GWI NICE - digitale Akte - arbeitet jemand damit?

  • Liebe Mitforisten,

    ich bin erstaunt, wie unkritisch glitzernde Dinge mit Touchscreen und einem Homebutton, der als Keimschleuder bestens geeignet ist (Hallo Hygiene?!), als "innovativ" betrachtet werden. Man werfe mir da bitte keine Äpfelhasserei vor, meine Rechnersozialisation geht auf DTP mit Mac Classic ab anno 1987 zurück

    Aus der nächsten conhIT ist sogar ein Vortrag mit dem Titel "Usability durch Mobility" angesagt. Ich hoffe, es handelt sich dabei um blanken Sarkasmus, sonst bin ich gerne bereit, eine Gegenpräsentation zum Thema "Äpfel durch Birnen" oder "Steuererklärung durch Korallenriffe" zu halten - und dabei den Namen diverser Softwaresysteme zu tanzen.

    Wer auch nur mal an einer Usability-Studie teilgenommen hat und die Komplexität der in KIS-Systemen notwendigen Datenstrukturen und -Oberflächen nur ansatzweise kennt (die Eingabe von +* DM-Codes in NICE/DRGWP ist seit Jahren ein Dauerbrenner..!), kann über glitzernde Statussymbole nur müde grinsen. Aber bitte, Chefärzte sind von diesem Spielzeug irgendwie begeistert - und übersehen gerne, dass auf den Tablets oft nur Daten ausgegeben, kaum aber eingegeben werden können. Zumindest, was ich bisher gesehen habe. Was wunder, es ist eben einfacher, Daten aus einer DB abzufragen, als sie dort hineinzubekommen.
    Zielgruppe für Glitzertablets sind Chefärzte, die geben eh nichts ein und für eine effiziente Dateneingabe auf einem Winz-Bildschirm wischi-tapp-tapp-wischi zu machen, ist ja auch irgendwie eine absurde Vorstellung. Aber ich lasse mich gerne eines besseren überzeugen.

    Ich kann nur empfehlen, erst mal schrittweise ganz klein anzufangen, in vielen Kliniken will man zwar technisch gerne Porsche fahren (und zwar schon heute, spätestens morgen!), hat aber dafür nur ne Buckelpiste und das Budget für nen alten Lada. Genauso sollte man vor der Einführung der Tablets beispielsweise erst mal die WLAN-Netze angucken - wenn es denn überhaupt zulässig ist. Viele müssen nämlich immer zwischendurch per Kabel abgeglichen werden, damit kommt man in der Praxis aber nicht weit. Vielleicht also auch erst mal den Datenschützer fragen, um später böse Überraschungen zu vermeiden: Datenschützer haben nämlich manchmal gaaanz andere Auslegungen als Softwarefirmen...

    AGFA hat ein paar sehr gute Leute und daher ein paar sehr gute Ansätze, auch wenn ich die NICE-Oberflächen eher gewachsen als zielführend kennengelernt habe und oft genug mit Prozessen auf dem letzten Meter gescheitert bin, bzw. es in der Handhabung so kompliziert wurde, dass ich das auf Station niemand hätte zumuten können. Ich bin daher sehr gespannt, ob bei den Tablets ausser viel heisser Vertriebs-Luft auch noch irgendein Nährwert herauskommt.

    Prozesse im Krankenhaus sind aber technisch viel schwieriger sauber abzubilden und zu unterstützen als ein KIS auf Tablets. Wer da nun den Fokus auf Statussymbole legt, zäumt den Gaul rückwärts auf.