Hallo zusammen,
ist ja wirklich eine interessante Diskussion hier. Nur geht mir als Gynäkologin ziemlich "der Hut hoch".
Wieviele von Ihnen waren eigentlich schon mal bei einer Geburt dabei? Wieviele von Ihnen haben schon mal so richtig miese Geburtverläufe - mit hoher VE/Forceps, Schulterdystokie und als Dank dafür dann noch einen hohen Scheidenriß (vielleicht noch mit paravaginalem Hämatom, wenn man Pech hat) einem DR II/IV und ähnlichem gesehen. Wissen Sie, wieviel "manpower" reell verbraucht wird, wenn man eine Frau über x-Stunden betreut unter der Geburt (im Gegensatz zur Sectio, die im allgemeinen eine recht kurze Angelegenheit ist)? Und haben Sie mit Patienten zu tun, die mal eine große Epi oder einen ausgedehnten Dammriß hatten, die z.T. monatelang Schmerzen beim Sitzen und beim GV (sofern sie dann noch welchen haben) hatten? Wie steht es denn mit den Folgeschäden: Descensus, Streßinkontinenz, z.T. Stuhlinkontinenz? Verursacht die Behandlung dieser Schäden denn nicht auch Kosten?
Die heutige Misgav-Ladach-Sectio ist im Gegensatz dazu sehr schonend, die Frauen sind kaum länger im Krankenhaus als nach einer Spontangeburt, die Morbidität (wenn man die "Spätmorbidität" der Spontangeburt mal mit einrechnet) ist nicht höher als beim Spp.
Noch zwei Anmerkungen zum Nachdenken:
Bei anderen Operationen fordern wir, daß der Patient über alternative Behandlungsmethoden/Operationsmöglichkeiten aufgeklärt wird und sich dafür auch entscheiden kann. Von einer Frau, die ein Kind erwartet, verlangen Sie aber offensichtlich, daß Sie sich, auch wenn Sie um die möglichen Probleme einer Spontangeburt weiß, viellcht sogar aus eigener Erfahrung und sich bewußt dagegen entscheidet, daß sie dafür zur Kasse gebeten wird?! Soll sie dann vielleicht auf ihr Kind lieber ganz verzichten?
Andererseits werden weiter Mammaaugmentationen aus psychologischer Indikation gezahlt. Keiner würde einem Raucher, der sein Plattenepithel-Ca der Bronchien entwickelt, sagen: Tja Pech, sind Sie selber schuld dran, müssen Sie die Behandlung eben selber zahlen. Wieviele Kosten entstehen wohl jährlich durch Alkoholismus, durch Extremsportarten etc? Das wird aber alles von der Solidargemeinschaft getragen, oder gibt es da vielleicht Veränderungspläne, von denen ich nichts mitbekommen habe?
Fragen Sie doch mal im Kollegenkreis nach, wieviele Medizinerinnen bei sich selbst die Sectio durchführen lassen würden bzw. wieviele Mediziner diese für ihre Frau wünschen, eben weil sie die "Problematik" der Spontangeburt kennen. Und machen wir uns nichts vor: Die Probleme werden größer werden, die Kinder jedenfalls werden immer schwerer, das Becken der Frau deshalb aber nicht breiter!!
Vielleicht habe ich jetzt manchen der Diskussionsteilnehmer etwas auf die Zehen getreten, aber ich denke bei der ganzen Diskussion um die DRG's und die Bezahlbarkeit des Gesundheitswesens sollten wird das "Humane" an der Medizin (die Ängste und Sorgen unser Patienten)nicht ganz aus den Augen verlieren. Oder wird das auch ersatzlos gestrichen??
Gruß
U. Runge