Ach, herzgeliebter Herr Hanisch,
Kollegen wie Sie sind der Grund, weshalb Kollegen wie ich uns beim Therapeuten anmelden müssen.
Wissen Sie, Kodieren ist eigentlich (bei vernünftiger EDV-Unterstützung und einheitlich aufgearbeiteten Hitlisten) kein großer Aufwand. Das Problem ist, dass es eine Tätigkeit ist, wie "Spülmaschinenausräumen", eben einfach lästig. Es gleicht dem ewigen Streit mit meinem Göttergatten, der (über Mittag zu Hause) nie die Spülmaschine ausräumen kann, da er nie die Zeit dafür hat. Ich habe mal meine zeit gestoppt, ich brauche ca. 3,5 Minuten dafür. Ich bin trotzdem immer sehr verstädnisvoll meinem Mann gegenüber, da er niedergelassener Kollege ist mit einer Arbeitsbelastung, an die wir alle in der Klinik einfach nie herankommen werden (ich habe selbst 1 Jahr in einer Praxis gearbeitet, ich kann es jedem nur empfehlen, wer das noch nicht mitgemacht hat, kann auch nicht mitreden). Abends beim Zu-Bett-Gehen stelle ich aber fest, dass mein Holder keine zeit für die Spülmaschine hatte, weil er ein Mittagsschläfchen gehalten hat. Dann bekomme ich natürlich meinen abendlichen Blutrausch (auch nicht mehr, weil mein Mann dann immer aussieht wie ein im Sahnetopf ertappter Kater, was eher zur Erheiterung Anlass gibt).
Ich glaube, dass Problem ist ein anderes: die Assistenzärzte in unseren Krankenhäusern sind einfach so etwas von malträtiert, ausgebeutet und demotiviert, dass das Kodieren einfach der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt. Meiner persönlichen Meinung nach hat es auch nichts mit den Arbeitszeiten zu tun, sondern mit der Atmosphäre, die derzeit in den Abteilungen vorherrscht. Da hatte ich es in meinen Anfangszeiten Mitte der 80 einfach besser: es war genauso hierarchisch, aber es war stärker familiär strukturiert. Die Ablösung vom väterlichen Prinzip auf Chefarztebene hat ja leider nicht für 5 Pfennig mehr Team ergeben, im Gegenteil. Und dass viele Oberärzte und Altassistenten wegen der Zulassungssperre nicht mehr in die Niederlassung "abfliessen" können, führt dort natürlich zu einer eheblichen Demotivation. Dies führt dann erneut zu einer Arbeitsverdichtung auf Assistentenebene, die ja nicht einmal unbefristete Verträge haben und daher völlig wehrlos sind.
Übrigens, ganz nebenbei: in Australien werden die hauptamtlichen Coder wieder abgeschfft, weil sie sich nach fast 10 Jahren Erfahrung nicht bewährt haben.
Aber die Energie, die derzeit von manchen Abteilungen in das Abwehren von Kodiertätigkeiten gesteckt wird, könnte weiß Gott besser genutzt werden (zum Beispiel auch zur Versorgung von Patienten). Es gleicht einem Menschen, der bei Schneesturm losfahren muss, jetzt aber ersteinmal 6 Stunden lamentiert, statt Ketten aufzuziehen (und wer denkt, der Schneesturm würde sich in absehbarer zeit verziehen, der wird sich enrsthaft verkühlen).
Mich macht es traurig, dass die deutschen Ärzte nicht die Chance sehen, die in diesem System liegt. Endlich ist ärztlicher Sachverstand gefragt, damit Leistungen vernünftig bezahlt werden können. Endlich hört es auf, dass Oekonomen am grünen Tisch Budgets verhandeln, und wir Ärzte können diesen von der operativen Ebene häufig losgelösten Preisen dann nur hinterher arbeiten. Wir hatten im Krankenhaus der letzten 5 Jahre mehr Planwirtschaft, als die DDR jemals praktiziert hat. Dies könnten wir gemeinsam ändern, indem einfach das Prozedere eingehalten wird: erst machen alle fach- und sachgerecht ihre Arbeit, dann wird durchkalkuliert, was es in ganz Deutschland gekostet hat und dann werden die Kostengewichte festgelegt. Aber nein, bei uns wird auf Australische (also irrelevante) Kostengewichte geschielt und dann wird so verschlüsselt, dass es paßt. Zur Not auch, wenn dann anders gearbeitet werden muss.
Hilfe, mein nächster Blutrausch steht an!!!!
Sorry, ich höre mich schon an wie ein Wanderprediger. Aber es macht mich völlig fertig, was im Moment in Deutschland pasiert. Man hat für den todkranken Patienten eine Therapie gefunden, mit der er weiterleben könnte. Er wird gewisse Lebensveränderungen hinnehmen müssen und er wird eine Menge selbst zu seiner Therapie beitragen müssen: gesunde Ernährung (=Prozessoptimierung), Gruppentherapie (=interdisziplinäres Arbeiten) und Kalorienzählen (=Kodieren). Aber nein, der Patient glaubt nicht, dass er sterben wird, wenn er nicht auch selbst etwas tut, er glaubt seinem nachbarn, der sagt: "Quatsch, Du siehtst doch ganz gesund aus." Eine Situation, die mich in den langen Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit auch bei realen Patienten immer völlig fertig gemacht hat. Ich habe gelernt, damit umzugehen und die Eigenverantwortung des Patienten zu respektieren. Und genau hier hinkt der Vergleich zum Krankenhaus: die Krankenhäuser wehren sich, aber das Solidarsystem wird dabei sterben, nicht das Krankenhaus.
Tja, eine Lösung weiss ich auch nicht, ich warte sehnsüchtig auf das Institut InEK und welche Fort- und Weiterbildungsaufgaben auch von dort übernommen werden (vielleicht mal zu Selbstkosten). Harre wir der Dinge, die da kommen. Und weiter werde ich versuchen, die Aggressivität der Kollegen mir gegenüber auszuhalten, die sich eigentlich gegen die Verwaltung im allgemeinen richtet und gegen das Leben als Arzt im Krankenhaus auf Assistentenebene. Den med. Controller trifft eine Torte, die auf andere gezielt wurde. Aber wir sind leider die einzigen, die in der Schusslinie stehen. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich dies trotz der Kommentare der Ärzte: "aber Frau Klein, das dürfen Sie nicht persönlich nehmen!", persönlich nehme und sicher nicht mehr so furchtbar lange mitmachen möchte (wo ist mein Therapeut!!!!!!!!!)
Es grüßt Sie trotzdem herzlich
Ihre Patricia K.
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