Guten Tag,
Um zu verstehen, wie die Aufrichtung der Radiofrequenz-Kyphoplastie entsteht, muss man sich mit der Materie der Augmentation, speziell bei diesem Verfahren, tiefer beschäftigen. Dabei stellt man auch fest, dass heute Knochenzemente auf PMMA-Basis keine 80° C mehr erreichen.
ELGETI et al. (2010a) heben zwei Kernkomponenten des Verfahrens hervor:
„1. Ultrahochvisköser PMMA-Zement (ER2 Bone Cement) mit verlängerter Applikationsdauer (ca. 30 min, hydraulisch kontrollierte Einbringung).
2. Ein angulierbares Osteotome (VertecoR Midline Osteotome).“
Bei Letzterem handelt es sich um ein navigierbares und somit lokal gezielt, intravertebral, einsetzbares Instrument zum Durchtrennen von Knochen und Knochengewebe. Über einen monopedikulären Zugang führt der Operateur unter Bildwandlerkontrolle einen Introducer in den Wirbelkörper ein. Nach endgültiger Positionierung wird das Introducer-Stilett (= Zugangsinstrumentarium) entfernt und die Arbeitskanüle in situ belassen. Zur Herstellung eines Hohlraumes/ Postaments bzw. Zementlagers wird ein flexibles VertecoR MidLine Osteotome (Firma DFINE) eingeführt. Durch einen drehbaren Betätigungsgriff ermöglicht dieses ein Abwinkeln der gelenkigen Spitze bis zu 90 Grad, sodass monopedikulär bis über die Mittellinie des Wirbelkörpers hinaus gezielt kleine Gänge im Wirbelkörper angelegt werden können. Mittels eines hydraulischen Zementapplikators gelangt der Knochenzement präzise und kontrolliert in die präparierten Gänge und Hohlräume und ermöglicht so eine sehr gute Verteilung und Verzahnung mit der umliegenden Knochenstruktur (vgl. OBERKIRCHER et al. 2011; s.a. DREES et al. 2011). Eine hydraulische Start-Stopp-Funktion, die der Operateur per Fernbedienung betätigt, erhöht die Applikationskontrolle und sorgt zusätzlich für eine verminderte Strahlenbelastung für Arzt und OP-Personal. Bevor der Knochenzement mit einer konstanten Injektionsgeschwindigkeit von 1,2 ml/ Min in den Hohlraum gelangt, kommt Radiofrequenzenergie hinzu (vgl. ELGETI et al. 2010). So lässt sich der Knochenzement ex vivo zu einer ultrazähen, gummiartigen Masse aktivieren, die anschließend im fakturierten Wirbel rasch aushärtet (vgl. LICHT et al. 2011; s.a. ELGETI et al. 2010). Der durch Radiofrequenzenergie aktivierte Knochenzement übt während der Einbringung einen gleichmäßigen Druck auf die gesamte Oberfläche des vorgefertigten Hohlraumes und die angelegten intravertebralen Gänge aus und maximiert das Potenzial für eine Wiederaufrichtung ohne zusätzliche Maßnahmen (vgl. PETERSEN et al. 2015, RÖLLINGHOFF et al. 2013, PFLUGMACHER et al. 2012, ELGETI et al. 2010, DREES et al. 2011, LICHT et al. 2010). Die extrem hohe Zementviskosität vermindert deutlich das Potenzial von Extravasaten und das Abschwämmen vereinzelter Zementteilchen. Gewöhnlich kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einer signifikanten Schmerzlinderung und einer damit verbundenen dauerhaften Steigerung der Lebensqualität – und das bei vergleichsweise nahezu halbierter Eingriffszeit (vgl. ELGETI et al. 2010; s.a. DREES et al. 2011).
Dem Geübten Leser von klinischen Arbeiten fällt auch auf, dass i.d.R. deutlich weniger Zement bei der Radiofrequenz-Kyphoplastie als bei der klassischen Ballon-Kyphoplastie verwendet wird. D.h. die Aufrichtung kommt auch über die Oberflächenspannung des sehr viskösen Zementes ohne dabei trabekuläre Strukturen zu zerstören (vgl. OBERKIRCHER et al. 2011).
Eine wissenschaftlich sehr detaillierte und sehr gut nachvollziehbare Beschreibung mit schrittweiser Erläuterung der Abläufe des Verfahrens liefert die Publikation von ELGETI et al. (2010).
Basierend auf den klinischen Ergebnissen ist mit dem Verfahren der Radiofrequenz-Kyphoplastie bei korrekter Indikation und Anwendung einer Stabilisierung UND Aufrichtung möglich. Demnach sollte der OPS 5-839.a_ die Prozedur treffend beschrieben.
Das G-DRG-System versucht innerhalb definierter Patientengruppen Homogenität abzubilden. Das Verfahren ist ökonomisch aufwendiger als heutzutage eine konventionelle Ballon-Kyphoplastie. Dafür erkauft man sich Sicherheit und Interventionszeit, beides auch zugunsten der Patienten. Somit scheint auch die Allokation dieser Augmentationstechnik richtigerweise in der I09 aufgehoben.
Ach ja, wie steht es mit der Temperatur des Zementes bei der Radiofrequenz-Kyphoplastie. I.d.R. erreicht diese keine 45°C bei diesem Verfahren. Trotz erwärmten Zement sind mit noch keine OP-(Gummi)Handschuhe an den Händen kleben geblieben.
MfG,
Heiser
PS: In punkto Vergleich von Viskosität diversen Anbieter von Knochenzementen für die Wirbelsäule bietet die Arbeit von Bornemann et al. 2013 (Treatment options for vertebral fractures an overview of different philosophies and techniques for vertebral augmentation) ein sehr schönes Chart.