Hallo Zusammen,
hier muss ich doch glatt wieder ein Lanze für die Krankenkassen brechen. Ich habe aus meiner Sicht das Glück, bei einer Krankenkasse zu arbeiten, die zum einen die Zahlungsfristen respektiert und zum anderen bei der Beanstandung und Vorlage von Abrechnungen beim MDK versucht eine gewisse Qualität walten zu lassen, soll heißen Fälle rauszupicken, die tatsächlich stinken. Das viele Krankenkassen anders vorgehen ist mir durchaus bekannt und bewusst.
Jedoch möchte ich auch die Geschichte mal von der anderen Seite darstellen. Möglichweise arbeiten sie tatsächlich alle in KH, die grds. nur nach Tatsachen und DKR kodieren und abrechnen, stets optimal die korrekte Behandlungsart wählen und effizient behandeln. Ich sehe jedoch viele Dinge, die etwas anderes darstellen. Vorneweg möchte ich erwähnen, dass das Aufgreifen und Prüfen von Abrechnungen über den MDK für den KK-Mitarbeiter grds. nur mehr Arbeit und Stress bedeuten und wir gerne guten Gewissens alle Rechnungen durchwinken würden.
1. Primäre Fehlbelegung:
Viele KH kennen nach wie vor nur stationäre Krankenhausbehandlung. Die witzigste Begründung bleibt hierbei immer noch: \"wir machen/bieten das nicht ambulant an\". Verlangt auch keiner. Aber das rechtfertigt noch lange keine stationäre Aufnahme und Abrechnung. Unglaublich aber war: Es besteht durchaus auch die Möglichkeit, Patienten an andere Leistungserbringer zu verweisen. Zur Krönung wird dann jedoch nicht nur stationär aufgenommen und vllt noch tagesstationär behandelt, sondern standardmässig auch gleich noch die UGVD gesprengt. Was würden sie als KK-Mitarbeiter dann tun? Auch wir müssen unsere Entscheidungen verantworten können und diese auch entsprechend begründen.
2. Kodierung:
An manchen Tagen glaube ich tatsächlich, die deutsche Bevölkerung besteht aus kettenrauchenden, harninkontinenten, demenzkranken Anämiepatienten mit Harnwegsinfekt und schweren Alkoholproblemen. Und wenn sie die 10-te Rechnung vom gleichen KH prüfen, in welchen tatsächlich grds. die gleichen ND auftauchen und immer gerade so die Einstufung in eine teurere Basis-DRG oder den höheren Schweregrad bewirken, macht einem das schon Magenschmerzen. Vllt ist das jetzt etwas gewagt, aber ich möchte behaupten, wenn ich heute jemanden von der Strasse hole, der in seinem ganzen Leben noch nichts von Kodierung und Krankenhausabrechnung gehört hat nach 4 Wochen Verschlüsselung lesen merken würde, hier läuft was mächtig falsch.
3. Zahlungsfristen/DTA/Mahnungen:
Grds. werden bei uns alle Rechnungen innerhalb der Frist beglichen. Ausnahmen sind hier lediglich eindeutig formal falsche Rechnungen oder ganz eindeutige Fallzusammenführungen (die für viele Häuser überhaupt nicht existieren, bis man sie darauf hinweist oder im Umkehrfall mit allen Mitteln der Kunst ganz gezielt umgangen werden). Diese weisen wir auch über den DTA ab. Um so zermürbender ist es dann, dass auf begründete Anfragen, Anforderungen von Berichten fast regelmässig und häuserübergreifend wochen- und monatelang keine Reaktionen erfolgen. Was standardmässig jedoch wunderbar klappt, ist Mahnlisten zu schicken, die man stundenlang klärt und in 90% der Fälle feststellt, das z.B. Rechnungen übermittelt wurden, jedoch keine Entlassung vorlag und ähnlich Dinge, die ein Scheitern des Datensatzes im DTA bewirken. Erfolgte Fehlermeldungen werden aber schlicht und ergreifend ignoriert und der Mahnknopf gedrückt. Und wir sind dann die mit der schlechten Zahlungsmoral. Oft haben wir auch längst mit der Verwaltung eine Änderung oder Stornierung einer Rechnung vereinbart, aber der Buchhaltung hat keiner Bescheid gesagt.
4. Telefonische Klärung:
Auch ich halte eine kurzfristige, unbürokratische Lösung am Telefon in vielen Fällen für sinnvoll. Aber hier geht es schon wieder los. Ein Problem ist es, dass die Mitarbeiter der KK im Regelfall medizinische Laien sind, sich viele Ansprechpartner im KH über die Maßen hinter dem Datenschutz verstecken oder grds. in allen Fällen der Ansicht sind alles richtig gemacht zu haben. Bei vielen KH erreicht man beim Versuch einer telefonischen Klärung tatsächlich nur, dass man eine Stunde telefoniert hat und dann doch alles zum MDK schleppen muss.
Vllt bin ich jetzt wieder etwas abgeschweift. Aber alles was ich damit sagen möchte ist, dass nicht alle KK der \"böse Feind\" sind und nur versuchen den KH das Leben schwer zu machen. Wir versuchen nach wie vor und so schwer es im Einzelfall oft fällt, die KH als Vertragspartner zu sehen, welche die angemessene Versorgung unserer hilfesuchenden Mitglieder sicherstellen. Vieles was passiert hat eher den Zug von Notwehr. Wir haben die Gesetze und Verordnungen nicht gemacht. Wir versuchen nur ihre Umsetzung zu handhaben, ohne zuzulassen, dass der Gaul geschlachtet wird auf dem wir alle reiten.
Und wenn sie sich schon zusammenrotten und ihren Aufstand organisieren, übersehen sie bitte nicht, dass es auch heute noch solche und solche KK gibt.
MFG
Martin Wittwer