Kürzung bei Unterschreiten der uGVWD - Erforderlichkeit prä-operativer Tage

  • Eine Frage, hat mich schon von Anfang an interessiert, aber ich wollte nicht unnötig Öl ins Feuer gießen.

    Unsere Klinik rechnet grundsätzlich nur mit dem Patienten ab. Wie käme ich auf Idee, bei so einem Zirkus die Rechnung an die PKV zu stellen? :D

    Wird denn eigentlich von niemanden die strafrechtliche Seite der Problematik gesehen?

    Ich hatte damals als ich die Frage gestellt hatte, ist ja schon eine Ewigkeit her, einen interessanten Aufsatz in einer juristischen Zeitschrift gelesen. Dort wurde festgestellt, dass der Grad zwischen fahrlässigen Fehlern und strafrechtlich relevantem Betrug nur sehr schmal ist. Es aber sehr auffällig wäre, dass bei den beteiligten Kreisen keine Anstrengungen erkennbar wären, "schärfer" dagegen vorzugehen.

    Wenn man nun die Rechnungen vermehrt an Patienten schickt, hat man dann mit anderen Akteuren zu tun. Und bei Patienten ist das ja nun komplett anders. Ich meine vom Risiko, sich eine Strafanzeige wegen Betrug einzufangen. Und auch versuchter Betrug ist strafbar. Der Vorsatz, um den es dabei geht, ist ja eine innere, subjektive Angelegenheit. Niemand kann dem Rechnungsersteller in den Kopf hineinschauen, ob er wirklich betrügen wollte oder sich nur geirrt hat. Das ist nicht nur ein Vorteil, sondern eben auch ein Nachteil. Selbst wenn Sie nicht betrügen wollten, Sie können sich nicht darauf verlassen, dass ein Staatsanwalt bzw. Richter ihnen das nicht unterstellt.

    Denkt wirklich niemand darüber nach, dass er mit einem Bein im Gefängnis sitzt? Oder zumindest vor Gericht sitzt? Beim ersten Mal wird es sicherlich nicht ganz so schlimm. Das stimmt sicherlich. Aber wer will der erste sein?

    Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, jedenfalls nicht immer:

    Der Vergleich mit dem Autokauf geht so etwas von fehl, dass man sich nicht darauf verlassen können wird, dass einen geglaubt wird, es nicht besser gewusst zu haben. Ausgeschlossen ist es nicht, das stimmt.

    Im Beitrag Nummer 18 steht schon eine Menge, dass die Buchung von medizinisch nicht notwendigen Leistungen (= Wahlleistungen) nur unter ganz strengen Regeln möglich ist. Solche Vorschriften gibt es für einen Autokauf nicht.

    Nochmal Klartext: eine Wahlleistung ist nicht nur das, was ein KH als Wahlleistung bezeichnet. Wahlleistung ist (mindestens) jede nicht medizinisch notwendige Leistung!
    Oder genauer: Wahlleistungen sind vereinfacht ausgedrückt alle Krankenhausleistungen, die keine "allgemeinen Krankenhausleistungen" sind. Und "Allgemeine Krankenhausleistungen" sind nach § 2 Abs 1 KHEntgG die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind.

    Es gibt bei "allgemeinen Krankenhausleistungen" keinen Unterschied zwischen GKV und PKV. Wenn es Beschiss wäre, das Patienten unnötig einen Tag vor der OP aufgenommen werden, dann ist es auch Beschiss gegenüber der PKV oder dem Patienten. Es sei denn, dies wurde in zulässiger Weise als Wahlleistung mit dem Patienten vereinbart.

    Es ist mir ein Rätsel, wie man für Krankenhäuser Rechnungen schreiben darf, ohne das zu wissen. Ich hätte es einem Verantwortlichen nicht geglaubt und als "Schutzbehauptung" abgetan. Nach Lektüre des Forums glaube ich es natürlich, dass manche nicht wissen, wofür sie eigentlich bezahlt werden.


    Oder anders: Wie würden Sie die Rechtmäßigkeit ihrer Rechnung "bei so einem Zirkus" begründen? (Ich gehe mal davon aus, dass Sie mit Zirkus auch das Thema des Threads meinen. Und kann man die Tatsache, dass Sie die Rechnung bewusst nicht an die PKV richten, sondern an den Patienten als eine Art Unrechtsbewusstsein werten (dass so eine Rechnung bei der PKV nicht glatt durch gehen würde)?

    EDIT:


    und ergänzend noch:

    Ebenso verhält es sich bei Ihrer medizinischer Behandlung, wenn Sie privat versichert sind. Die Verantwortung wird Ihnen übertragen, welche Leistungen Sie in Anspruch nehmen oder nicht.

    Sorry, schreiben Sie wirklich Rechnungen für Krankenhäuser?

    In § 17 KHEntgG Absatz 2 steht:"Wahlleistungen sind vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarungschriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Die Art der Wahlleistungen ist der zuständigen Landesbehörde zusammen mit dem Genehmigungsantrag nach § 14 mitzuteilen."


    Ich war noch nicht sooo oft im KH, kenne als noch nicht so viele Wahlleistungsvereinbarungen. Die, die ich kenne, sahen eine solche (Wahl-)Leistung nicht vor. Wie sieht denn die Wahlleistungsvereinbarung in ihrem Krankenhaus für einen zusätzlichen Krankenhaustag vor einem OP-Tag aus? Wieviel wird dort als Wajlleistungs-Entgelt für den zusätzlichen Tag angegeben?

    11 Mal editiert, zuletzt von ex.pectus (13. Oktober 2014 um 00:29)

  • Ich fasse mal kurz zusammen und frage in die Runde, ob das so richtig ist:

    Aus den §§ 2 und 17 KHEntgG ergibt sich folgendes:

    Es dürfen nur "allgemeine Krankenhausleistungen" und "Wahlleistungen" als Krankenhausleistungen berechnet werden, etwas Drittes gibt es bei Krankenhausleistungen nicht

    "Allgemeine Krankenhausleistungen sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind" (§ 2 Abs. 2 KHEntgG).

    Das vorstehende gilt für jeden Patienten eines Krankenhauses (außer reine Privatkliniken, für die das KHEntgG nicht gilt). Es gilt also insbesondere unabhängig vom Versicherungsstatus oder sonstigem (also für GKV-, PKV- und Nicht-Versicherte, In- und Ausländer).

    Alles das, was über die notwendige medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten hinausgeht, könnte ein Krankenhaus theoretisch als Wahlleistung erbringen und als solche abrechnen. Aber nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. siehe § 17 KHEntgG Und wenn man sich die ansieht, dann muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass es eine Wahlleistungsvereinbarung für einen zusätzlichen Krankenhaustag, der über die notwendige medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung hinausgeht, wahrscheinlich nicht geben wird. Jedenfalls keine, die für diesen Tag ein Entgelt vorsieht, dass dem DRG-Abschlag bei Unterschreiten der uGWD entspricht. Da beißt sich die Katze endgültig in den Schwanz. Denn in § 17 KHEntgG heißt es: "Die Entgelte für Wahlleistungen dürfen in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Leistungen stehen." Da dieser DRG-Abschlag eine "Strafkomponente" enthält, soll er gerade in keinem angemessenen Verhältnis zur eingesparten Leistung stehen.

    -> Falls ein KH tatsächlich die Hürden für eine Wahlleistungsabrechnung des zusätzlichen Aufnahmetages schaffen sollte, dann nicht in der Höhe der uGVWD-Kürzung.


    Bleibt also einzig und allein die Strategie die Aufnahme am Tag vor der OP als allgemeine Krankenhausleistung zu deklarieren und zu behaupten, dass dies für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig war, um der DRG-Kürzung zu entgehen. Auch hier wieder: es ist völlig egal, ob GKV oder PKV.

    EDIT:
    Der letzte Absatz hat einen etwas einseitigen Zungenschlag: dass etwas nur behauptet werden würde, was nicht den Tatsachen entspricht. Ja, genau. Allerdings nur für die von mir hier angesprochene Fallgruppe, um die es geht:

    - KH-Aufnahme zu einem geplanten Eingriff
    - der Eingriff ist für den Tag nach der Aufnahme geplant
    - am Aufnahmetag finden nur die allgemeinen Untersuchungen zur Anästhesie- und Operationsvorbereitung sowie die Aufklärungsgespräche statt



    Wenn jemand, egal ob Arzt oder nicht, in so einem Fall sagt, dass ein präoperativer Tag medizinisch notwendig ist, dann gehe ich davon aus, dass er das wider besseren Wissens behauptet. (Ob das manche als gerechtfertigte Notwehr gegen den Abrechnungswahnsinn ansehen, spielt dafür ja keine Rolle. EDIT2: Es spielt wohl doch eine Rolle: Einerseits unter moralischen und Gerechtigkeistgesichtspunkten. Und unter strafrechtlichen: Eine solche "Rechtfertigung" wäre im juristischen Sinne natürlich keine, sondern käme eher einem Geständnis gleich.)


    Unabhängig von der vorgenannten Fallgruppe, gibt es natürlich andere Fallgruppen, in denen präoperative Tage medizinisch notwendig sind.

    3 Mal editiert, zuletzt von ex.pectus (13. Oktober 2014 um 11:28)