Sepsis und SIRS bzw. Sepsis bei Abort

  • Hallo,

    sofern das Thema besser im "Kodieranfänger" Forum aufgeboben ist, bitte gerne dorthin verlagern.

    Ich selbst verfüge (noch) nicht über sehr viel Kodiererfahrung, musste mich zuletzt aber intensiv mit Thema der Sepsiskodierung auseinandersetzen. Dies bezüglich habe ich auf den Kodierleitfaden Sepsis 3.0 der deutschen Sepsisgesellschaft, die deutschen sowie schweizer Kodierrichtlininien sowie auf unterschiedlichste Forumbeiträge (u.a. den hier verlinkten Artikel zurückgegriffen. Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Ich habe meine Hausaufgaben versucht so gut es geht zu erledigen, allerdings konnten gewisse Fragen nicht abschließend beantwortet werden:

    Frage 1:

    Gemäß deutscher DKR wurde mit Anpassung der Sepsis-3-Definitionen das SIRS in 2020 von der Sepsis "entkoppelt". Es heisst hier "Aufgrund der seit 2017 gültigen Sepsis-Definition (Sepsis-3) ist dabei der Kode R65.0! nicht mehr mit der auslösenden Grundkrankheit Sepsis (unter anderem Kodes aus Tabelle 1) zu kombinieren."

    Die deutsche Sepsis Gesellschaft schreibt hingegen, dass in Deutschland neben einer bestehenden Sepsis auch noch ein SIRS kodiert werden kann: "Die SIRS-Kriterien können erfasst und anhand der Kodes R65.0! bzw. R65.1! weiter dokumentiert werden, sind jedoch nicht mehr die conditio sine qua non für die Kodierung einer Sepsis."

    Ich verstehe die Situation folgendermaßen: Das Kodieren von R65.0! gemeinsam mit einer Sepsis verbietet sich da die Sepsis-3-Kriterien für die Diagnose einer Sepsis ein Organversagen (genauer Wortlaut "Organdysfunktion") fordert, sodass ein SIRS infektiöser Genese OHNE Organkomplikationen auf Basis der Sepsis nicht vorliegen kann.

    Aus medizinischer Sicht kann bei einer Sepsis meines Verständnisses nach neben der Sepsis aber sehr wohl ein SIRS infektiöser Genese mit Organkomplikationen vorliegen und dieses entsprechend verschlüsselt werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dies nach dem Artikel von Dr. med. Rolf Bartkowski durchaus erlösrelevant sein kann.

    Konkrete Frage: Interpretieren ich diesen Sachverhalt richtig?

    Frage 2:

    Wann ist O08.0 im Rahmen eines Aborts mit begleitender Sepsis zu kodieren? Für die Illustration des Sachverhalts sei von einem "Inkompletten Spontanabort mit anschließender Sepsis" ausgegangen.

    Auch hier liefert die DKR zwar Beispiele, wann O08-Codes als ND hinzuzufügen sind, allerdings finde ich Beispiel 3 und Beispiel 4 recht schlecht gewählt, sodass (zumindest für mich) keine abschließende Klärung geliefert wird (DKR 1505, Seite 147).

    Meines Erachtens liefert der Code O08.0 insbesondere durch die zahlreichen Einträge einschliesslich "Sepsis nach Abort"im alphabetischen Verzeichnis zusätzliche Informationen gegenüber O03.0 (Spontanabort: Inkomplett, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens ohne jeglichen Eintrag im alphabetischen Verzeichnis), sodass mMn für oben genanntes Beispiel neben O03.0 auch O08.0 zu kodieren wäre.

    Ferner heißt es am Anfang des Kapitels Schwangerschaft mit abortivem Ausgang :

    Zitat

    Die folgenden vierten Stellen sind bei den Kategorien O03-O06 zu benutzen: Inkompletter Abort schließt Retention von Konzeptionsprodukten nach Abort ein.

    • .0 Inkomplett, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens
      Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind

    bzw. weiter unten heißt es zusätzlich unter O08:

    Zitat

    Komplikationen nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft
    Hinw.: Diese Kategorie ist in erster Linie zur Verschlüsselung der Morbidität vorgesehen. Für den Gebrauch dieser Kategorie sollten die Regeln und Richtlinien zur Verschlüsselung der Morbidität und Mortalität in Band 2 (Regelwerk) herangezogen werden.


    Kann man daher festhalten, dass bei einem Abort (unabhängig davon welcher konkrete Typ vorliegt oder ob dieser komplett bzw. inkomplett ist) mit begleitender Sepsis ein O03-O07 + O08.0 + Sepsiscode aus Kapitel 1 sowie ggf. weitere Zusatzcodes für Resistenzen und Zeitpunkt des Auftretens der Sepsis oder eines septischen Schocks (U69-Codes) kodiert werden können/sollten.


    Ich habe mir beim Verfassen des Beitrags sehr viel Mühe gegeben - sollten dennoch Punkte unklar oder unverständlich sein bitte ich dies zu entschuldigen. Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

    Liebe Grüße

    Niquele

  • Guten Morgen,

    zu Ihrer 1. Frage. Ja, Sie interpretieren den Sachverhalt korrekt. Eine SIRS mit Organkomplikation kann zusätzlich zur Sepsis bestehen, ohne Organkomplikation ist dies nicht mehr möglich. (früher war eben SIRS-Kriterien erfüllt = Sepsis)

    zur 2. Frage:

    Hier müssen ggf. Fachkollegen meine Einschätzung revidieren, aber ich sehe es so: Die =O08.0 beschreibt den Zustand nach einem Abort. Also beispielsweise Aufnahme aktuell mit Zeichen der Sepsis bei bekanntem Abort vor z.B. 3 Tagen (nicht im aktuellen Aufenthalt). Dann ist die O08.0 HD in diesem Fall (analog Beispiel 1)

    Wenn Sie im aktuellen Fall die Abortbehandlung durchführen und hieraus aus der begleitenden Infektion eine Sepsis erwächst, so wäre dies entsprechend dem ICD unter O03.- -O07.- mit inkludiert. ("Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind)

    Entsprechend der DKR könnten Sie die O08.- als ND mit angeben, wenn die Kodierung dadurch genauer wird. Hier lässt sich aber sicherlich mit dem MD streiten, ob es wirklich genauer wird oder eine unzulässige Doppelkodierung ist. ("Infektion des Genitaltraktes" ist ja nicht gleich Sepsis )

    > Wobei man hier ehrlicherweise sagen muss, dass O08.0 ja auch "Infektion des Genitaltraktes ..." heißt also ebenso wie die .0 unter den entsprechenden Abort-Kodes. Ein Mehr an Information erhalten Sie hierdurch nicht (anders als im Beispiel 4, da dort ja bei der HD "sonstige und nicht näher bezeichnete Komplikationen" gewählt wurden und hier die O08 mit "Schock" dies in der Tat näher bezeichnet.)


    Ich hoffe mich einigermaßen verständlich und korrekt ausgedrückt zu haben.

    Freundliche Grüße aus Sachsen

    Cyre

  • Hallo Cyre,

    herzlichen Dank für Ihre Einschätzung zu beiden Fragen, insbesondere Frage 1 ist damit abschließend beantwortet.

    Ggf. findet sich ja noch jemand der Ihre Einschätzung zu Frage 2 validiert.

    Mfg

    Niquele