern zur Handlung kommt.

Das sieht auch Dr. Stefan Etgeton, Senior Expert im Programm „Gesundheit“
der Bertelsmann Stiftung, so: „Datennutzung ist genauso wichtig, wie
Datenschutz“, sagt er. Etgeton betont, wie wichtig die bislang nicht öffentlich
zugänglichen Daten von Ärzten für die Qualitätssicherung seien. Bei
kommerziellen Anbietern, etwa Google oder Jameda, müsse man sich fragen, wie
valide die Informationen seien. Die Daten müssten aber auch entsprechend
aufbereitet und zugänglich gemacht werden. „Aktuell ist es so, dass ich als
Patient die Informationen suchen muss. Dabei sollten die Informationen mich
finden.“ Sinnvoll sei es, die Pipeline, in der Daten hineinkommen, zu
verbessern. „Dann brauchen wir eine Drehscheibe für die Daten sowie einen
Kanal für die Zurverfügungstellung“, erläutert Etgeton. Als einen Weg sehen die
Podiumsteilnehmer hier die elektronische Patientenakte (ePA).

Das Thema Aufbau und Weiterentwicklung der Gesundheitskompetenz ihrer
Versicherten ist für die Krankenkassen ein wichtiger Beitrag in der
Qualitätsdebatte, so Prof. Dr. Jörg Loth, Vorstand der IKK Südwest. „Die
Versicherten müssen in die Lage versetzt werden, Informationen und Daten zu
finden und zu verarbeiten.“ Health Literacy sei ein ganz wesentliches Thema und
damit verbunden auch das Thema Consumer Education. Die IKK Südwest hat mit
ihrem Innovationsprojekt PIKKO hierzu wichtige Erkenntnisse zur Frage der
Bereitstellung und Weiterentwicklung von laiengerecht aufbereiteten
Informationen in unterschiedlichen Formen sowie zur Rolle und Funktion von
Patientenlotsinnen und -lotsen, deren Ansiedlung, Qualifikation und
Finanzierung gewonnen. Die Forderung nach Qualitätstransparenz gelte auch für
die Wahl ihrer Krankenkasse, betont Loth. Deshalb haben die
Innungskrankenkassen 2021 eine Transparenzinitiative gestartet. Sie
veröffentlichen Zahlen aus dem Leistungswesen sowie ergänzend auch zu Service,
Kundenbetreuung und anderen Bereichen.

„Die einzelnen Akteure betreiben viel Aufwand mit der Datenerhebung und
-verarbeitung, aber wir haben es noch nicht geschafft, Nutzen daraus zu
generieren“, stellt IKK e.V.-Geschäftsführer Jürgen Hohnl schließlich fest. In
seinem Schlusswort plädiert auch er für einen Paradigmenwechsel hin zur
Patientenorientierung. Ziel müsse es sein, die Daten adressaten- und
nutzergerecht aufzubereiten. Dabei sei es die Pflicht der sozialen und
gemeinsamen Selbstverwaltung zusammenzuarbeiten und das Thema gemeinsam
voranzutreiben. „Wenn wir es nicht machen, machen es andere“, so Hohnl und
spielt auf private Plattformen und Unternehmen an. Er stellt klar: „Datenschutz
ist auch bei diesem Thema ein hohes Gut, darf aber nicht den Blick auf die
Chancen und Möglichkeiten der Nutzung verhindern.“ Der IKK e.V.-Geschäftsführer
mahnt an, dass gerade die Datennutzung in Deutschland von Misstrauen geprägt
sei und viele Vorbehalten bestünden. „Wenn wir den Nutzen und das Vertrauen
etwa in die elektronische Patientenakte und die Chancen des
Versorgungsmanagements durch die Kassen bei den Akteuren der gemeinsamen
Selbstverwaltung wie bei den Versicherten nicht stärken können, dann wird das
alles nicht funktionieren.“

Quelle: IKK, 24.03.2022

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