Hallo,
es wird bei der Diskussion oft übersehen, dass es heisst: Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes und nicht Veranlassung der Krankenhausaufnahme. Die Formulierung wurde lt. dem DKG-Kommentar zu den DKR damals bewusst gewählt, um nicht nur die reine Aufnahmesituation sondern den Aufenthalt als solches zu beurteilen. Insofern steht die BSG-Entscheidung IMHO im Einklang zu der Kommentierung der DKR D002 durch die DKG.
Seite 6 Kommentar, Kommentierung Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2016, Schlottmann, Kaczmarek (Hrsg.)
Sehr geehrte Kollegen,
diese Sichtweise ist mir durchaus bekannt, allerdings nicht aus der genannten Veröffentlichung. Ich habe nur die 2014-er Version, gehe aber davon aus, dass es das gleiche Beispiel (Angina pectoris mit nachfolgendem Infarkt) ist.
Zunächst ist das Beispiel leider schlecht gewählt. Schon das Vorhandensein der speziellen DKR 0901 zeigt, dass es diesbezüglich einen Bedarf zur speziellen Regelung gibt. Eine systematisch mögliche Interpretation ist, die Angina pectoris (I20.-) als eigenständiges Krankheitsbild von einem Infarkt als eigenständiges Krankheitsbild (I21.-) zu unterscheiden und in der genannten Situation die I20.- als Hauptdiagnose zu kodieren. Entweder wurde die DKR 0901 als spezielle Kodierrichtlinie gefasst, um diese systematisch vorgesehene Vorgehensweise als Ausnahmefall (!) auszuschließen, oder um in diesem speziellen Fall die AP und den Infarkt quasi als eine Entität zusammenzufassen.
Wie man es auch dreht oder wendet, in den DKR steht eben nicht, dass Hauptdiagnose diejenige ist, die für den Krankenhausaufenthalt verantwortlich war, sondern diejenige, die hauptsächlich für die Veranlassung (!) des Krankenhausaufenthaltes verantwortlich war. Im Beispiel (2014-er Version, S. 8 zu "Zwei oder mehr Diagnosen ...", Harnleiterkolik und Leistenhoden) bestehen bei Aufnahme beide Erkrankungen, die beide für die stationäre Behandlung mit gleicher Wertigkeit veranlassend gewesen sein können. Wenn dies der Fall ist, ist nach Ressourcenaufwand zu entscheiden.
Die DKR sagen nur mittelbar aus, unter welchen Kriterien (sinnvoll nur medizinisch oder ökonomisch) die Hauptdiagnose zu erfassen ist. Erst aus der Erweiterung "Zwei oder mehr Diagnosen ..." ("Nur in diesem Fall ... die, die ... die meisten Ressourcen verbraucht hat") geht hervor, dass die
- primäre (!) Beurteilung der Hauptdiagnose nach medizinischen Kriterien zu erfolgen hat.
Wenn mehrere Erkrankungen bei der Aufnahme vorliegen (in der Medizin nicht untypische "Gemengelage"), ist diejenige zu wählen, die unter medizinischen Aspekten hauptsächlich die Behandlung veranlasst hat. Das ist
- diejenige, die medizinisch führend (hauptsächlich) für die Einleitung der Behandlung (Veranlassung) war.
- Sekundär ist nach ökonomischen Aspekten (Ressourcenverbrauch) zu unterscheiden,wenn zwei medizinisch hauptsächliche Diagnosen vorhanden sind, d.h. mit medizinisch gleichem Gewicht (!) die stationäre Behandlung veranlassen (!).
Die vom BSG favorisierte Interpretation wäre zutreffend, wenn die DKR die Hauptdiagnose als diejenige festlegen würden,
- die für die stationäre Krankenhausbehandlung verantwortlich war,
und nicht diejenige,
- die hauptsächlich für die Veranlassung der stationären Krankenhausbehandlung verantwortlich war.
Sei es, wie es ist. Die Auslegung des BSG wird maßgeblich sein.
Viele Grüße
Medman2