Hallo Herr Scholz,
kurz zu Ihrer Einleitung:
[i]"dass das DRG-System in seiner ganzen Tragweite erkannt wurde, kann man wohl kaum sagen."[i]
Kann man in diesem Fall wohl, bedeutet nämlich die erlaubte Reduzierung auf das Wesentliche (ich zitiere aus unbekannter Quelle):
Man wird in Zukunft an seinen Daten, nicht an seinen Taten gemessen!
(herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle an den Verantwortlichen dieser Redewendung, mein Neid ist Ihnen sicher!)
[i] "Jetzt flächendeckend Coder einzustellen, halte ich für eine der dümmstmöglichen Varianten. Wir würden diesen Berufszweig nie wieder los werden. Er würde sich selbst unersetzlich machen. Er wäre ungedeckelt, die Ärzte würden unter dem Deckel bleiben."[i]
Sie haben also auch den Ausführungen von Don Hindle gelauscht!
[i] "Zugegeben, so haben es uns die Amerikaner vorgemacht und die Verwaltungsausgaben von ca 5 auf 25 % heraufgeschraubt. Belesen Sie sich, auch über das völlig unnütze System des peer review, welches die amerikanischen Krankenversicherer zur Kontrolle der clinical coder aufgebaut haben."[i]
Der MDK wird sich bestimmt gerne dieser Aufgabe bei uns widmen. In Zukunft wird er sich auch nicht mehr mit uns streiten, warum der einzelne Patient bei uns so lange gelegen hat, sondern er wird uns fragen warum er so kurz gelegen hat und uns das DRG kürzen. Außerdem steigen die Ausgaben der Kassen ihren eigenen Verwaltungsapparat zu erhalten und auszubauen stetig! Dafür brauchen wir nicht erst auf die DRGs zu warten. Übrigens habe ich mich schon vor langer Zeit mit der amerikanischen Struktur auseinandergesetzt und kenne deswegen auch schon seitdem die Kritik an der peer review organisation (Kosten, Qualifikation der Prüfer,...).
[i] "Müssen wir denn alle Fehler nachmachen??"[i]
Auch hier höre ich wieder D. Hindle: " Do not repeat our mistakes!"
Auf der anderen Seite sagte er aber auch, dass die Australier froh sind uns bei der Einführung über die Schulter schauen zu können, um selber zu lernen. Tun wir Ihnen doch den Gefallen.
[i] "Ein Refined-DRG-System kann n i e m a n d auswendig lernen. Kein Coder und kein Arzt. Ein Refined-DRG-System ist ein C o m p u t e r p r o g r a m m. Punkt."[i]
Davon war nie die Rede, wobei ich einen Arzt in der Schweiz kenne, den man den `menschlichen Grouper` nennt. Falls Sie letztes Jahr im November auf der 1. Casemix-Konferenz in München waren kennen Sie ihn vielleicht auch.
[i] "Wir müssen hier ein *Verfahren* implementieren, keine Regeln auswendig lernen. Ich weigere mich, meine ärztlichen Kollegen mit Kodierregeln zu belästigen. Bereits die Allgemeinen DKR sind überflüssig, die speziellen werden eine Katastrophe sein, davon bin ich überzeugt."[i]
Die Allgemeinen und Speziellen Kodierrichtlinien, unabhängig von Ihrer persönlichen Einstellung und Wertung, werden Verordnungscharakter haben. Da kann man drüber denken wie man will. Ich finde dort auch lachhafte Erklärungen, besonders in dem `Versuch`einer Erklärung, warum gewisse Prozeduren nicht verschlüsselt werden können/sollen.
Ich rate Ihnen also trotzdem, doch Ihre Kollegen damit zu `belästigen`!
[i] "Diejenigen Ärzte, die es wagen, selbst zu denken, verzichten sowieso großzügig auf die Lektüre solcher Vorschriften, das muss doch denen, die laufend neues Papier verteilen, irgendwann einmal auffallen, oder wohl eher nicht?"[i]
Ich hoffe doch, dass der Anteil der selbst denkenden Ärzte bei Ihnen hoch ist, das hilft nicht nur bei der Dokumentation der Leistungen, sondern auch bei der vorausgegangenen Erbringung der Selben!
Spaß beiseite: Seien wir doch mal ehrlich, der Grund auf Verzicht dieser Lektüre liegt meist nicht im Bereich des auflehnenden Aktionismus, sondern im Bereich Keine-Lust-drauf-Bin-Arzt-Hab-Anderes-Zu-Tun-Bin-Auch-Schon-Weg.
Ich mache da überhaupt Niemandem einen Vorwurf, diese Einstellung hatte ich früher auch. Mir war es verhältnismäßig Wurscht, ob da jede Leistung oder Diagnose mit dem richtigen Kode verschlüsselt war. Ich hatte unter Umständen seit 33 Stunden nicht mehr geschlafen und gab mich mit den Schlüsseln zufrieden, die am schnellsten im System erschienen und akzeptabel waren (d.h. aber nicht eine genaue Beschreibung).
Damals war das auch gar nicht so dramatisch, für die Abrechnung hatte es in 99% der Fälle eh keinen Unterschied gemacht, in Zukunft läuft das halt anders. Und das Verlangen nach Datenqualität ist mit meiner Position selbstverständlich dramatisch angestiegen. So ändern sich die Perspektiven....
[i] "Aber man muß doch Ärzten nicht erklären, was sie dokumentieren müssen! Das tun die doch schon immer, das ist für Ärzte doch selbstverständlich. Und genau diese klinischen Selbstverständlichkeiten sind es, mit denen man den Grouper füttern kann. Medizin! Keine Ökonomie!!"[i]
Ich kann fast nicht glauben, dass Sie das Ernst meinen!
Dokumentation bedeutet auch Ihrem Verständnis nach Verschlüsselung nach ICD/OPS, oder nicht? Gerade weil der Codierer ja auch von Ihnen abgelehnt wird.
Sie kennen doch die FAQ`s von DIMDI. Ich würde dann gerne die Reaktion der Ärzte in Deutschland sehen, wenn da stehen würde: Wir müssen Ihnen doch nicht erklären, was sie dokumentieren müssen!!
Denken Sie einfach mal an die von der Uni kommenden jungen Kollegen/innen, zumindest die werden Ihnen bestimmt für Informationen diesbezüglich dankbar sein. Gerade was den, von uns schon mehrfach angesprochenen, OPS-301 betrifft!
[i] "Billig (und effizient) ist es, keine Zeit zu verlieren, jetzt zu handeln, die Regeln zentral dem Grouper mitzuteilen, den Grouper dann zu verteilen und dezentral allen Ärzten zugänglich zu machen, die Daten bei ihrer Entstehung zu erfassen und auf Plausibilität zu prüfen, die Verantwortung hierfür dem Arzt und die Kontrolle im Regelfall seinem Vorgesetzten und zusätzlich dem Patienten zu überlassen (http://www.drg-forum.freewebspace.com/jacob.htm), die Daten zentral anonymisiert für die nächste "Runde" (s. Australien) auszuwerten und hiermit das Verfahren zu verfeinern."[i]
Wie bitte wollen Sie dem Grouper welche Regeln mitteilen??
Nur der Arzt kann z.B. korrekt eine Hauptdiagnose festlegen, relevante von nicht relevanten Nebendiagnosen unterscheiden (gemeint sind hier die relevanten ND im Sinne der Kodierrichtlinien, nicht nach CCL).
Die Auswertungen sind systemimmanent.
Übrigens teile ich Teil Ihre Meinung bertreff des Berufsbildes ` Codierer`.
Mir war selbstverständlich klar, dass dies ein rotes Tuch für Sie sein wird, deswegen auch die von mir gewählte Rosa-Sonnenbrille-Beschreibung dieses Szenarios.
Unabhängig davon, dass es den Codierer gar nicht wirklich gibt, sind sowieso die Ärzte die für die Dokumentation verantwortlich. Die Kodierrichtlinien sagen aber nichts von Verschlüsselung, das können auch andere machen! D.h. wir werden bestimmt an einzelnen KH diese Positionen in Zukunft finden, rechtlich steht dem nichts im Wege und über den Sinn dieser Berufsgruppe wird ja nun mal kontrovers diskutiert. Ich bin z.B. ganz Ihrer Meinung, dass eine suffiziente EDV dem Arzt es ermöglichen soll, seine Dokumentation (auch in Form der Schlüsselkataloge) ohne Schwierigkeiten und Stolperfallen durchzuführen. Gelingt das, so denke ich, ist es nicht erforderlich Codierer einzustellen.
Was aber ganz bestimmt erforderlich ist, ist die stetige Kontrolle der Datenqualität. Diese Strukturen gilt es zu etablieren, natürlich immer in Zusammenarbeit mit den Datenlieferanten, den Ärzten. Wir beteiligen aber auch die Pflege bei der Datenerhebung mittels ihnen zugeordneten pflegerelevanten Diagnosen (die Eingabe wird trotzdem von den Ärzten durchgeführt). Diese Verfahren wird von allen akzeptiert.
[i] „Wenn hochwertige Daten, damit meine ich die Diagnosen und Prozeduren, die ein Arzt sowieso dokumentiert, dem Grouper angeboten werden, gibt es im Regelfall (und nur der Regelfall, nicht die Ausnahme, sollte uns interessieren) keine Probleme mit der Eingruppierung. Wieviel Geld es dann gibt, liegt überhaupt nicht im Einflußbereich des kodierenden Arztes, darüber soll er sich nicht den Kopf zerbrechen. Das können alle Jahre wieder die Spitzenverbände aushandeln, die müssen die resultierende Rationierung dann auch verantworten.“[i]
Der Arzt schreibt mit seiner Dokumentation auch die Rechnung! Die Situation die Sie da beschreiben ist doch das Ziel all unserer Bemühungen und nicht der status quo!
[i] „Nicht mehr und nicht weniger dokumentieren, wie schon immer - gute Medizin machen!“[i]
Dann verstehe ich nicht Ihre Position in der von Ihnen erwähnten Form. Sie sagten, dass Sie den Auftrag der Geschäftsführung zur Verbesserung der Datenqualität im Rahmen der DRG-Einführung erhalten haben.
Wenn also bei Ihnen nicht mehr und nicht weniger als schon immer dokumentiert wird, ist Ihr Auftrag erfüllt oder zumindest frustran ....
Also, nochmal kurz und sachlich zusammengefaßt:
Ich teile mit Ihnen den Wunsch nach besserer EDV für Alle. Dummerweise muß man aber meist mit dem auskommen, was man zu diesem Zeitpunkt hat und Verbesserungen werden nicht in Form von Komplett-Lösungen durchgeführt, sondern es wird Flickwerk praktiziert. Bedeutet, nur wenige kuscheln sich in neue Daunedecken, die meisten schlafen unter Patchwork-Decken.
Codierer sollten die Ausnahme sein, wir kennen die Erfahrungen aus anderen Ländern und sollten sie berücksichtigen. Sie haben sie ja beschrieben.
Was ich nicht teilen kann, ist Ihre Einstellung zu den Kodierrichtlinien:
Ich finde dort auch viel Unsinn, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie vermittelt werden müssen. Davon abgeleitet müssen hausinterne Kodierrichtlinien etabliert werden (Betonung auf h a u s i n t e r n). Ansonsten stehen die Ärzte im Regen. Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie der Meinung sind, dass es alleine durch den (vorausgesetzten) gesunden Menschenverstand getan ist. Gerade der ist machmal eher hinderlich bei der Interpretation einiger Kodierrichtlinien.
Für Dritte, die unserer Diskussion folgen, kann vielleicht der Eindruck entstehen, dass sich da zwei gegenseitig wie beim Skat hochreizen und jeder will unbedingt spielen. Ich finde es jedenfalls informativ und bin, wie schon öfters erwähnt, der Meinung, dass wir uns in unseren Ansichten gar nicht so sehr unterscheiden.
Schönes DRG-freies Wochenende und Gruß
D. D. Selter