Beiträge von Putzmunter

    Die bisherigen Pläne aus dem Ministerium kamen bei den Vertretern der Ärzteverbände gar nicht gut an. "So haben wir uns das aber nicht vorgestellt" kam zwei drei mal, um dann den SPD-Bundestagsabgeordneten zu Wort zu bitten, damit er die gewünschte Linie nochmal vorgibt. Das war schon amüsant.

    Höhepunkt war der Moment als der Ministeriumsvertreter den Krankenhausbetriebsvergleich auf Basis eines inoffiziellen Landesbasisentgeltwert als Richtgröße vorgeschlagen hat und somit ziemlich entlarvt worden ist, dass kaum etwas geändert werden soll.

    Warum sich (hoffentlich) nicht allzu viel ändern wird:

    - Der Widerspruch, dass man sich nicht in der Lage sieht mittels diagnosenbasierter Vergütung eine fallgerechte Vergütung zu erwirken, aber mittels Leitlinien plötzlich alle Sachverhalte einfangen möchte.

    - Mittels der Leitlinien die Kompetenz der Kliniken zur Behandlung der Patienten dem G-BA übergeben wird. Das halte ich eigentlich für das größte Unding und es ist eigentlich unfassbar, dass das von den Ärzteverbänden gefordert wird. Zudem wird auch von den Krankenkassen und sogar vom Ministerium bezweifelt, dass aus den Leitlinien Personalbedarfe abgeleitet werden können.

    - Normative Elemente in der Kalkulation keinen Euro mehr ins System bringen und mögliche zu niedrig bemessene Krankenhausbudgets kein Problem eines diagnosenbasierten Vergütungssystem sind.

    - Dafür verzichtet man auf die Konvergenz, als System, das Geld in das System leitet, da das PEPP als Preissystem aufgegeben werden soll. Vor allem ist mir unklar, was das Problem an einem "Preissystem" ist. Sobald ich Erlösbudget durch Budgetmenge teile, habe ich immer einen "Preis".

    - Leistungsorientierte Vergütung immer die Dokumentation der Leistung voraussetzt und der Aufwand sich kaum reduzieren wird.

    - Keine Bereitschaft seitens der Krankenkassen da sein wird, die Wünsche bezüglich der Personalforderungen seitens der Krankenhäuser zu erfüllen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bereits bezahlte Stellen schon nicht besetzt werden. D.h. die ersten Argumentationslinien für die dann als Allheilmittel dienenden regionalen Budgetverhandlungen schon aufgebaut werden.

    Ich will nicht nur meckern, aber mir ist einfach völlig unklar, warum man so einen Murks veranstaltet und so viele Ressourcen, Kräfte und Vertrauen durch die ewigen Systemänderungen vergeudet werden. Das kommt den Patienten auf jeden Fall nicht zu Gute.

    Zu den beiden Statements im News-Portal von medhochzwei:

    Holger Höhmann, Vorsitzender der Fachgruppe Psychiatrische Einrichtungen des VKD, wörtlich:

    „Wir sind froh über diesen Schritt, der die Chance für ein stimmiges Finanzierungssystem eröffnet, das wirklich bedarfsgerecht ist. Die Behandlung psychisch kranker Menschen kann sich nicht an Tagesentgelten orientieren, wie es im PEPP vorgesehen war. ..."

    Warum nicht? Die alten Pflegesätze nach der BPflV waren auch tagesbezogen. Jetzt gibt es nur eine Differenzierung nach Fallgruppen und eine Degression der Tagesentgeltsätze bis zum Degressionsendpunkt. Dies ist aber auch notwendig, wenn leistungsorientiert vergütet werden soll. Genau an dieser Leistungsorientierung soll festgehalten werden. Wie soll der neue Entgeltmechanismus aussehen? Fallpauschalen wie im DRG-System mit den wirklich harten ökonomischen Anreizen zur Verweildauerverkürzung?

    "Das nun angedachte Budgetsystem ermöglicht es den psychiatrischen Kliniken, auch weiterhin ganz individuell auf jeden Patienten einzugehen. Gleichzeitig sollen auf der Grundlage der Psychiatrie-Personalverordnung sowie der wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien Vorgaben für die Mindestausstattung in den Kliniken festgelegt werden. Auch das war eine unserer Forderungen."

    Was heißt, dass man durch das neue Budgetsystem "individuell" auf den Patienten eingehen kann? Aufstockung des Budgets auf das Niveau der Psych-PV ist auch ohne neues System möglich. Für welche Fälle und für wie viele Fallgruppen wird es Behandlungsleitlinien geben? Für jeden einzelnen Patienten, für jeden Behandlungsfall?

    Nur bei Vorliegen des Kostendeckungsprinzip wird jeder Fall völlig individuell vergütet. Gegen jegliche Elemente dieser Art werden sich die Krankenkassen mit allen Mitteln wehren. Von den Krankenkassen hat sich bislang auch noch keiner zu den neuen Vorschlägen zu Wort gemeldet.


    DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum:

    „Dazu gehören aus der Sicht der Krankenhäuser eine deutliche Entbürokratisierung und Vereinfachung des Leistungsverzeichnisses. Die vorgesehenen Neuregelungen zur besseren Berücksichtigung der medizinischen Kosten und des Personalbedarfs im Kalkulationsverfahren müssen allerdings um entsprechende Finanzierungsregelungen für die konkreten Budgetverhandlungen vor Ort ergänzt werden. Was kalkuliert wird, muss am Ende auch über die Budgets finanziert werden“

    Zur Umsetzung der Entbürokratisierung enthält das Eckpunktepapier keine Vorschläge.

    Die Budgetverhandlungen vor Ort werden der große Knackpunkt. Alle Mittel über dem Niveau der Psych-PV müssen ausgehandelt werden. Was ist, wenn die Krankenkassen auf die Idee kommen, dass zwar ausreichend Mittel dem Krankenhaus zur Versorgung seiner Fälle zur Verfügung stehen, aber das Krankenhaus aus deren Sicht noch nicht effizient genug arbeitet? Bei den Verhandlung argumentiert man auch immer mit hypothetischen zukünftigen Behandlungsfällen. Da stelle ich mir die Argumentation gegenüber den Krankenkassen nicht unbedingt leichter vor, als die Diskussionen über vergangene Fälle in den MDK-Prüfungen.

    Die Freiheiten bei der Behandlungsdurchführung, die das PEPP-System bei allen zu erbringenden Leistungsnachweisen und Einschränkungen bietet, sind, glaube ich, erstmal nicht zu unterschätzen.

    Eben! Völlig richtig! Die Degression als Ende der menschenwürdigen Behandlung war natürlich ironisch und als Anspielung auf die Panik der PEPP-Gegner gemeint. Das hätte durch die nachfolgenden Anmerkungen zur Degression herauskommen sollen. Vielleicht war der Text doch zu lang. Sorry! Aber genau da diese Argument nicht wirklich greift, ist gegen das PEPP-System nur die Dokumentation ein Kritikpunkt. Aber das System, das weniger Dokumentationsaufwand verursacht, würde ich gerne sehen. In den neuen Eckpunkten ist doch nicht ein Punkt genannt, bei dem plausibel dargelegt wird, wie dieser vermindert werden soll. Die gesamten Details zur wirklichen Entgeltbemessung sind doch noch ausgespart. Leistungsorientiert soll sie sein. Das ist alles, was man weiß.

    Zur Degression der Tagesentgelte: Diese ergeben sich aus den zusätzlich erzielbaren Bewertungsrelationen für den jeweiligen Tag multipliziert mit dem jeweiligen Basisentgeltwert.

    Die Degression ist nicht so stark, aber die Abbildung der Kostendegression ist mit den Erlössprüngen am Anfang (Tag 3 und 4) und am Degressionspunkt (Tag 21) nicht wirklich gut gelungen. Das wäre mal ein ein inhaltlich begründeter Kritikpunkt am PEPP-System. Aber die Kritik an der Ausgestaltung und der ökonomischen Wirkungen des PEPP-Systems ist komplett pauschalisiert.


    Ber. Tage BR/Tag BR gesamt zusätzl. BR für jew. Tag Proz. Änderung zum Vortag
    1 1,2225 1,2225 1,2225 -
    2 1,0578 2,1156 0,8931 -26,94%
    3 1,0306 3,0918 0,9762 9,30%
    4 1,0215 4,086 0,9942 1,84%
    5 1,0127 5,0635 0,9775 -1,68%
    6 1,0039 6,0234 0,9599 -1,80%
    7 0,995 6,965 0,9416 -1,91%
    8 0,9862 7,8896 0,9246 -1,81%
    9 0,9774 8,7966 0,907 -1,90%
    10 0,9685 9,685 0,8884 -2,05%
    11 0,9597 10,5567 0,8717 -1,88%
    12 0,9508 11,4096 0,8529 -2,16%
    13 0,942 12,246 0,8364 -1,93%
    14 0,9332 13,0648 0,8188 -2,10%
    15 0,9243 13,8645 0,7997 -2,33%
    16 0,9155 14,648 0,7835 -2,03%
    17 0,9067 15,4139 0,7659 -2,25%
    18 0,8978 16,1604 0,7465 -2,53%
    19 0,889 16,891 0,7306 -2,13%
    20 0,8802 17,604 0,713 -2,41%
    21 0,8802 18,4842 0,8802 23,45%
    22 0,8802 19,3644 0,8802 0,00%
    23 0,8802 20,2446 0,8802 0,00%
    24 0,8802 21,1248 0,8802 0,00%
    25 0,8802 22,005 0,8802 0,00%

    Hallo zusammen,

    so nun der dritte Anlauf innerhalb von 4 Jahren zur Reform des Entgeltsystems. Es wird wirklich interessant zu sehen sein, welche Details hinter den Formulierungen des Eckpunktepapiers stehen. Ich denke bislang kann man die Qualität des nun vorliegenden Konzepts nicht wirklich gut beurteilen. Allerdings steht zu befürchten, dass das nun skizzierte System einige Fallstricke haben kann. Die großen Kritikpunkte, die Degression der Tagesentgelte und der hohe Dokumentationsaufwand, sind in jedem Fall nicht vom Tisch bzw. wird sich wohl kaum vermindern. Um keinen langen Aufsatz zu produzieren, schreibe ich im Folgenden in Stichpunkten:

    Positiv:

    • Ziel der Stärkung des Personalbestands zur Erhöhung der Versorgungsumfänge
    • Offensichtlich Vollfinanzierung der Vorgaben der Psych-PV (wäre auch im PEPP-System ohne weiteres durch Anhebung der Basisentgeltwerte möglich gewesen)
    • Finanzierung von Hometreatments etc.: hätte ohne Probleme an das PEPP-System angedockt werden können.


    Negativ:

    • Enormer Bedarf an Definitionen von Abläufen, Leitlinien, die künftige Ausgestaltung der Leistungsorientierung (wieder in diagnosebezogenen Fallgruppen, wenn nein, woran wird dann angeknüpft)
    • Aushandeln der Leitlinien ist komplex und sicher ein extrem streitbeladenes Unterfangen, da die Vorgaben aufgrund der Ressourcenorientierung sofort erlösrelevant sind und schwer abzuschätzen. Krankenkassen werden wohl kaum im Sinne einer Rückkehr zum Kostendeckungsprinzip die Wünsche der Krankenhäuser freiwillig übernehmen.
    • Verlagerung der Ausgestaltung von Behandlungsabläufen auf höhere und patientenferne Entscheidungsebenen (G-BA etc.): Das soll der Behandlung einzelner komplexer Behandlungsfälle gerecht werden? Das bietet mehr Freiheiten als bei den jetzigen Tagespauschalen? Damit öffnet man doch der Standardisierung und der Entmündigung des Arztes auf der Patientenebene Tür und Tor.
    • Die Leitlinien sollen dann vom schlecht- bis bestbezahlten Krankenhaus durchführbar sein? Wie sollen denn die „armen“ Krankenhäuser das leisten können bzw. was passiert mit den Mitteln der „reichen“ Krankenhäuser?
    • Dokumentation der Einhaltung aller erlösrelevanten Parameter. Diese sind gegenüber den Krankenkassen zu verteidigen. Wie vereinfacht sollen denn die Leitlinien ausgestaltet sein, wenn diese weniger Parameter aufweisen, als die Kriterien und OPS zur Abgrenzung der jetzigen Fallgruppen? Durch Leitlinien soll sich die Prüfintensität des MDK dann verringern? Definitionen dadurch genauer werden? Die Qualität der Argumente des MDK auf einen Schlag verbessern?
    • Abschaffung der Konvergenz: potentielle Konvergenzgewinner sind nun Verlierer und mögliche Konvergenzverlierer müssen auch erstmal im Rahmen der krankenhausindividuellen Verhandlungen ihr bisheriges Budget verteidigen. Insbesondere wenn die Konvergenzgewinner auf ihrem alten Niveau als Vergleichsmaßstab bleiben.
    • Konvergenz kein Nullsummenspiel: Gewinner haben höhere Zuwächse als die Verlierer verlieren. Somit Verlust an Mitteln für das Gesamtsystem. Zudem werden die Verhandlungen mit den Krankenkassen, wenn Fallzahl oder Casemix und Basisentgeltwert oder wie auch immer die neuen Begrifflichkeiten sein werden zu verhandeln sind, sicher auch nicht weniger intensiv als unter dem jetzigen PEPP-System. Wo liegen hier die Vorteile? Wer fordert das überhaupt? Wer hat was davon?
    • Die verteufelte Degression ist nicht vom Tisch, da Ausgestaltung der Leistungsorientierung bislang unklar.


    By the way: Degression als das Ende aller Möglichkeiten zur Erbringung einer menschenwürdigen Behandlung?

    • Niedrigere Tagesentgelte in späteren Behandlungsphasen erhöhen den ökonomischen Entlassungsdruck? Wenn Degression zuverlässig kalkuliert, bildet das nur den tatsächlichen Kostenanfall ab. Im Vergleich zu konstanten Tageserlösen hat man die am Beginn höheren Tageskosten schon vergütet bekommen und muss die später nicht mehr durch mehr Behandlungstage reinholen.
    • Die Grenzkosten sind entscheidend. Tagespauschalen aber werden auf Vollkostenbasis berechnet.
    • Eingruppierung von Fällen in Fallgruppen haben es so an sich, dass eine gewisse Heterogenität der Fälle verbleibt. Komplexe Fälle werden durch weniger Komplexe Fälle ausgeglichen. Bei komplexen Fällen besteht die Pflicht, auch die dann ordentlich zu machen. Sich dann hier als vollkommen ökonomisch gesteuert darzustellen, halte ich taktisch für nicht besonders klug.
    • Wenn komplexe Fälle überwiegen: Extremkostenzuschlag oder sonstige Ausgleichsmechanismen


    Die Qualität der Analyse und Kritik des Systems ist schon daran erkennbar, dass die teilweise erheblichen Tageserlössprünge am Degressionsendpunkt kaum gesehen und diskutiert wurden. Bin schon gespannt, ob diese im neuen System nicht auch wieder zu finden sind.

    Mir ist weitgehend schleierhaft, was genau die Opposition gegen das PEPP-System vorbringt. Die Kritik wird bis auf die Floskel „aufgrund der erwiesenen ökonomischen Anreize des Systems“ nicht begründet, da teile ich die hier im Thread geäußerte Kritik. Ich vermute, das liegt daran, dass man selber kein wirklich durchdachtes System und somit auch keine Strategie hat. Umso kritischer und gefährlicher halte ich es, immer wieder neue unausgegorene Vorschläge zu machen, wenn man die Vorteile der eigenen Vorschläge nicht mal wirklich konkret benennen kann. Die ständigen Systemwechsel freut am Ende nur die Beraterindustrie.


    Ich frage gespannt in die Runde: Was wird sich verbessern, was nicht auch mit dem PEPP-System möglich gewesen wäre? Was wird sich verschlechtern?