Beiträge von medman2

    Hallo Herr Breitmeier,

    ist denn erst die Begutachtung "mit intellektueller Beschäftigung" die Prüfung des Falles? Ich denke, dass die Vor- und Nacharbeiten durchaus auch eine intellektuelle Beschäftigung mit dem Fall erfordern, wenn auch nicht so tiefgehend.

    Nach Aussage des 1. Senats des BSG kann man vermuten, dass dieser dem Gesetzgeber für die ab 1.1.2016 geltende Gesetzes- und Rechtslage eine Begünstigung unzutreffender Tatsachenangaben in Krankenhausabrechnungen durch eine Prüfeinschränkung der Beweismittel unterstellt (B 1 KR 18/16 R, R-Nr. 35).

    Ist das "nach" da auch zeitlich?


    Der Aufnahmezeitpunkt ist nicht nur im Hinblick auf die Datumsgrenze relevant. Dieses ist allein ein abrechnungstechnischer Aspekt.

    Spätestens mit "Durchziehen der KV-Karte" beginnt die Verantwortlichkeit des KH. Ich stimme Ihnen zu, dass eine schnellstmögliche Untersuchung des Patienten in der Notaufnahme sinnvoll und auch im Interesse des Krankenhauses ist, allerdings nicht wegen der Frage, ob die Problematik ambulant oder stationär behandelbar ist. Das steht weit im Hintergrund, das können MDK-Gutachter noch nach Jahren nachprüfen.

    Würden Sie einen Patienten, der von den Mitarbeitern der Pflege reanimiert wird, weil nicht ad hoc ein Arzt bereit steht (Anästhesist und Gynäkologe stehen im OP bei einer Sectio), als nicht aufgenommen betrachten?


    Viele Grüße


    Medman2

    ... Für die vollstationäre Krankenhausbehandlung gilt aber nach $ 39, dass sie erst nach Prüfung durch den Arzt erforderlich ist und abgerechnet werden kann ...

    Hallo Herr Breitmeier,

    zunächst hat das Krankenhaus aber zumindest ab "Durchziehen der Karte" die Verantwortung für die Behandlung. Bitte lassen Sie uns die Formalisierung nicht zu weit treiben, sonst endet das noch darin, dasss der erste Handschlag des Arztes mit dem Patienten, ausschließich videodokumentiert, als Aufnahmezeitpunkt und die persönliche Verabschiedung des Patienten durch den Arzt, ebenfalls videodokumentiert, als Ende der Behandlung gilt.

    Es ist im Übrigen keinewegs so, dass Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung ausschließlich auf die ärztliche Tätigkeit abstellt. Die besonderen Mittel des Krankenhauses müssen erforderlich sein (BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R, R-Nr. 11). Dazu gehören u.a. "eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt".

    Ihr Verweis auf § 39 SGB V greift nicht durch. Krankenhausbehandlung ist nicht erst dann erforderlich, wenn sie von einem Arzt geprüft worden ist, sondern "Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist". Zur Prüfung, die sicher maßgeblich durch den Arzt erfolgt, gehört auch eine entsprechende Vorbereitung nichtärztlicher Mitarbeiter. Der Anspruch besteht auch nicht erst ab Vollständigket der Prüfung, sondern a priori, wenn die - nachfolgend erfolgte - Prüfung die Erforderlichkeit ergibt/bestätigt.

    Mal ein wenig boshaft gefragt: Würden Sie den Beginn einer MDK-Begutachtung erst dann konstatieren, wenn Sie als Gutachter die Unterlagen in Händen halten?


    Viele Grüße


    Medman2

    Absurd sind die Ausführungen unter R-Nr. 12 zum entscheidenden Teil des § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz (Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, unten hervorgehoben):

    § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V:

    (1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

    • bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,

    ... eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ... einzuholen.

    Der Passus war auf Vorschlag des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks. 14/7862 S.6 2.7.) eingefügt worden. Hier zunächst die Gesetzesbegründung:

    • "Klarstellung, dass in Einzelfällen bei Auffälligkeiten auch die Rechnungslegung durch den Medizinischen Dienst geprüft werden kann. Das Verfahren wird ausdrücklich begrenzt auf Fälle, in denen die Krankenkassen einen Anfangsverdacht haben. Die Krankenkassen müssen in diesen Fällen die Möglichkeit haben, abgerechnete Leistungen vom Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen. Dies gilt z. B. für Leistungen, die vor der Behandlung genehmigt wurden oder für die eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben wurde, aber auch für Leistungen, die nicht genehmigungsbedürftig sind. Diese Prüfung in Einzelfällen ist im Krankenhausbereich unabhängig von der verdachtsunabhängigen Stichprobenprüfung nach dem neuen § 17c des Krankenhausfinanzierungsgesetzes."
      (Hervorhebungen durch Verfasser)

    Das macht das BSG daraus:

    • "Die zweite Alternative "Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung" ... schließt an den durch den Einleitungssatz vorgegebenen Regelungskontext der Anhaltspunkte für die Fallauswahl an, nicht etwa an eine eigenständige abweichende Regelung. Die Auffälligkeiten, die zu Abrechnungsprüfungen verpflichten, ergeben sich aus der Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder dem Krankheitsverlauf. Sie folgen letztlich daraus, dass das Krankenhaus die Versicherten nicht wirtschaftlich iS von § 12 Abs 1 SGB V behandelt und deswegen die Abrechnung nicht ordnungsgemäß ist. Der Gesetzgeber des FPG stellte entsprechend der vom Ausschuss für Gesundheit vorgeschlagenen Ergänzung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V klar, dass "in Einzelfällen bei Auffälligkeiten auch die Rechnungslegung" durch den MDK geprüft werden kann .... Der Ausschuss erläuterte den Anwendungsbereich der Auffälligkeitsprüfung dahingehend, dass sie "z. B. für Leistungen, die vor der Behandlung genehmigt wurden oder für die eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben wurde, aber auch für Leistungen, die nicht genehmigungsbedürftig sind" ... gelte."

    Das BSG legt dar, unwirtschaftliche Behandlung führe zu einer allein dadurch bedingten nicht ordnungsgemäßen Abrechnung, entsprechend könne auch die Rechnungslegung geprüft werden, quasi als Wirtschaftlichkeitsprüfung (??). Dies wäre, wenn überhaupt, nachvollziehbar, hieße es "bei Auffälligkeiten der Abrechnung" oder "bei auffälligen Abrechnungen". Es heißt jedoch "zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung". Im Übrigen ist es nicht sinnvoll, bei einer unwirtschaftlich erbrachten Leistung, die formal ordnungsgemäß abgerechnet ist, die Abrechnung zu prüfen. Hier hilft nur die Prüfung, ob die Leistung regelrecht/wirtschaftlich erbracht wurde (1. Halbsatz).

    In der Gesetzesbegründung wird aber nur ausgeführt, dass "auch die Rechnungslegung ... geprüft werden kann".

    Was "Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder ... Krankheitsverlauf" mit unwirtschaftlicher Behandlung zu tun haben soll, ist nicht nachvolliehbar. Möglich und - einzig - sinnvoll ist allerdings der Bezug auf Punkt 2 (Teilhabe der Leistungen der Rehabilitationsträger) oder Punkt 3 (zur Sicherung des Behandlungserfolges) oder Besetigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit.

    Entschuldigung für die Länge des Beitrages!

    Medman2

    Hallo,

    da enthält die Begründung zu B 1 KR 18/16 R doch einige bemerkenswerte Ausführungen:

    R-Nr. 8: "Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist eine eng auszulegende Ausnahmeregelung. Sie zielt nur auf die Einschränkung von solchen Prüfungen ab, die KKn ohne berechtigten Anlass, ggf gar durch "missbräuchliche" Prüfungsbegehren eingeleitet haben, nicht aber zB auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist."

    Der Gesetzesentwurf BT-Drucksache 16/3100 Seite 171 sagt dazu: "Um einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen entgegenzuwirken, wird mit Satz 3 eine Aufwandspauschale von 100 Euro eingeführt." (Hervorhebungen durch Verfasser)
    Ausschließlich ungezielte Prüfungen wurden somit ersichtlich nicht adressiert.

    R-Nr. 10: "Bei der Regelung des § 275 Abs 1 SGB V ging und geht es im Falle der Leistungen von Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V in erster Linie um die Einflussnahme auf das Behandlungsgeschehen vor und während der Leistungserbringung."
    Da werden dann wohl vom MDK zukünftig nur noch laufende Behandlungen geprüft. Unter Verweis auf § 275 Abs. 1 SGB V - sowohl seitens der Kassen als auch des MDK - wurden bisher bei uns allerdings ausschließlich unzählige abgeschlossene Fälle geprüft. Eine MDK-Prüfung bei einer noch laufenden Behandlung habe ich noch nie erlebt.

    R-Nr 13 - zur Einführung von Aufwandspauschale und 6-Wochenfrist nach § 275 Abs. 1c: "Soweit die Gesetzesmaterialien hierbei die Vorstellung aufscheinen lassen, dass Fehlabrechnungen "aufgrund von Umfang und Komplexität der Kodierregeln" in den Anwendungsbereich des § 275 Abs 1c SGB V fallen sollen ..., bleiben sie in ihren rechtlichen Grundannahmen diffus. Der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist ... lässt eine solche Vorstellung nicht erkennen"

    Was sagt der Gesetzesentwurf BT-Drucksache 16/3100 Seite 171 zu § 275 Abs. 1c? "Mit der Pauschale wird eine vereinfachte, aber unbürokratische Regelung verfolgt. Sie kann deshalb keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleisten. So sind aufgrund von Umfang und Komplexität der Kodierregeln Fehlabrechnungen mit zu hohen oder zu niedrigen Rechnungsbeträgen grundsätzlich nicht auszuschließen."

    Das ist nicht diffus und lässt klar erkennen, dass § 275 Abs. 1c SGB V eben auch Abrechnungsprüfungen adressiert. Der Gesetzgeber bedarf hier keiner rechtlichen Grundannahme, im Gegensatz zum BSG.

    R-Nr. 35: Immerhin hat der Gesetzgeber noch Glück gehabt, wird ihm doch vom BSG, zumindest bis zum 31.12.2015, bescheinigt: "Jedenfalls die bis zum 1.1.2016 geltende Gesetzes- und Rechtslage kennt demgegenüber keine Begünstigung unzutreffender Tatsachenangaben in Krankenhausabrechnungen durch eine Prüfeinschränkung der Beweismittel."

    R-Nr. 24 - Krankenhäuser können beruhigt sein, sind sie doch "nicht etwa aus datenschutzrechtlichen Gründen zur irreführenden Falschabrechnung gezwungen".

    Viele Grüße

    Medman2

    Hallo MedCo,

    ich sehe das nicht als problematisch an:

    • § 7 Abs 1 Satz 1 PrüfvV:
      "Der MDK und das Krankenhaus sollen sich darauf verständigen, ob die Prüfung vor Ort oder im schriftlichen Verfahren erfolgt." (Hervorhebung durch Verfasser)
    • Wenn die Kasse nun meint, sie sowohl als auch in Anspruch nehmen zu können, wäre da noch § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV:

      • "Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderungan an den MDK zu übermitteln."

      Aber eben auch § 8 Satz 3 und 4 PrüfvV:

      • Abschließende Entscheidung der Krankenkasse - "³Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Absatz 3 zu erfolgen. Die Regelung des Satzes 3 wirkt als Ausschlussfrist."

      Maßgeblich ist dabei die Prüfanzeige des MDK.


    Na, dann rechnen Sie mal :thumbup:


    Wenn Sie Fußball spielen und Stürmer sind, kennen Sie das Problem.

    Viele Grüße

    Medman2